Im Gebiet «Alt Rüti» im Brunnital hat der Forstbetrieb Unterschächen im Mai 2023 auf einer Versuchsfläche acht verschiedene einheimische Baumarten gepflanzt. Im Rahmen eines schweizweiten Forschungsprojekts werden insgesamt 864 Bäume in den nächsten Jahrzehnten auf ihre Klimatoleranz hin untersucht. Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis soll wichtige Informationen liefern, welche Baumarten bei veränderten Klimabedingungen im Schweizer Wald wachsen und in Zukunft stabile Bestände bilden können.
Die Veränderung des Klimas ist im Wald bereits heute zu spüren: Es wird tendenziell wärmer und im Sommer trockener. Durch Trockenheit geschwächte Bäume sind anfälliger auf Schadenereignisse und Krankheiten. Langfristig wirkt sich der Klimawandel auch auf die Baumartenzusammensetzung aus. Auf vielen Waldstandorten werden unter den erwarteten künftigen klimatischen Bedingungen andere Baumarten vermutlich besser wachsen als jene, die heute dort vorkommen. Auch rechnet die Forschung damit, dass sich die Vegetations-Stufen je nach Klimaentwicklung um 500 bis 700 Höhenmeter nach oben verschieben werden. Dies bedeutet, dass auf heutigen Nadelwaldstandorten künftig Mischwald oder Laubwald zu erwarten ist. «Unser Wald braucht zukunftsfähige Baumarten, damit er uns weiterhin vor Naturgefahren schützt, Lebensraum für Tiere und Pflanzen bietet, als Erholungsraum für die Bevölkerung dient sowie Holz als Baustoff und Energiequelle liefern kann», erläutert Sicherheitsdirektor Dimitri Moretti.
Testpflanzung im Brunnital als Teil eines gesamtschweizerischen Netzwerks
Es ist möglich, dass die Geschwindigkeit des Klimawandels die Fähigkeit des Waldes übersteigt, sich natürlich an die wärmeren Temperaturen anzupassen. Den Wald dabei zu unterstützen und ihn «klimafit» zu pflegen, ist für die Forstpraxis eine grosse Herausforderung: Welche Baumarten trotzen den veränderten Bedingungen gegen Ende des 21. Jahrhunderts? Wachsen diese schon heute auf den unterschiedlichen Waldstandorten und wie können sie gefördert werden? Um diese Fragen zu beantworten, hat die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL zusammen mit der Forstpraxis insgesamt 57 Testflächen in verschiedensten Kantonen der Schweiz eingerichtet. Dort wird während der nächsten 30 bis 50 Jahre die Klimatoleranz verschiedener Baumarten untersucht.
Bereits im Herbst 2022 begann der Forstbetrieb Unterschächen mit den Vorbereitungen für die Testpflanzung im Gebiet «Alt Rüti» im Brunnital auf rund 1’200 Meter über Meer. «Auf zirka einer Hektare musste der reine Fichtenbestand dem Wald der Zukunft weichen. Die Fläche haben wir für die Pflanzungen speziell präpariert und einen Zaun zum Schutz der jungen Bäume vor Wildverbiss aufgestellt», berichtet der zuständige Revierförster Beat Herger. Nun pflanzte der Forstbetrieb Mitte Mai zusammen mit der WSL insgesamt 864 Bäumchen nach einem vorgegebenen Versuchsdesign. Dabei wurden mit Tanne, Bergahorn, Buche, Fichte, Föhre, Douglasie, Winterlinde und Kirsche insgesamt acht einheimische Baumarten mit verschiedenen Samenherkünften und somit unterschiedlicher Genetik verwendet. In Kombination mit den anderen Versuchsflächen wird auf diesem Waldstandort das Potential getestet, ob diese Arten überleben und gedeihen können.
«Als Förster sind wir dafür verantwortlich, einen zukunftsfähigen Nachwuchs im Wald sicher zu stellen. Dabei setzen wir bei der Jungwald- und Schutzwaldpflege grundsätzlich auf Naturverjüngung und fördern die Artenvielfalt, um einen stabilen Wald wachsen zu lassen», erklärt Kantonsforstmeister Roland Wüthrich. «Doch bereits heute schon müssen wir der Natur auf gewissen Flächen mit Pflanzungen nachhelfen, damit unser Bergwald eine genügend breite Baumartenvielfalt aufweist und für die Zukunft gewappnet ist.»
Wichtige Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit von Forschung und Praxis
Die Versuchsfläche im Urner Wald leistet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Baumartenempfehlungen für die Waldfachleute. Diese beschäftigen sich seit mehreren Jahren mit den Problemen des Klimawandels und den zukünftigen Bedingungen für den Wald. Für die Forstpraxis ist es wichtig zu wissen, welche Baumarten bereits heute auf Waldstandorten wachsen, wo ihnen das Klima in Zukunft zusagen wird. Denn nur mit einer geeigneten Baumartenzusammensetzung können stabile Wälder erhalten werden, die ihre vielfältigen Funktionen dauernd erfüllen. Hierbei ist der Wirkung von Schutzwäldern auf Extremstandorten besondere Beachtung zu schenken, da diese durch die Klimaveränderung stärker gefährdet sind. «Gerade auf den vielen Waldschadenflächen, die in den letzten Jahren im Urner Schutzwald durch Stürme und Borkenkäfer entstanden sind, bietet sich die Chance, durch Pflanzungen nun zusätzliche Baumarten einzubringen. Beim Entscheid zur Baumartenwahl stützen wir uns dabei auf Modellierungen der Wissenschaft sowie auf eigene Beobachtungen und Erfahrungen. Die Resultate aus dem Projekt ‹Testpflanzung zukunftsfähiger Baumarten› werden uns in rund zehn Jahren weitere wichtige Erkenntnisse dazu liefern», führt Kreisforstmeisterin Susanne Arnold aus.
Forschungsprojekt «Testpflanzung zukunftsfähiger Baumarten»
Zusammen mit den kantonalen Forstdiensten, dem Bundesamt für Umwelt, Forstbetrieben, Baumschulen und Forschenden der WSL entsteht seit Herbst 2020 ein Netzwerk aus 57 Testpflanzungen in der ganzen Schweiz. Getestet werden insgesamt 18 Baumarten in ihrem heutigen Verbreitungsgebiet, sowie auf höher gelegen Flächen. So wird der natürlichen Wanderung der Baumarten im Klimawandel vorgegriffen und die Baumarten werden bereits heute dort getestet, wo ihnen das Klima gegen Ende des Jahrhunderts zusagen könnte. Ziel ist es herauszufinden, ob die Baumarten, die in Zukunft auf einem Standort als geeignet gelten, bereits heute dort wachsen können, respektive wo die Baumarten ihr Optimum haben und wo sie an ihre Grenzen stossen. Das langfristige Ziel ist, wissenschaftlich fundierte Baumartenempfehlungen für die Waldfachleute zu erarbeiten. Im Juni 2023 wird der letzte Baum gepflanzt und das Netzwerk steht bereit für Forschung und Praxis. Insgesamt werden in der Schweiz mehr als 55’000 gepflanzte Bäume während den nächsten 30 bis 50 Jahren beobachtet.
Weiterführende Links zum Forschungsprojekt
https://www.wsl.ch/de/