HSLU: Kindes- und Erwachsenenschutz: Zwei neue Instrumente für mehr Einheitlichkeit bei der Abklärung

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Hochschule Luzern

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Kindes- und Erwachsenenschutz: Zwei neue Instrumente für mehr
Einheitlichkeit bei der Abklärung
Befinden sich Kinder oder Erwachsene in einer Gefährdungssituation, klären die Kindesund
Erwachsenenschutzbehörden KESB ab, ob und wie ihnen geholfen werden kann. Das
Vorgehen dabei und die Kriterien, nach denen die Fälle beurteilt werden, sind in der Schweiz
nicht vereinheitlicht. Forschungsteams der Hochschule Luzern und der Berner Fachhochschule
haben zwei Instrumente entwickelt, die dies ändern sollen.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) werden aktiv, wenn eine Gefährdungsmeldung
eingeht – durch die betroffene Person selber, durch Angehörige oder andere, wie die
Schule oder die Polizei. Dann klären die Behörden ab, ob und wenn ja, wie geholfen werden kann.
Sie können beispielsweise Beistandschaften für Erwachsene anordnen, Kindesschutzmassnahmen
treffen, den Kontakt zwischen Eltern und Kindern regeln, die Aufnahme von Kindern zur Pflege
bewilligen oder das Kindesvermögen verwalten.
Wie die Fachkräfte bei einer Abklärung vorgehen, ist in der Schweiz nicht vereinheitlicht: Je nach
Kanton, teilweise auch innerhalb einer einzelnen Behörde gehen sie anders vor. Auch die Kriterien,
nach denen die Fälle beurteilt werden, sind nicht überall die gleichen. «Obwohl seit längerem von
der Praxis gefordert wird, die Abklärung im Kindes- und Erwachsenenschutz zu systematisieren»,
sagt Psychologe Andreas Jud von der Hochschule Luzern. Der Bedarf nach einem praktikablen und
einheitlichen Abklärungsinstrument ist insbesondere seit 2013 gestiegen, als professionelle
regionale KESB die bisherigen Laienbehörden in der Vormundschaft ablösten.
KESB haben bei der Entwicklung mitgearbeitet
Deshalb hat die Hochschule Luzern für den Erwachsenenschutz und – zusammen mit der Berner
Fachhochschule – auch für den Kindesschutz je ein solches Abklärungsinstrument entwickelt.
Entstanden sind das «Luzerner Abklärungsinstrument zum Erwachsenenschutz» und das «Berner
und Luzerner Abklärungsinstrument zum Kindesschutz». Unterstützt wurden die Forschungsteams
bei der Ausarbeitung von verschiedenen Praxispartnern, unter anderem von diversen KESB und
sozialen Diensten.
Bei den zwei Instrumenten handelt es sich um webbasierte Tools, die die Fachpersonen anhand von
Fragen Schritt für Schritt durch den Abklärungsprozess führen: Ist ein Kind involviert, wird
vordringlich überprüft, ob sofort gehandelt werden muss, weil zum Beispiel eine Person im
Haushalt zurzeit erheblich gewalttägig ist. Besteht keine akute Bedrohung, erfolgt die vertiefte
Situationsanalyse. Dabei ist mitunter abzuklären, ob es bereits früher Gefährdungsmeldungen gab
und wie und durch wen das Kind betreut wird. Besonders am Abklärungsinstrument für den
Kindesschutz ist, dass die Kriterien, die zur Beurteilung der Situation herangezogen werden,
forschungsbasiert sind. «Wir haben Kriterien ausgewählt, die in der Forschung als entscheidend
gelten für eine günstige oder ungünstige Entwicklung des Kindeswohls», erklärt die
Sozialarbeiterin und Soziologin Andrea Hauri von der Berner Fachhochschule. Ein Beispiel: Um
beurteilen zu können, ob die körperlichen Bedürfnisse eines einjährigen Kindes erfüllt sind, ist
auch zu prüfen, wie sein Schlafplatz ist. Wird in seinem Schlafzimmer regelmässig geraucht und
der Raum nicht gelüftet, kann das die Gesundheit des Kindes gefährden. Die Forschung zeigt, dass
damit das Risiko für einen frühen Kindstod steigt.
Im Erwachsenenschutz wiederum sind evidenzbasierte Forschungsergebnisse eher rar. «Umso mehr
Gewicht bekommen die sozialarbeiterischen Abklärungen», sagt Jurist und Sozialarbeiter Daniel
Rosch von der Hochschule Luzern. So trägt die Expertin oder der Experte unter anderem
Informationen zur psychischen, sozialen und finanziellen Situation der betroffenen Person
zusammen und analysiert, wie das Problem entstanden ist. «Es sind nicht lediglich Checklisten, die
Tools ersetzen das Denken nicht», so Daniel Rosch. Die Schlussfolgerungen müssten Fachpersonen
ziehen.
Die Abklärungsinstrumente unterstützen die Fachkräfte schliesslich darin, eine umfassende Analyse
vorzunehmen und einzuschätzen, ob sie der KESB empfehlen, Massnahmen zu ergreifen – und
wenn ja, welche. Dafür verknüpfen die Tools die Massnahmen jeweils mit den entsprechenden
gesetzlichen Grundlagen. So haben die Fachkräfte die rechtlich relevanten Fragen präsent, die sie
bei ihrer Entscheidung für oder gegen eine Massnahme berücksichtigen müssen.
Vergleichbarkeit und Transparenz werden erhöht
Die neuen Instrumente sollen im Kindes- und Erwachsenenschutz zu einer Standardisierung des
Abklärungsprozesses und zu einheitlich definierten Beurteilungskriterien führen. Was wiederum für
die Betroffenen und die Behörden Vorteile mit sich bringt: Einerseits sind die Fälle besser
miteinander vergleichbar, andererseits steigt die Transparenz. «Für alle Involvierten wird
nachvollziehbar, welche Aspekte ausschlaggebend sind, damit Massnahmen ergriffen werden», sagt
Andrea Hauri. Andreas Jud ergänzt: «Die Instrumente können sicherstellen, dass bei der Abklärung
keine relevanten Punkte vergessen gehen – damit sinkt zumindest das Risiko, dass grobe Fehler
passieren.»
www.hslu.ch/abklaerungsinstrumente

Abklärungsinstrumente werden nun untersucht
Verschiedene Institutionen erproben derzeit die beiden Abklärungsinstrumente zum Kindes- und
Erwachsenenschutz. Die Handhabung wird in Fachseminaren an der Hochschule Luzern und der
Berner Fachhochschule vermittelt. Begleitend werden die Tools in zwei Forschungsprojekten
untersucht: Unter anderem möchten die Entwickler Antworten auf die Frage finden, ob sich mit der
Einführung der Instrumente die Zahl und die Art der empfohlenen Massnahmen sowie deren
Wirkung verändern. Zudem gilt es herauszufinden, inwiefern die Tools Einfluss darauf haben, wie
die involvierten Fachpersonen und die betroffenen Familien den Abklärungsprozess wahrnehmen.[content_block id=29782 slug=ena-banner]