Klimawandel: Wärme und Sauerstoffmangel setzen Meeresbewohner zunehmend unter Druck

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Nordsee

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Wer leben will, muss atmen und ausreichend Energie aufbringen, um sich zu bewegen, Nahrung zu suchen oder sich fortzupflanzen. Dieser Leitsatz gilt für uns Menschen ebenso wie für die Tierwelt der Ozeane. Den meisten Meerestieren werden diese überlebenswichtigen Tätigkeiten künftig jedoch schwerer fallen.

Das zeigt eine neue Studie im Fachmagazin Science, in der deutsche und US-amerikanische Biologen erstmals einen allgemeingültigen Grundsatz zu den gemeinsamen Auswirkungen der Ozeanerwärmung und des Sauerstoffmangels auf das Leistungsvermögen der Meeresbewohner definiert haben. Ihr Fazit: Im Zuge des Klimawandels werden die Tiere ihren Sauerstoff- und Energiebedarf in ihren sich verändernden angestammten Lebensräumen kaum mehr decken können. Die Folge: Die Arten wandern in kühlere Regionen oder größere Wassertiefen ab, Ökosysteme werden umgewälzt, die Artenvielfalt schrumpft.

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben in den Weltmeeren genauer und global vorhersagen zu können, suchen Meeresbiologen seit langem nach allgemein gültigen Prinzipien, mit denen sich die Lebensbedingungen in den Ozeanen und deren Grenzen beschreiben lassen. Eine Kernfrage dabei lautet: Wie wirken sich die Erwärmung der Meere und die damit verbundene Abnahme des Sauerstoffgehaltes im Wasser auf das Leistungsvermögen der Meereslebewesen aus? Denn: „Soll ein Tier etwas leisten, kostet dies Energie, die das Tier zusätzlich zu seinem Grundumsatz aufbringen muss. Meereslebewesen gewinnen diese zusätzliche Energie, indem sie mehr Sauerstoff aus dem Wasser aufnehmen und veratmen. In welchem Ausmaß dies jedoch möglich ist, hängt zum einen von der Wassertemperatur ab; zum anderen von der Frage, wie empfindlich diese Art auf Sauerstoffmangel reagiert“, erläutert Co-Autor und Meeresbiologe Prof. Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Er und seine US-amerikanischen Kollegen Curtis Deutsch, Brad Seibel, Aaron Ferrel und Raymond B. Huey haben in der neuen Studie die Fähigkeit der Tiere, ihren Energieumsatz zu steigern, für ausgewählte Tierarten berechnet und im Anschluss mit den Temperaturen und den Sauerstoffkonzentrationen der Weltmeere in Beziehung gesetzt. Dabei herausgekommen ist ein sogenannter Stoffwechselindex für jede Art, der für sauerstoff-atmende Meeresbewohner eine deutliche Grenze definiert: „Meerestiere wie zum Beispiel Aalmuttern, Steinkrabben oder Kabeljau können nur dort leben, wo sie so viel Sauerstoff vorfinden, dass sie bei Bedarf ihre Stoffwechselrate um das Zwei- bis Fünffache des Grundumsatzes steigern können. Das heißt, jede Tierart hat sich nicht nur auf einen bestimmten Temperaturbereich spezialisiert. Um zu überleben, ist sie auch auf einen ausreichend hohen Sauerstoffgehalt angewiesen“, sagt Erstautor Curtis Deutsch von der Universität Washington, Seattle.

Im Zuge des fortschreitenden Klimawandels stellt sich für die Meeresbewohner deshalb folgendes Problem: Je wärmer das Wasser wird, desto weniger Sauerstoff kann es aufnehmen und speichern. Gleichzeitig benötigen die Tiere im wärmeren Wasser mehr Energie und Sauerstoff, um ihren Grundumsatz sicherzustellen. Das wiederum bedeutet: Je wärmer die Meere werden, desto weiter sinkt die Fähigkeit seiner Bewohner, ihren Sauerstoffverbrauch je nach Art um das Zwei- bis Fünffache ihres Grundumsatzes zu steigern und somit Bewegung, Futtersuche oder Fortpflanzung zu ermöglichen. „Wird es zu warm und unterschreitet der Sauerstoffgehalt einer Meeresregion die artspezifischen Mindestanforderungen der Lebewesen, müssen die Tiere ihren angestammten Lebensraum verlassen. Meist wandern sie dann in kühlere Regionen ab. Das heißt, sie verlagern ihre Lebensräume entweder polwärts oder in größere Wassertiefen. Beim Kabeljau und vielen anderen Fischarten beobachten wir diese Verschiebung des Lebensraumes schon jetzt“, sagt Hans-Otto Pörtner.

Dieses Phänomen der Artenverschiebung können die Wissenschaftler in ihrer Studie für alle Breitengrade vorhersagen. Zudem verstärkt es sich in jenen Regionen, in denen der Sauerstoffgehalt des Wassers zusätzlich sinkt, etwa durch die zunehmende Wasserschichtung oder weil der Mensch viele Nährstoffe in das Meer einleitet, welche dann wiederum das Wachstum sauerstoffzehrender Mikroorganismen forcieren.

Besonders deutliche Veränderungen der Tierwelt erwarten die Forscher für die Polarmeere. „Im Nord- und Südpolarmeer ist das Wasser sehr kalt, aber auch sehr sauerstoffreich. Die dort lebende Tierwelt hat sich im Laufe der Evolution auf diese Lebensbedingungen eingestellt und wird nur wenige Anpassungsmöglichkeiten haben, wenn es zu der kombinierten Erwärmung und Sauerstoffabnahme kommt. Stattdessen werden wärmeliebende Arten Einzug halten, die an höhere Wassertemperaturen und geringere Sauerstoffkonzentrationen angepasst sind. Sie werden die polaren Arten verdrängen“, sagt Hans-Otto Pörtner.

Im Nordpazifik zum Beispiel beobachten Forscher schon jetzt einen stärkeren Rückgang der Sauerstoffkonzentration als wärmebedingt erwartet wurde. In solchen Meeresregionen verengt sich die geografische Verbreitung der Arten drastisch, was natürlich zur Folge hat, dass dort auch die Fischerei in einem großen Maße von den Veränderungen betroffen ist.
Aus Forscherperspektive bietet das neue Konzept des Stoffwechselindexes nun die Chance, bessere Vorhersagen zu treffen. „Wir haben jetzt einen universellen Ansatz zur Verfügung, um die klimabedingten Veränderungen der geografischen Verbreitung von Arten und ihrer Produktivität besser zu erfassen“, sagt Hans-Otto Pörtner. Jetzt sei es Aufgabe der Wissenschaft, weitere Arten auf ihren Stoffwechselindex und dessen Grenzen hin zu untersuchen. „Nach und nach kann so ein komplettes Bild dessen entstehen, was wir in unserer Studie in den ersten Zügen skizziert haben“, so Hans-Otto Pörtner.

(idw) / Bild: Martin Fisch (CC BY-SA 2.0)[content_block id=29782 slug=ena-banner]

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Über Leonard Wüst

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