Konstantin Wecker und das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie, Ltg. Mark Mast Weltenbrand Tournee, KKL Luzern, 10. Dezember 2019, besucht von Léonard Wüst

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Wecker (vorne links) präsentiert mit seinen Mitmusikern sein umfangreiches Repertoire (Foto Sylvia Jost)

Besetzung:

Konstantin Wecker und Band
Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie
Leitung  Mark Mast

Rezension:

Konstantin Wecker Foto Bayerischer Rundfunk c Wilschewski

Es ist die ewige, fortwährende Geschichte des Konstantin Wecker, wenn es um die Live-Auftritte des begnadeten Liedermachers geht. In regelmäßigen Abständen beglückt der singende und Klavier spielende Weltverbesserer-Anarcho seine Fans und Freunde mit leidenschaftlichen Live-Aufnahmen, die für CD und neuerdings auch Vinyl mitgeschnitten werden. Im Falle von „Weltenbrand entstanden diese sogar mit einem international besetzten Kammerorchester, das ganz großes symphonisches und zugleich weltmusikalisches, absolut friedliebendes Musik-Geschütz auffährt. In dieser Formation absolvierte er auch den Auftritt im, erstaunlicherweise, nicht ganz ausverkauften Konzertsaal des Luzerner KKL.

Bunter Mix aus Altem und Neuem, Vergangenheit und Gegenwart

Mark Mast Leitung

Die Musiker intonierten instrumental schon  „Nur dafür lasst uns leben“ als Wecker sich zu ihnen gesellte, sich ein Mikrofon griff und stimmgewaltig einsetzte und das Auditorium sofort im Sack hatte. Dann gings Schlag auf Schlag, alte und neue Liedermacherkunst, ausgiebige Erzählungen aus Vergangenheit und Gegenwart, das Zitieren von Gedichten seiner Lieblingslyriker Rilke, Kästner, Brecht und Mühsam, sowie bombastische Arrangements für das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie, welches ihn bei den Ausflügen durch seine musikalische Lebensgeschichte unterstützt, machten dieses 2 ½ stündige Konzert aus, der von ruhig bis rockig, orchestral bis akustisch und provokant bis besinnlich mal wieder weckertypisch alles zu bieten hatte.

Der Zahn der Zeit nagt auch am scheinbar Unzerstörbaren

Konstantin Wecker Foto Ufuk Arslan

Etwas zerbrechlicher und gealtert wirkt er schon, nicht in seinem Klavierspiel und Gesang, eher in Gestik, Mimik und vor allem Bewegungen. Dies aber bei ungebrochener Leidenschaft für seine Anliegen, unentwegtem Engagement gegen alles, was er seit einem halben Jahrhundert rhetorisch, musikalisch anprangert und bekämpft, nicht abweichend in seinem Aufruf nach mehr Menschlichkeit, Nächstenliebe und Zärtlichkeit.  Besonders weist der bayrische Liedermacher diesmal darauf hin, dass in den Zeiten heißer Kriege und ständiger, immer heftiger werdender Hasstiraden gegen alles, was anders ist und nicht in das kleinkarierte Weltbild dümmlicher Nationalisten oder kleinbürgerlicher Einfaltspinsel passt, Widerstand Pflicht sei.

Musiker aus zwölf verschiedenen Nationen und aus Bayern

Konzertmeister Ahmed Mounib

Begleitet wurde er von einem Orchester, das sich aus zwölf Musikern, die aus neun Nationen kommen (u.a. Ägypten, Syrien, Grossbritannien Österreich usw.)– welche sich teilweise entgegen der friedlichen Bühne der Kunst auf der „Bühne der Politik“ kriegerisch gegenüberstehen – zusammensetzt: „Diese jungen Musiker spielen ohne Orchesterattitüde. Es ist fast so, als spielte ich mit einer Band aus Hornisten, Geigern und Schlagwerkern. Würde die Politik endlich von der Kunst lernen, dann wären wir wohl in punkto Völkerverständigungen so einige riesige Schritte weiter.
Eine Erkenntnis die natürlich auch jedes Lied seiner klug gewählten Stücke aus über 30 (Auf-)Wecker-Jahren zum Ausdruck bringt, in denen die Erinnerung an deutsche Gräueltaten genauso wichtig sind wie die Ungerechtigkeiten der (politischen) Gegenwart oder die Besinnung auf Liebe und Freundschaft, aber auch Widerstand und Anarchie im Sinne der guten Sache. „Eine Kampfansage in Dur und Moll“ (zu lesen auf Weckers Homepage erwartet den Zuhörer, wobei der Begriff „Zuhören“ wirklich ernst genommen und angewendet werden sollte.

Natürlich durfte auch Greta nicht fehlen

Cellistin Fanny Kammerlander schnappte sich auch mal die E Gitarre

Und wie es kaum anders zu erwarten war, hat Wecker nun auch Greta Thunberg für sich entdeckt und huldigt ihrer mit der Ansage „Zeig‘s ihnen Greta – Die Welt muss weiblich werden“, indem er einerseits Christian Lindners FDP-Ansichten zu dem klimaaktiven Mädchen und der Umwelt ad absurdum führt und „Und das soll‘s dann gewesen sein“ als musikalisches Statement dagegensetzt, das als Symphonie beginnt und zur schrecklichen Erkenntnis kommt: „Doch wie wir auch strampeln und wie wir auch plärren, wir erreichen nur die Staffagen / Der Staat dient den stets anonymeren Herren in den obersten Etagen!“ Weltenbrand – schon der Titel als Provokation und ängstliche Vision zugleich, wobei Wecker  konkretisiert. Der Titel Weltenbrand erinnert an die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg. Von 1920 bis 1930 war eine Blütezeit der Genies. Frauen hatten viele Möglichkeiten, Kunst auszuüben. Zum ersten Mal gab es in das Frauenwahlrecht. Wir müssen daran erinnern, wie es 1933 zur Zerstörung der freien Gesellschaft durch einen grauenvollen Tyrannen kommen konnte. Meine große Hoffnung ist, dass sich Geschichte nicht wirklich wiederholt. Aber wir müssen aufpassen.“ Das mit dem Frauenwahlrecht musste er, aufgrund weiblicher Zwischenrufe, korrigieren, da in der Schweiz ebendieses auf nationaler Ebene erst 1971 mittels einer Volksabstimmung eingeführt wurde, in einigen Kantonen wurde es, auf kantonaler Ebene, gar noch später eingeführt.
So entwickelt sich Konstantin Wecker hierbei offensichtlich zum kunstvollen Feuerlöscher oder musikalischen Feuerwehrmann, der eindringlich zum Album und seiner Konzerttournee resümiert: „Ich hätte nie gedacht, dass wir an einen Punkt kommen, an dem unsere gewonnene Demokratie zu verfallen droht. Ich bin überzeugt, dass die von dem begeistert aufspielenden Streicher-, Holz- und Blechbläser-Ensemble vorgetragenen Lieder zur Heilung der geschundenen Welt beitragen. Denn diese Songs können die Poesie noch tiefer ins Herz tragen und dorthin bringen, wo sie eigentlich herkommen, aus den tiefsten Tiefen des Seins.“

Mitmusiker erhielten Gelegenheit ihr Können zu demonstrieren

Severin Trogbacher

Severin Trogbacher, im anderen Leben Leadgitarrist bei Hubert von Goisern, flocht ein paar ganz tolle Soli ein, auch Schlagwerker und Saxophon konnten Soli platzieren,  Cellistin Fanny Kammerlander griff ab und an auch zur E Gitarre, und krönte ihre Performance dank ihren gesanglichen Qualitäten in einem Duett mit Konstantin Wecker. Für den furiosen Titelsong des Programms, „Entzündet vom Weltenbrand“ läuft Hornist Christian Loferer mal schnell hinter die Bühne. Denn „für den großen Gesang“, den Wecker seinem Vorbild Rainer Maria Rilke entlehnt und gewidmet hat, „braucht’s ein großes Instrument“. Der Münchner Hornist kommt mit einem wirklich großen zurück: einem Alphorn. Welch wunderbaren Tonumfang er dem vier Meter langen Holz entlockt – ganz großer Genuss, inbesonders die draufgelegte Ouvertüre aus Rossinis „Wilhelm Tell“ kam am Vierwaldstättersee sehr gut an. Der ägyptische Konzertmeister Ahmed Mounib zelebrierte Weckers „Tango Joe“ aus dessen Filmmusik zu Helmut Dietls „Schtonk“ mit schon fast südamerikanischem Temperament auf seiner Violine. Das Hervorheben einzelner Akteure schmälert keineswegs die grandiose Leistung des gesamten Orchesters.

Im Gesamtset fehlte einzig der sonst obligate Wedam, der bajuwarische Blues, der, so dachten viele, dafür in den Zugaben vielleicht noch gegeben würde, was dann aber nicht so war.

Zum ersten Mal in der deutschen Charts-Musikgeschichte schaffte es ein Wecker Album,  das Live-Album der Weltenbrand Tournee, sogar in die Deutschen Album-Charts unter die ersten 100  und zwar auf Platz 31. Lange genug gedauert hat‘s diesbezüglich ja. Zugleich eine späte Ehre für den mittlerweile 72siebzigjährigen.

Er will musikalisch immer noch  die Welt verbessern

Fanny Kammerlander im Duett mit Konstantin Wecker

Er ist ein Weltverbesserer und ein begnadeter Musiker. Seit fast 50 Jahren steht Konstantin Wecker auf der Bühne, singt gegen Faschismus, Krieg, Unfreiheit und Nationalismus an. Der 72-Jährige sieht heute gefährliche Parallelen zu den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die freie Gesellschaft zerstört wurde, die Nationalsozialisten an die Macht kamen. „Weltenbrand“ hat er deshalb aktuelle CD und Tournee überschrieben. Wer Botschaften musikalisch an Mann/Frau bringen will, muss sich etwas einfallen lassen. Der Liedermacher Wecker setzt auf Verstärkung, bringt die Cellistin Fanny Kammerlander, den Gitarristen Severin Trogbacher und zehn Musiker der Bayerischen Philharmonie mit. Die setzen unter Leitung von Mark Mast die Arrangements um, die Weckers langjähriger Freund Jo Barnikel, selbst am Klavier für seine Lieder gestrickt hat, ein einfühlsames und symphonisches Klangerlebnis. Die Musiker ziehen alle Register, umwerben mal laut mal leise, mal enervierend, mal schwelgerisch die Ohren. Das neue Gewand der Lieder hat Jazz-, Rock- oder folkloristische Elemente macht, offen zugegebene, Anleihen bei Beethoven oder Lou Reed. Dazu Weckers  unvermindert kraftvolle Stimme – Pendant seiner virtuosen Sprachgewalt. Jeder Musiker erhält seinen Solopart, den auch Wecker sichtlich genießt. Und da auf der Bühne neun Nationalitäten versammelt sind, steht das Orchester auch für seinen Traum der grenzenlosen, vereinten Welt.

Ein Auftritt wie ein Bild und eine Theaterinszenierung

Konstantin Wecker Weltenbrand Tour

Wecker wäre nicht Wecker, wenn er seine Ängste und Befürchtungen nicht mit der Liebe zu den Menschen und der Welt verbinden würde. Den Rahmen seines gut zweieinhalbstündigen Auftritts, der an ein opulentes Bild, eine mitreißende Theaterinszenierung erinnert, bildet sein Lied „Nur dafür lasst uns leben“. Dazwischen viele bekannte Songs gegen die Zerstörung der Welt, gegen Kapitalismus und Ignoranz. Und aktuelle Bezüge zu Greta Thunbergs Kampf gegen den Klimawandel, zu Gewalt und Fremdenhass. Der Liedermacher verknüpft sie mit dem Aufruf zu Widerstand, er bietet Trost und unbeirrbare Lebensbejahung. Da ist es nur ein kurzer Schritt zu seinen Liebesliedern, Liedern an seine Kinder, seinen Filmmusiken und Gedichtvertonungen. Bei denen allen voran Rilke, Brecht und Goethe –, in denen er seine lyrische Seite auslebt. Etwas leiser wünscht er sich wieder ein bisschen 68er Stimmung auf die Strassen zurück, eine Zeit, die sehr viele der anwesenden selber miterlebten, gar mitgestalteten. Stehende Ovationen sind bei Wecker eine Selbstverständlichkeit, 2 3 Zugaben dafür auch. Alles in allem ein Wecker, wie man ihn seit Jahrzehnten kennt, der es aber versteht, in Zusammenarbeit mit seinem Keyboarder Johannes Barnikel, die Lieder zeitgemäss zu arrangieren und so aktuell zu halten.

Konstantin Wecker – Mercedes Sosa – Joan Baez – Ich singe weil ich ein Lied hab – Wien 1988:

www.youtube.com/watch?v=LhHAaJqjVhc

Konstantin Wecker: „Sage Nein!“

www.youtube.com/watch?v=aZtmfCJRErY

Ich hab einen Traum:

youtu.be/CfJawNZm-rQ

Niemals Applaus (Für Meinen Vater)

laut.de/Konstantin-Wecker/Songs/Niemals-Applaus-Fuer-Meinen-Vater-966835

Der Wehdam (Bayrischer Blues)

www.youtube.com/watch?v=ghAD319gpas

Ein Konzert von: www.abc-production.ch/

Fotos: www.abc-production.ch/ und Wikipedia und Homepage von

www.wecker.de/de/start.html

Text: www.leonardwuest.ch

Homepages der andern Kolumnisten: www.noemiefelber.ch

www.herberthuber.ch

www.gabrielabucher.ch
www.annarybinski.ch
Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

Dieser Beitrag wurde am von unter leitartikel und kolumnen von léonard wüst, musik/theater/ausstellungen, schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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