Besetzung und Programm:
Claire Huangci Piano
Daniel Dodds Violine
Dominik Fischer Viola
Alexander Kionke Violoncello
RICHARD STRAUSS
„’s Deandl is harb auf mi“ für Streichtrio TrV 109
RICHARD STRAUSS
Arabischer Tanz für Klavierquartett TrV 169
HANS SOMMER
Klavierquartett g-Moll (1870/1884), schweizerische Erstaufführung
ROBERT SCHUMANN
Klavierquartett Es-Dur op. 47
Allgemeines zu Kammermusik
Kammermusik ist die Königin der schönen Künste. Das intime Zusammenspiel im kleinen Ensemble schult das Gehör, fördert die Empathie, trainiert die Synchronität und hält für die Mitwirkenden wahrlich erhabene emotionale Momente bereit. Der Mensch als soziales Wesen gelangt hier zur vollen künstlerischen Entfaltung und erlernt in feinsten Nuancen, was sich später zum Beispiel auf das Zusammenspiel in einem Orchester in positivster Weise übertragen lässt.
Passendes Ambiente für Weltklassemusikerlebnis
Im prächtigen Zeugheersaal kann man sich sehr gut vorstellen, welche Atmosphäre jeweils in den feudalen Salons der «Haute Volée» in Paris, Wien, Berlin, Prag oder Budapest entstand, wenn die begüterten Gastgeber zu einer Kammermusik Soirée baten. Etwas, was sich auch , wenn halt in kleinerem und anderem Rahmen, die letzten zwei Jahre während der Pandemie, in abgeänderter Form zutrug. So gaben Popgrössen und YouTube Stars online per livestream Konzerte für eine erlesene Schar ihrer Fans und Followers, ab und zu gar exklusiv für einzelne Personen, es gab auch Musiker*innen, die in Privatwohnungen physisch präsent Konzerte gaben.
Konzert auch zu sehr «kundenfreundlicher» Zeit
Die Kammermusikkonzertreihe der Festival Strings Lucerne hat sich bereits sehr gut etabliert und kommt bei Musikliebhaber*innen sehr gut an. Auch die Aufführungszeit um 17.00 Uhr ist ideal, so bleibt auch noch Zeit um anschliessend mit einem feinen Nachtessen den Sonntag perfekt zu machen.
Intendant Hans – Christoph Mauruschat begrüsste die zahlreich erschienenen Gäste und zeigte sich erfreut, dass man jetzt wieder im «normalen» Modus konzertieren könne, was natürlich das Konzerterlebnis für Besucher wie auch für Musizierende erheblich erfreulicher mache.
Richard Strauss „’s Deandl is harb auf mi“ für Streichtrio TrV 109
So «harb» (Altweaner Ausdruck für bös) war das etwa sechseinhalbminütige Werk überhaupt nicht, im Gegenteil erfreuten die typisch Strauss’ schen Klänge die Konzertbesucher mit der musikalischen Umsetzung der Lebensfreude der Donaustädter, dies noch ohne Mittun der Pianisten, die sich aber auch schon auf ihren Hocker am Konzertflügel gesetzt hatte und so startbereit war für ihr mitspielen im nun folgenden kurzen akustischen Ausflug in den Orient.
Richard Strauss Arabischer Tanz für Klavierquartett TrV 169
Der Festmarsch D-Dur TrV 136 (von 1884?) zur silbernen Hochzeit seiner Großeltern (mit einem dem Ständchen eng verwandten Trio) ist ein frischer Vorbote der späteren Märsche aus den 1920er-Jahren. Die Zwei Stücke TrV 169 wurden 1893 kurz nach dem ‚Guntram‘ in Weimar komponiert und zeigen einen gänzlich anderen Komponisten, insbesondere die Nummer 1, ‚Arabischer Tanz‘. Man hat das Gefühl, hier beweist uns einer schon vor 120 Jahren, was Multi-Kulti, was Crossover bedeutet – hier fühlen sich die Streicher, die kongenial von der Pianistin unterstützt werden, sichtlich in ihrem Element und agieren entsprechend schwungvoll bei dem rasanten Kamelritt durch die Sanddünen der Wüste. . Egal wem Sie diese Miniatur vorlegen – kaum jemand wird auf den Namen des Komponisten kommen.
Hans Sommer Klavierquartett g-Moll , schweizerische Erstaufführung
Da noch nie gehört, schwierig zu beurteilen, aber immer spannend, bis anhin wenig beachtete Perlen deutschen Musikschaffens zu entdecken und mutig, ebensolche zu programmieren. Das Werk gefällt durch einen schönen Dialog zwischen Streichern und Klavier. Der zweite Satz ist sehr lyrisch, und es gibt in ihm längere Solopassagen für das Klavier. Sommers Tonsprache klingt einem gänzlich vertraut in den Ohren. Zwar entstand das Stück zwischen 1870 und 1884, also in unmittelbarer Nähe zu den Klavierquartetten op. 25 und 26 von Johannes Brahms, sein Stil steht aber vor allem in deutlicher Nähe zu Beethoven. Die Behandlung der Streichinstrumente lässt immer wieder an dessen späte Streichquartette denken und die solistischen Stellen des Klaviers, z. B. der Beginn des zweiten Satzes, wecken immer wieder Assoziationen an Beethovens Sonatenschaffen. Das Stück zeichnet sich mitunter aber auch durch einen sehr elegischen und schwärmerischen, „romantischen“ Ton aus. Äußerst auffällig sind kontrapunktisch gestaltete Passagen, die immer wieder in eine vollstimmige Akkordik oder in ein Unisono münden. Man wird, sofern einem dieses Urteil beim ersten Hören zusteht, Sommers Klavierquartett wohl kaum ein besonders innovatives Werk nennen können, aber seine Mittel beherrscht er souverän und bringt sie mit großem Klangreiz zur Wirkung, ein Reiz, der aber beim eher unscheinbaren, unspektakulären Finale völlig fehlt und den Effekt hat, dass kaum jemand mitbekommt, dass hier das Werk endet und so das applaudieren vergisst, was wiederum die ausgezeichneten Musiker sichtlich verwirrt und ratlos dastehen lässt, bevor sie sich hinter der Bühne in eine kurze Pause begeben.
ROBERT SCHUMANN Klavierquartett Es-Dur op. 47
„Schrecklich schlaflose Nächte – wie immer!“ und fünf Wochen intensiven Komponierens verdankt das Klavierquartett Es-Dur op. 47 sein Entstehen. Dennoch ist das Werk kein rauschafter Abschluss von Robert Schumanns sogenanntem Kammermusikjahr 1842 geworden, sondern ein zurückgenommener, fast schon verträumter Blick ins Innere des Komponisten. Hier ist wenig von der Opulenz des kurz vorher entstandenen Klavierquintetts op. 44 zu spüren – trotz der gemeinsamen Tonart Es-Dur.
Zurückhaltende, trotzdem expressive Kammermusik
Kein triumphales Zurschaustellen klanglicher Möglichkeiten, kein Klavierkonzert mit obligatem Streichquartett: mit einer Stimme weniger schafft Schumann im Klavierquartett mehr Kammermusik. Ein ebenso zartes wie dichtes Gewebe wird hier gesponnen; Streicher und Klavier verschmelzen – ganz ohne pianistische Vorherrschaft – zu einem organischen Gesamtklang. Mal ein schöner Dialog von Alexander Kionkes Cello und Claire Huangcis Klavier, gefolgt von einem akustischen Flirt der Pianistin mit Daniel Dodds an der Violine. Ebenso schrieb Robert Schumann auch ein paar schöne Sequenzen für die Viola von Dominik Fischer in die Partitur.
Clara Schumann, die das Werk zusammen mit dem Geiger Ferdinand David und Niels Wilhelm Gade an der Bratsche aus der Taufe hob, war „wahrhaft entzückt von diesem schönen Werke, das so jugendlich.“ Die vier Protagonist*innen auf der Bühne agierten äusserst souverän, harmonisch, mit purer Spiellust und sichtlichem Vergnügen, ein Vergnügen, dass auch das begeisterte Auditorium mit ihnen teilte und später in einem stürmischen, langanhaltendem Schlussapplaus auch ausdrückte.
Einmal mehr ein Highlight in der Kammermusikreihe der Strings, dem, da bin ich mir sicher, noch einige folgen werden im dafür bestens geeigneten Zeugheerrsaal des Luzerner Schweizerhofs
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: https://www.fsl.swiss/ Fabrice Umiglia
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