Junge Individuen einer Art reagieren häufig empfindlicher auf Umweltstress als ihre erwachsenen Artgenossen. Wissenschaftler vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konnten dies nun erstmals für den Seestern Asterias rubens aus der Ostsee nachweisen. In einem Laborversuch im Rahmen des deutschen Forschungsverbunds zur Ozeanversauerung BIOACID (Biological Impacts of Ocean Acidification) simulierten die Forscher über neun Monate hinweg drei verschiedene Niveaus an Versauerung, die in den kommenden Jahrzehnten in der Ostsee durch die Aufnahme von zusätzlichem Kohlendioxid (CO2) erreicht werden können. Schon bei geringfügiger Versauerung wuchsen die kleinen Seesterne langsamer und fraßen weniger. „Diesen Effekt haben wir bei erwachsenen Seesternen erst bei einem deutlich erhöhten Kohlendioxid-Gehalt im Wasser beobachtet“, erklärt Dr. Jörn Thomsen, einer der beiden Erstautoren der Langzeitstudie, deren Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Marine Ecology Progress Series erschienen. Dabei war zu beobachten, dass sich die Tiere auch nach einer sehr langen Akklimatisierungszeit nicht an die versauerten Bedingungen anpassen konnten.
Seesterne stellen eine der wichtigsten bodenlebenden Arten in der westlichen Ostsee dar und kontrollieren als wichtiger Räuber die Miesmuschel-Population. „Falls sie unter steigender Versauerung leiden, könnte dies langfristig drastische Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem haben“, folgert Dr. Yasmin Appelhans, neben Thomsen Erstautorin der neuen Studie. „In der Lübecker Bucht leben auf Grund des niedrigen Salzgehalts kaum Seesterne. Dort können sich die Miesmuscheln ungehindert verbreiten und andere Arten verdrängen.“
Warum sich ein Großteil der jungen Seesterne im Labor unter erhöhten CO2-Bedingungen schlechter entwickelt, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Studie konnte jedoch zeigen, dass die Seesterne auch unter Versauerungsbedingungen nicht weniger Kalk in ihre Skelette einlagern. „Dass sie weniger wachsen, könnte daran liegen, dass sie mehr Energie benötigen, um Kalk zu bilden“, vermutet Thomsen. „Dass sie weniger fressen, kann auch darauf hindeuten, dass das saurere Wasser die Verdauungsenzyme beeinflusst.“
Einige wenige Individuen wuchsen auch unter einem hohen CO2-Gehalt gut. Appelhans: „Wenn sich diese toleranten Tiere durchsetzen, könnte sich die Art möglicherweise auf lange Sicht an die neuen Umweltbedingungen anpassen. Für einzelne Arten gibt es bereits Hinweise darauf, dass eine Anpassung per Evolution möglich ist. Ob dies auch für die Seesterne gilt, sollen zukünftige Untersuchungen zeigen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Beobachtungen aus dem Labor einem Realitäts-Check unter natürlicheren Bedingungen zu unterziehen.“
(idw) / Bild: Isabel Casties, GEOMAR