Besetzung:
Wynton Marsalis, trumpet & Jazz At Lincoln Center Orchestra feat. Walter Blanding, Victor Goines, Sherman Irby, Ted Nash, Paul Nedzela, Joe Temperley (saxophones) – Chris Crenshaw, Vincent Gardner, Elliott Mason (trombones) – Ryan Kisor, Marcus Printup, Kenny Rampton (trumpets) – Dan Nimmer, piano – Carlos Henriquez, bass – Ali Jackson, drums
Rezension:
20 Jahre ist es her, dass Wynton Marsalis zuletzt in Zürich ein Gastspiel gab. Umso freudiger erwarteten die Schweizerfans des erstklassigen Trompeters und Jazz-Superstars seine Rückkehr: Der Solist und das 15-köpfige Jazz At Lincoln Center Orchestra spielen für die ausverkaufte Tonhalle Maag. Bereits vor dem offiziellen Konzertbeginn darf das Publikum das Einspielen von Bassist und Schlagzeuger geniessen. Diese intime und vertrauliche Atmosphäre zieht sich durch das ganze folgende Programm. Die Zuschauer können sich zurücklehnen und geniessen, auch wenn das eine oder andere Beine-Wippen natürlich nicht fehlen darf.
«We have a lot of music to play for you.»
Der Tribut an Jazzmusiker und -legende Duke Ellington beginnt mit einer einschlagenden Nummer, die das Publikum in die geschäftigen Strassen New York Citys verschlägt, wo das Orchester herkommt. In den kommenden 90 Minuten wechselt das Repertoire von mitreissendem Jazz zu dahinplätscherndem Blues. Solo folgt auf Solo, so dass nicht nur alle 12 Blasinstrumente ihr Können unter Beweis stellen können. Auch die dreiköpfige Rhythm-Section, bestehend aus Kontrabass, Flügel und Schlagzeug, kriegen Gelegenheit, um zu improvisieren. Das Publikum scheint Zeuge einer lockeren Jam-Session zu sein, von angespannter Konzertstimmung ist nichts zu spüren. Das Programm ist breit gefächert, es findet sich für jeden Geschmack etwas. Klassiker wie «It Don’t Mean a Thing» wechseln sich mit weniger bekannten Stücken wie «Lady of the Lavender Mist» ab, Duke Ellingtons ganze Bandbreite wird abgedeckt. Die grosse Vielfalt zieht auch ein breitgefächertes Publikum an: Alle Altersklassen scheinen an diesem Abend vertreten.
Jazz als Mission
Als Teil des Projekts «Jazz at Lincoln Center» bereist das dazugehörige Orchester die Welt, um diese Musik zu verbreiten. Für die Musiker steht Jazz für persönliche Freiheit und Ausdrucksmöglichkeit, Jazz verbindet Menschen und weckt positive Gedanken. Entstanden ist das Konzept in der Mitte der 1980er Jahre, als das Lincoln Center sein Angebot erweitern und ein neues Publikum ansprechen wollte. 1991 wurde «Jazz at Lincoln Center» ein offizieller Teil des Lincoln Center Angebots und erreichte in wenigen Jahren weltweite Bekanntheit. Die künstlerische Leitung dieses Projekts läuft über Wynton Marsalis selbst. Er ist ausserdem verantwortlich für das Orchester, bestehend aus erstklassigen Solisten und Arrangeuren. Doch nicht nur durch das Mittel der Performance soll Jazz-Musik verbreitet werden, «Jazz at Lincoln Center» setzt sich auch für die Ausbildung neuer Musiker ein.
Orchester aus Solisten
Wynton Marsalis ist nicht nur für das Orchester zuständig, er übernimmt auch die Leitung des Konzerts. Vor jedem Stück greift der Amerikaner nach dem Mikrofon und erzählt etwas über die Musik. Entstehungsdaten, Anekdoten und Verdankung der Solisten findet in diesen Auflockerungen des Programms Platz und unterhalten die Zuschauer. Trotzdem scheint sich Marsalis nie in den Mittelpunkt zu stellen und legt ein dezentes und sympathisches Auftreten an den Tag. Allgemein wirken die Musiker sehr bescheiden. Ihren Applaus nach den Soli nehmen sie mit Freude in Empfang, der Spass an der ganzen Sache ist ihnen anzumerken.
Nach langem Applaus kehrt Wynton Marsalis mit vierköpfiger Begleitung nochmals auf die Bühne zurück und spielt in dieser Formation eine letzte Zugabe. Auch diese veranlasst das Publikum zu tosendem Applaudieren. Dieses Konzert hat jeden Geschmack getroffen. Lässt nur noch hoffen, dass die nächste Performance in Zürich nicht ganz so lange auf sich warten lässt.
Text: www.noemiefelber.ch
Fotos: www.allblues.ch und http://wyntonmarsalis.org/
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