Khatia Buniatishvili Festival Strings Lucerne, KKL Luzern, 1. 11. 2022, besucht von Léonard Wüst

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Khatia Buniatishvili am Konzertflügel im KKL Luzern. Foto Fabrice Umiglia

Besetzung und Programm
Khatia Buniatishvili – Klavier
Daniel Dodds – Violine & Leitung
Festival Strings Lucerne

MAURICE RAVEL/RUDOLF BARSHAI
Petite symphonie à cordes

WOLFGANG AMADÉ MOZART
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur KV 488

WOLFGANG AMADÉ MOZART
Sinfonie D-Dur nach der Serenade KV 250/KV 248b «Haffner»

Allgemeine Vorabinformation zum Konzert ab Konzertprogramm

Die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili ist nicht nur berühmt für ihre stupende Virtuosität und Extravaganz. Die Wahlpariserin begeistert mit ihrem Gespür für Dramatik und feinsten Klangsinn auch Menschen, die keine regelmässigen Konzertgänger sind. In Luzern wird sie ihre Virtuosität in Mozarts Klavierkonzert in A-Dur KV 488 zügeln müssen. Umgekehrt trumpft das Kammerorchester in Mozarts Haffner-Serenade auch sinfonisch auf. Mit dieser Serenade wird das Konzert zu einer Art CD-Taufe und bekommt einen zweiten Solisten: Auf der bei Sony erschienenen Aufnahme der Strings spielt Konzertmeister Daniel Dodds die Geigensoli wie für die grosse Bühne

 

MAURICE RAVEL/RUDOLF BARSHAI
Petite symphonie à cordes

Daniel Dodds künnstlerlischer Leiter der Strings

Zum Auftakt wählte der musikalische Leiter des Orchesters, Daniel Dodds, eine nicht unbedingt Ravel typische Komposition, die flott interpretiert wurde. Mit Anleihen bei Jacques Offenbach Rhythmen, gepaart mit Karussellklängen und garniert mit Anlehnungen an die Tritsch-Tratsch-Polka -von Johann Strauss II, wusste Maurice Ravels tonale burlesque  durchaus anzuregen, da rassig angerichtet und pikant gewürzt. Das so bestens eingestimmte Publikum im vollbesetzten Konzertsaal zeigte sich von Beginn an «Applaus spendabel» und dementsprechend dankbar.

Alles wird hergerichtet für den Auftritt der weltweit gefeierten  Solistin

Für das nun folgende «pièce de Résistance» des Konzertabends gesellten sich dann auch Bläser*innen zu den Streichern auf der Bühne und eifrige Helfer rollten den Konzertflügel an seinen Platz vor dem Orchester. Und so war angerichtet für sie, die umjubelte, in Paris lebende georgische  Klaviervirtuosin Khatia Buniatishvili, die, gekleidet in eine Pailletten besetzte schwarze Abendrobe schon heftig beklatscht, die Bühne enterte.

WOLFGANG AMADÉ MOZART
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 A-Dur KV 488

Khatia Buniatishvili hochkonzentriertam Konzertflügel im KKL Luzern

Auch hier dauert das Orchester Intro, wie bei Mozart  üblich, um die2 1/2 Minuten, bevor die Solistin ins Geschehen eingreift. Das A-Dur-Konzert KV 488 gilt als unproblematisch und hör-
erfreundlich: «ein unaufhörliches Schwelgen in edelstem Wohllaut, ein
verschwenderisches Verströmen blühender Melodik», wie ein gängiger
Konzertführer behauptete. Das ist zwar nicht falsch, blendet aber die Vor-
aussetzungen, unter denen Mozart arbeitete, komplett aus. Denn genau
dieses «Verströmen blühender Melodik» stellte innerhalb der Gattung
bereits einen Sonderfall dar. Wer ausser Mozart hätte im Wien der
1780er Jahre die Chuzpe besessen, ganz auf die Karte Kantabilität zu
setzen? Natürlich durfte sein A-Dur-Konzert voll «blühender Melodik»
sein; es musste aber auch pianistischen Effekt machen, denn das gehörte
zu den Erwartungen der zahlenden Gäste. Insofern ist bereits der Beginn
von KV 488 eine Zumutung: ein offenbar vokal erfundenes Thema, das
von den Streichern vorgestellt wird, dann von den Bläsern alleine, und das
sich scheinbar überhaupt nicht zu klavieristisch-virtuoser Verarbeitung
eignet. Dass es dennoch funktioniert, lässt sich nur mit Mozarts kompo-
sitorischer Souveränität erklären, die er sich im Laufe der Jahre ange-
eignet hatte.

Über zwei Minuten baut Mozart hier die Spannung auf, lässt das Orchester Fahrt aufnehmen, das Thema darlegen, entwirren wieder zusammenfügen, mal die Querflöte über die Streicher fliegen, mal sich die Oboe in den Vordergrund spielen, dann, erst dann, lässt er der Solistin am Klavier Gelegenheit, sich ins Geschehen einzuspielen. Und dies nicht etwa mit einem Knalleffekt in Form eines brachial auf die Tasten gehämmerten Akkordes oder Akkordkadenzen, sondern fast flüsternd mit filigranen kurzen Läufen. Die Solistin tut dies mit der gelassenen Abgeklärtheit der souveränen Virtuosin. So ganz nebenbei übernimmt sie auch den Lead, dazu reichen ihr ein paar kleine Gesten, mal ein kurzes Kopfnicken, aber meistens kommuniziert sie mit ihren Mitmusiker*innen bloss per Augenkontakt. Ungewöhnlicherweise schrieb Mozart in diesem Konzert die Solokadenz aus, der Solistin bleibt also kein Raum für individuelle Improvisation. Ebendiese exakt wiedergegebene Werktreue ist, nebst anderem, eine der grossen Stärken der vergleichsweisen jungen Pianistin.

Quirlige Solistin führt engagiert durch die Partitur

Auch die Gattung Klavierkonzert hält einen Ort bereit, an dem das Aus-
singen möglich ist: den langsamen Satz. Hier aber wartet Mozart mit
einer neuen Überraschung auf. Die Solistin entführt in eine tieftraurige,
schmerzliche Adagio-Welt in der ungewöhnlichen Tonart fis-Moll. Auch
das Orchester wird von diesem melancholischen Gesang in Bann ge-
schlagen; vom konventionellen Dialog zwischen dem Einen und den
Vielen, vom spielerischen Umkreisen der musikalischen Gedanken ist
dieser Satz denkbar weit entfernt. Ganz am Ende noch ein wahrhaft ge-
spenstischer Effekt: eine lang gezogene, einstimmig-nackte Melodielinie
des Klaviers über pochendem Orchestergrund.
Erst mit dem fröhlichen Finale erfüllt Mozart wieder die gängigen Hör –
erwartungen — wenn man davon absieht, wie er das Orchester einbe-
zieht. Im Grossen (dunkler Gesamtklang) wie
im Kleinen (halsbrecherische Läufe des Fagotts) entfernt sich das Ensemble von der Funktion «neutraler» Begleitung, von der sich die Solistin des Abends effektvoll abheben konnte. Wie so oft bei Mozart liegt die Sprengkraft seiner Musik in den Details verborgen; zündend aber ist sie allemal und kommt im fulminanten Finale besonders zum Ausdruck. Dem pflichtete das Auditorium mit langanhaltendem, stürmischem Applaus bei und beorderte so die Solistin noch einige Male auf die Bühne zurück.

2.Satz: Mozart bricht die eigene Order

Im zweiten Satz, einem Adagio im Siciliana Takt, verstösst Mozart gegen seine eigene Order (in Concerten sollen lauter Andante und keine Adagio sein), wird  die Melodie vom Soloklavier vorgestellt. Die bei Mozart seltene Tonart fis-Moll verleiht dem Satz einen besonderen Klang. Das Orchester stimmt in das Thema ein, anschließend intonieren Orchester und Soloklavier in gemeinsamer Klage das Hauptthema. Ein lichterer, zweiter Gedanke in A-Dur wird anschließend von einem Trio aus Flöte und zwei Klarinetten angestimmt und bei seiner Beantwortung vom Soloklavier doubliert. Dieser Umschwung währt jedoch nur kurz, da die Wiederholung des ersten Teils folgt. Das Thema erscheint hier in variierter und erweiterter Form. Bevor die Coda ertönt, wird der letzte Teil des Hauptthemas noch einmal von Klavier und Orchester variiert. Es handelt sich also um eine freie Anwendung der dreiteiligen Liedform. Der Satz verklingt mit einigen Piano Akkorden. Das sprunghaft einsetzende, optimistische Hauptthema in den Rondeau Schlusssatz steht in grossem Gegensatz zum vorherigen Adagio, ein Refrain mit zwei aufeinanderfolgenden, verschiedenen Themen, dessen erstes Couplet schnell von E Moll zu E-Dur moduliert wird. Die georgische Solistin wirkt nie auch nur aufs geringste angespannt, schüttelt ihren Part fast etwas emotionslos locker aus dem Ärmel, was ihre Mimik aber negiert.  Khatia Buniatishvili drückt ihre Emotionen über die Finger fast unmerklich aus, von  der kleinsten Finesse bei der Lautstärke, beim Modulieren der Achtelnoten streichelt sie förmlich das Elfenbein unter ihren Fingern und harmoniert grossartig mit dem souveränen Orchester, das ebenso viel Anteil hat an der grandiosen Umsetzung des Mozart Werkes.

Das Publikum applaudierte die Solistin unverdrossen etliche Male zurück auf die Bühne und erhob sich schlussendlich zu einer tosenden «Standing Ovation»,  dies natürlich auch für die vorzügliche Leistung der Strings .

Bei der fulminanten Zugabe in Form der zweiten ungarischen Rhapsodie von Liszt liess sie Georgierin alle Dämme brechen, hämmerte die Tonkaskaden nur so auf den Konzertflügel, sehr zum Gefallen des faszinierten Auditoriums, das diese Demonstration mit stürmischem Applaus verdankte.

WOLFGANG AMADÉ MOZART
Sinfonie D-Dur nach der Serenade KV 250/KV 248b «Haffner»
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Wenn man in Salzburg aus Mozarts Geburtshaus tritt, rechts die Getreidegasse bis zur nächsten Ecke geht und dort abermals rechts abbiegt, steht man in der Sigmund-Haffner-Gasse. Sie erinnert an einen wohlhabenden Salzburger Kaufmann und Bürgermeister, dessen Sohn, ebenfalls Sigmund genannt, den Namen Haffner gewissermaßen in die Musikgeschichte »einschmuggelte« und damit unsterblich machte. Dieser Sigmund Haffner Junior war es, der bei Mozart 1776 die »Haffner«-Serenade in Auftrag gab. Das achtsätzige Werk – Mozarts umfangreichste und mit 13 Instrumenten zugleich am größten besetzte Serenade – liegt bei den Festival Strings Lucerne, in besten Händen.

Rezensionen

Die Festival Strings Lucerne haben Mozarts grossartige, in Salzburg 1776 komponierte «Haffner-Serenade» KV 250 eingespielt. Die CD ist bei Sony Classical erschienen. Heute Abend wurde eine von Mozart selbst eingerichtete, selten zu hörende, spannende Sinfoniekurzfassung der umfangreichen, achtsätzigen Haffner-Serenade vorgetragen.

Daniel Dodds zielt als Violinsolist wie als Dirigent der Festival Strings Lucerne auf die starke Pointe.​ Mozarts „Haffner-Serenade“ gelingt auf diese Weise klar und plastisch.​ Die Schlüssigkeit der Interpretation und das gute Gespür für Tempo und Timing machten diese Interpretation ebenso hörenswert wie die vorzüglichen Variationen der Tempi und Lautstärken. Das Auditorium belohnte die perfekte Darbietung der nicht so oft gespielten Serenade mit langanhaltendem stürmischem Applaus.

Ehrung des musikalischen Leiters Daniel Dodds

Daniel Dodds bedankt sich für die Ehrung seines Jubiläums

Intendant Hans Christoph Mauruschat betrat die Bühne und ehrte Daniel Dodds noch mit einem Blumenstrauss und kleinem Geschenk für das Jubiläum des zehnjährigen Wirkens als musikalischer Leiter der Festival Strings Lucerne.

Zum Jubiläum von Daniel Dodds:

Es war 2012, als der Orchesterdirektor Hans-Christoph Mauruschat und die Musiker zusammen den Schritt wagten, den Konzertmeister Daniel Dodds auch zum musikalischen Leiter zu berufen. Andere Ensembles haben dafür auswärtige Stars engagiert. Das «Luzerner Experiment» gelang, und wie. Das Zusammenspiel zwischen dem «neuen-alten» Leiter und den Musikern, jetzt einfach wieder ohne quasi sichtbaren Dirigenten , beflügelte das gesamte Ensemble, inklusive dessen Umfeld.

Auch an diesem Abend ausverkauftes Haus, selbst die Plätze der Galerie unter der Orgel im Rücken des Orchesters waren komplett besetzt.

Daniel Dodds bei seiner Zugabe

Daniel Dodds bedankte sich für die Ehrung zu seinem Jubiläum mit einer Zugabe in Form der ursprünglich für akustische Gitarre geschriebenen Komposition von Francisco Tárrega:  Recuerdos de la Alhambra Memories of Alhambra. Erinnerungen an die maurische Alhambra im spanischen Granada.

Einmal mehr ein denkwürdiger Abend und die Bestätigung, dass das Konzept mit dem Zuzug einer renommierten Solistin voll aufgeht und ein «full house» fast garantiert.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Doris Baumli und Fabrice Umiglia   https://www.fsl.swiss/

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Die Solistin bedankt sich für den Applaus Foto Fabrice Umiglia

Szenefoto des Konzertes von Doris Baumli

Szenefoto des Konzertes von Doris Baumli

Szenefoto des Konzertes von Doris Baumli

Szenefoto des Konzertes von Doris Baumli

Szenefoto des Konzertes von Doris Baumli

Szenefoto des Konzertes von Doris Baumli

Szenefoto des Konzertes von Doris Baumli

 

Dieser Beitrag wurde am von unter leitartikel und kolumnen von léonard wüst, musik/theater/ausstellungen, schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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