In der Studie BESTandermatt untersucht die Hochschule Luzern die soziokulturellen und
sozioökonomischen Auswirkungen des Tourismusresorts in Andermatt über einen
Zeitraum von rund zehn Jahren. Im Mittelpunkt der zweiten Teilstudie stehen die
unterschiedlichen Umgangsweisen der Bevölkerung mit den Veränderungen im Dorf. Die
Studie zeigt, welche Faktoren die Haltung der Menschen beeinflussen und spricht
Empfehlungen aus.
Das Resortprojekt in Andermatt wird die Urner Gemeinde im Urserental verändern – nicht nur
die Landschaft und das Ortsbild, auch die sozialen Strukturen und das Zusammenleben. Wie
die Bevölkerung den Wandel ihres Dorfes erlebt und wie sie damit umgeht, untersucht die
Langzeitstudie BESTandermatt unter der Leitung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
(siehe Box). Die Studie geht über eine Dokumentation der soziokulturellen Auswirkungen
hinaus und will die Betroffenen darin unterstützen, die Entwicklungen zu reflektieren und aktiv
mitzugestalten. Die Einstellung der Bewohnerinnen und Bewohner gegenüber der touristischen
Entwicklung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine Destination. Sie sind Teil der lokalen
Gastfreundschaft und werden damit auch zu Imageträgerinnen und Imageträgern.
Parallel dazu analysieren Expertinnen und Experten des Departements Wirtschaft der
Hochschule Luzern die sozioökonomischen Entwicklungen in Andermatt sowie in der Region
San Gottardo.
Verschiedene Stimmungen: von Aufbruchsstimmung bis zu Enttäuschung
Zwischen Januar und Mai 2013 wurden für die soziokulturelle Teilstudie 25 Personen befragt,
zwei Gruppendiskussionen mit Jugendlichen unterschiedlichen Alters geführt und in
Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen ein Kinderpartizipationstag für die Schülerinnen und
Schüler der 4. bis 6. Klasse organisiert. Die Auswertung zeigt, dass die Stimmung in
Andermatt zum Zeitpunkt der Befragung von einer zuversichtlichen Aufbruchsstimmung über
eine abwartende Haltung bis hin zu Enttäuschung oder Unsicherheit reicht. So wurde
beispielsweise die Befürchtung geäussert, dass es in Zukunft in Andermatt zu wenig
bezahlbaren Wohnraum für die einheimische Bevölkerung geben werde. Positiv aufgenommen
wurde hingegen die Aufwertung des Dorfkerns dank Renovationen. Vom Bau des Resorts, aber
auch von der Erweiterung des Skigebiets erhofft man sich einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Im Zentrum der zweiten Teilstudie standen die unterschiedlichen Umgangsweisen der
Befragten mit den Veränderungen. Ein Teil der Andermatterinnen und Andermatter ist
zuversichtlich, dabei durchaus auch konstruktiv kritisch. Diese Gruppe sieht vor allem die
Chancen, die sich durch das Resortprojekt eröffnen und glaubt, selbst Einfluss auf die
Entwicklung nehmen zu können. Andere hingegen fühlen sich überrollt vom Neuen, fürchten,
dass die ursprünglichen Qualitäten von Andermatt nicht mehr zählen und ziehen sich zurück.
Eine dritte Gruppe steht der Entwicklung ablehnend gegenüber, ist enttäuscht von bestimmten
Entscheidungen und kritisiert einen Mangel an Transparenz seitens der Verantwortlichen.
Trotz unterschiedlicher Ansichten im Gespräch bleiben
Das Team der Hochschule Luzern lud die Bevölkerung im September zu einer
Ergebniskonferenz ein, an der die drei Umgangsweisen vorgestellt wurden. «Responsive
Forschung» heisst dieser Ansatz, der erlaubt, mit dem Offenlegen der Erkenntnisse bei den
Beteiligten einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen. Die Befragungen und die Diskussionen
an der Ergebniskonferenz zeigen, dass die drei Umgangsweisen nur selten in «Reinkultur»
vorliegen. Bei vielen der Befragten vermischen sich die Umgangsweisen, die auch durch
aktuelle Entscheide beeinflusst werden. So waren etwa auch Befürworterinnen und Befürworter
des Resorts enttäuscht, als der Bau des Sportzentrums im November 2012 zurückgestellt
wurde. Wichtig ist die Erkenntnis aller Beteiligten, dass jede der drei Umgangsweisen auch
eine positive Seite birgt und ihre Berechtigung hat. Trotz unterschiedlicher Sichtweisen sollten
sie im Gespräch miteinander bleiben, um eine Spaltung zwischen Verantwortungsträgern und
der Bevölkerung aber auch innerhalb der Bevölkerung zu vermeiden. So sind etwa jene, die
sich um Traditionen sorgen, nicht einfach als «Ewig-Gestrige» abzustempeln, sondern es gilt,
sie zu motivieren, ihre Haltung konstruktiv einzubringen und wichtige Fragen zu stellen. Etwa,
welche Werte erhaltenswert sind und wie man diese bewahren kann.
Aufgrund der Erkenntnisse aus der zweiten Teilstudie und der Diskussionen an der
Ergebniskonferenz hat das Forschungsteam verschiedene Handlungsfelder identifiziert und
Empfehlungen zuhanden der Auftraggeber entwickelt. Sie umfassen Massnahmen zur
Weiterentwicklung der Kommunikation, zum Erhalt von bezahlbarem Wohnraum und zur
Weiterführung der lokalen Begleitgruppe. Diese Gruppe besteht aus Vertreterinnen und
Vertretern der Bevölkerung. Sie fungiert als Bindeglied zwischen Bevölkerung, Behörden und
Forschungsteam und trifft sich drei bis vier Mal jährlich. Eine wichtige Rolle bei den
vorgeschlagenen Massnahmen nimmt der verstärkte Einbezug von Kindern und Jugendlichen
in die Entwicklung Andermatts ein. Sie sind die Zukunft des Dorfes.
Wirtschaftliches Wachstum liegt über Schweizer Durchschnitt
Das Departement Wirtschaft der Hochschule Luzern untersuchte die Auswirkungen auf die
demografische Entwicklung, die wirtschaftliche Leistung, die kommunalen Steuereinnahmen
sowie die Preisentwicklung von Alltagsgütern und Immobilien. Die sozioökonomische Analyse
weist dabei auf wichtige Trends hin. So ist die Anzahl Logiernächte seit 2005 insgesamt
konstant geblieben. Auch bei den alltäglichen Gütern und Dienstleistungen sind keine
aussergewöhnlichen Preisanstiege festzustellen. Hingegen sind die Immobilienpreise in
Andermatt zwischen 2006 und 2010 stark angestiegen. Dies ist für die einheimische
Bevölkerung spürbar, da der Eigentümer-Anteil mit 63 Prozent in der Urner Gemeinde
wesentlich höher ist als im Schweizer Durchschnitt. Für Mietobjekte sind im Zeitraum 2010 bis
2013 hingegen keine signifikanten Anstiege sichtbar. Während die Steuereinnahmen auf
Gemeindeebene keinen erheblichen Anstieg zeigen, liegt die wirtschaftliche Wachstumsrate
von 2008 bis 2011 über dem schweizerischen Durchschnitt.
Der vollständige Schlussbericht kann auf www.best-andermatt.ch eingesehen werden.
2009 bis 2020: Langzeitstudie zu sozialen und sozioökonomischen Veränderungen
Die Studie BESTandermatt umfasst vier Teilstudien. Die erste Befragung fand 2009/10 vor
Baubeginn statt, die zweite während der Bauphase 2012/13, die dritte wird nach
Inbetriebnahme des Resorts ca. 2016 folgen und die letzte voraussichtlich nach der
Fertigstellung um 2020. Damit untersucht die Studie die subjektive Einschätzung der
Bevölkerung über mehr als zehn Jahre und liefert einzigartige Erkenntnisse zu den lokalen und
regionalen Auswirkungen touristischer Grossprojekte. Die Resultate können den Behörden
bzw. der Bauherrschaft als Grundlage für ein steuerndes oder korrigierendes Eingreifen dienen.
Auftraggeber sind die Gemeinde Andermatt, der Kanton Uri sowie das Staatssekretariat für
Wirtschaft SECO.
Hochschule Luzern
Die Hochschule Luzern ist die Fachhochschule der sechs Zentralschweizer Kantone und vereinigt die fünf Departemente Technik
& Architektur, Wirtschaft, Soziale Arbeit, Design & Kunst sowie Musik. Rund 5’800 Studierende absolvieren ein Bachelor- oder
Master-Studium, knapp 4’200 besuchen eine Weiterbildung. Die Hochschule Luzern ist die grösste Bildungsinstitution in der
Zentralschweiz und beschäftigt rund 1’400 Mitarbeitende.
Der vollständige Schlussbericht kann auf www.best-andermatt.ch eingesehen werden.