Lausanne/Zürich (ots) – Offener Brief von Vito Angelillo, Geschäftsleiter Terre des hommes Kinderhilfe:
Die für vergangenen Montag geplanten Friedensverhandlungen für den Bürgerkrieg in Syrien sind vertagt worden. Während sich die Kriegsparteien noch streiten, wer in Genf einen Stuhl am Verhandlungstisch bekommt, sterben täglich weitere Zivilisten im Konfliktgebiet, darunter zehn Kinder pro Tag. Die Überlebenden, wenn ihre Familie die dazu notwendigen Mittel hat, verlassen ihr zerstörtes Zuhause auf gefährlichen Fluchtwegen, und vertrauen ihr Schicksal einem illegalen Schlepper an.
Seit Anfang des Krieges, wurden insgesamt bereits mehr als 260’000 Menschen getötet, davon waren rund 100’000 Frauen und Kinder. 4.3 Mio. Menschen sind vor der Gewalt geflüchtet – die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg.
Im syrischen Bürgerkrieg wird ohne Rücksicht auf Familien und Kinder gekämpft. Zivilisten werden gezielt in Wohngebieten und Schulen angegriffen. Die ausgehungerten Kinder in Madaya sind nur ein Beispiel für die vielen systematischen Völkerrechtsverletzungen. Zur Kriegslogik gehören die Belagerung von Städten, Vergewaltigungen und der Einsatz von Fass- und Streubomben, sowie Giftgas gegen die Bevölkerung.
Seit fast fünf Jahren werden die Gräueltaten von internen und geopolitischen Machtspielen gefördert. Dass die Friedensverhandlungen diese Woche vertagt wurden, ist ein tragisches und völlig inakzeptables Indiz für die untergeordnete Bedeutung der Leidtragenden.
Als führendes Schweizer Kinderhilfswerk stehen für uns die Rechte der kleinsten und hilflosesten Opfer dieser Krise im Mittelpunkt. Die Verhandlungsteilnehmer, die ihr Treffen aus machtpolitischem Kalkül verschoben haben, fordern wir dringend dazu auf, sich heute ihre eigenen Kinder anzusehen. Sie sollen sich vorstellen, was es für sie bedeuten würde, ihre Töchter und Söhne sterben zu sehen, oder sie in ein fremdes Land schicken zu müssen, im vollen Bewusstsein der Gefahren, denen sie unterwegs begegnen würden, mit verzweifelter Hoffnung aber keinerlei Garantie einer besseren Zukunft.
Sollten sie es nach Europa schaffen, werden die Kleinen als ‚Migranten‘ oder ‚Flüchtlinge‘ registriert. Nicht selten werden sie als Störfaktor in unserer heilen Welt betrachtet. Doch zunächst sind sie Kinder. Nur Kinder, die für das, was ihnen geschehen ist, keinerlei Verantwortung tragen. Sie sind Kinder und verdienen alleine deswegen besonderen Schutz, egal ob in Syrien, unterwegs auf dem Balkan, auf dem Mittelmeer, oder angekommen in einem westeuropäischen Land. Sie haben die gleichen Bedürfnisse und die gleichen Rechte wie unsere eigenen Kinder. Und jedes Land, das die Kinderrechtskonvention unterschrieben hat, die Schweiz inbegriffen, hat die unwiderrufliche rechtliche und moralische Pflicht, sie so zu behandeln.[content_block id=29782 slug=ena-banner]