Dozierende an Pädagogischen Hochschulen und an Fachhochschulen haben durchschnittlich rund 15 Jahre Praxiserfahrung. Rekrutiert werden sie am häufigsten aus den jeweils relevanten Praxisfeldern; selten kommen sie direkt von Universitäten. Dies sind zwei
Erkenntnisse einer schweizweiten Dozierendenbefragung der Hochschule Luzern und der
Pädagogischen Hochschule Luzern. Sie zeigt erstmals die grosse Praxisnähe dieser beiden
Hochschultypen auf.
In Medien und Politik wird immer wieder über eine vermeintliche Angleichung der
Fachhochschulen an die Universitäten und eine Akademisierung der pädagogischen Ausbildung berichtet. «Mangels Daten dominierten bisher Vermutungen die Diskussion», sagt Christine Böckelmann von der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Sie hat gemeinsam mit Annette Tettenborn von der Pädagogischen Hochschule Luzern die Studie durchgeführt, die erstmals aufzeigt, über welche Qualifikationen die heutigen Dozierenden an Fachhochschulen und Pädagogischen
Hochschulen der Schweiz verfügen und was die häufigsten Laufbahnen sind. Weiter ermöglicht die Studie Aussagen darüber, welcher Anteil der Dozierenden in der Ausbildung, der Forschung, der Weiterbildung und dem Dienstleitungsbereich tätig ist und in welchem Umfang. 2’500 Dozierende aus 23 Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen haben im Herbst 2018 an einer Online- Befragung teilgenommen. Die Studie stand unter dem ideellen Patronat von swissuniversities.
Dozierende kommen aus der Praxis
Von Dozierenden der Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wird ein so genanntes «doppeltes Kompetenzprofil» erwartet. Das bedeutet, dass sie nicht nur wissenschaftliche
Kompetenz mitbringen sollen, sondern auch Praxiserfahrung. Die Studie erhob deshalb Angaben zur bisherigen Laufbahn der Dozierenden an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen.
Rund 90 Prozent der Studienteilnehmerinnen und
-teilnehmer geben an, dass sie vor ihrer
Anstellung in einem potenziellen zukünftigen
Berufsfeld der Studierenden tätig waren oder es
parallel zur Tätigkeit an der Hochschule noch
sind. Die durchschnittliche Praxiserfahrung
beträgt 15 Jahre. Die meisten Dozierenden werden
aus dem jeweiligen Berufsfeld rekrutiert und nicht
etwa aus den Universitäten. Der Anteil, der früher
einmal an einer Universität als Professorin oder
Professor gearbeitet hat, ist gering (vgl.
Abbildung).
Entsprechend verfügen rund 60 Prozent der
Dozierenden gemäss ihrer Selbsteinschätzung über
ein doppeltes Kompetenzprofil, weitere rund 30
Prozent sagen von sich, dass sie tendenziell ein
solches Profil aufweisen.
Hochschulreformen führten nicht zu einseitiger Akademisierung
Insgesamt zeigen sich nur geringe Unterschiede zwischen Dozierenden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Hochschulen eingetreten sind. Somit ist nicht zu erwarten, dass sich dieSituation in den nächsten Jahren in Bezug auf die vorhandenen Kompetenzprofile deutlich ändern
wird.
«Es wird immer wieder vermutet, dass
Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen
als Folge der Reformen des schweizerischen
Hochschulsystems in den letzten Jahren dazu
übergegangen sind, vor allem promovierte oder
habilitierte Universitätsprofessorinnen und –
professoren anzustellen. Die Studie widerlegt dies
ebenso wie die behauptete Zunahme von
Dozierenden ohne Praxisbezug», erläutern die
Studienautorinnen. Der Anteil promovierter
Dozierender ist in den verschiedenen
Fachhochschul-Fachbereichen beziehungsweise den
beiden Hochschultypen allerdings sehr
unterschiedlich. Er schwankt zwischen 17 und 75
Prozent (vgl. Abbildung). Der Anteil Habilitierter liegt bei unter 5 Prozent.
Mittelbauanstellungen – d.h. Anstellungen als wissenschaftliche Mitarbeitende oder als
Assistentinnen und Assistenten – gibt es an den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen erst seit ungefähr 15 Jahren. Umso bemerkenswerter ist, dass bereits rund 20 Prozent der Fachhochschuldozierenden und rund 27 Prozent der Dozierenden an Pädagogischen Hochschulen im Verlauf ihrer Berufsbiografie eine solche Position innehatten und entsprechend in die spezifischen Kompetenzanforderungen dieser Hochschultypen eingeführt werden konnten. «Es ist ein gutes Zeichen, dass wir an unseren Hochschulen begonnen haben, den eigenen Nachwuchs auszubilden», sagt Annette Tettenborn.
Stärkung des wissenschaftlichen Profils notwendig
Eine Herausforderung dürfte für die Fachhochschulen und die pädagogischen Hochschulen darin liegen, das wissenschaftliche Profil zu stärken. Die wissenschaftlichen Kompetenzen sowie das Engagement in der «Scientific Community» sind – allerdings in den einzelnen Fachbereichen bzw. Hochschultypen in sehr unterschiedlichem Ausmass – ausbaufähig. Hierin dürfte sich spiegeln, dass die Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen in der Schweiz aus primär ausbildungsorientierten Institutionen hervorgegangen sind und ihnen vergleichsweise geringe Ressourcen für die Forschung zur Verfügung stehen, obwohl dieser Leistungsbereich zu ihrem Auftrag gehört. In den Fachhochschul-Fachbereichen bzw. Hochschultypen sind durchschnittlich rund 50 Prozent der Dozierenden in Forschungstätigkeiten involviert. Dabei dominieren jedoch Kleinaufträge mit geringen Stellenprozenten, was die Professionalisierung deutlich erschwert.
Praxisbezug aufrechterhalten
Für einen aktuellen Praxisbezug ist unter anderem eine Tätigkeit in der Weiterbildung und im Dienstleistungsbereich relevant, da hier ein intensiver Austausch mit den aktuellen
Herausforderungen in den jeweiligen Berufsfeldern stattfindet. Arbeitspensen in der Weiterbildung
haben knapp 40 Prozent und im Dienstleistungsbereich knapp 30 Prozent der Dozierenden. Etwasweniger als ein Viertel der Dozierenden arbeitet heute noch ausschliesslich in der Ausbildung – mitgrossen Unterschieden zwischen den Fachbereichen bzw. Hochschultypen und mit einer deutlichenAbhängigkeit vom Beschäftigungsumfang.
Betonung der Lehrqualität
Über 60 Prozent der Befragten haben sich im Bereich der Hochschuldidaktik weitergebildet. Was
die Hochschulen hier anbieten, wird überwiegend als ausreichend beurteilt und ergänzt die
Didaktik-Kompetenzen, die viele Dozierende bereits in die Anstellung mitbringen. Die Betonung
einer hohen Lehrqualität an den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wird dadurch
gestützt. Weiterbildungen zu Forschungsmethoden werden angesichts des zu vermutenden
Qualifizierungsbedarfs in diesem Bereich vergleichsweise wenig in Anspruch genommen –
insgesamt von unter 30 Prozent der Dozierenden, mit sehr grossen Unterschieden zwischen den
Fachbereichen bzw. Hochschultypen.
Hohe Identifikation mit der Arbeit
An den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen arbeitet eine insgesamt zufriedene
Dozierendenschaft, die sich mit der eigenen Tätigkeit stark identifiziert und vor allem die
abwechslungsreiche und interessante Arbeit sowie die Möglichkeit schätzt, die eigenen Fähigkeiten
und Kenntnisse einzusetzen. Langjährige Dozierende, die viele organisationale Umwälzungen und
veränderte Anforderungen miterlebt haben, sind nicht weniger zufrieden als diejenigen, die später
hinzugekommen sind. «Wichtig ist, dass die Hochschulen die hohe Arbeitsbelastung ihrer
Dozierenden im Blick behalten. Die Befragten sind vergleichsweise wenig zufrieden mit der zu
bewältigenden Arbeitsmenge», stellen die Studienautorinnen fest.
Die gesamte Studie ist hier verfügbar.
Die Grafiken können Sie hier herunterladen.[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]