Produktion:
Musikalische Leitung Matthew Toogood
Regie Cordula Däuper
Bühne Mareile Krettek
Kostüme Pascal Seibicke
Licht Christian Aufderstroth
Dramaturgie Mark Schachtsiek
Chor Herrenchor Konzert Theater Bern
Orchester Berner Symphonieorchester
Rezension:
Vom Barbier angeführt betreten die Schauspieler einer nach dem anderen die Bühne, bis sie mit ihren gefärbten Haaren und bunten Kostümen wie ein Regenbogen erscheinen: Bereits die wortlose Vorstellungsrunde während der Ouvertüre zeigt dem Publikum, mit welchen Charakteren sie es im Verlaufe des Abends zu tun haben werden. So unterschiedlich wie ihr Äusseres sind auch ihre Persönlichkeiten, so farbig wie der Beginn wird die ganze Geschichte. Sicher ist auf alle Fälle, dass Rossini und sein Barbier hier in einem komplett neuen Gewand auftreten.
«Wir achten die Tradition…»
Die Geschichte lässt sich laut Beaumarchais, der die literarische Vorlage des Stücks lieferte, in einem Satz zusammenfassen: «Ein Alter will am anderen Morgen sein Mündel heiraten; ein junger und aufgeweckter Liebhaber kommt ihm zuvor […]». Und tatsächlich, viel mehr braucht es nicht, um die Intrigenkomödie ins Leben zu rufen. Rossinis Oper Il Barbiere di Siviglia mit Libretto von Sterbini erlebte ihre Uraufführung 1816 in Rom. Was als ein Fiasko beginnt, ist heute wegen seiner schönen Musik und seines Witzes ein Publikumsliebling. Die von der Commedia dell’arte inspirierten Figuren amüsierten und unterhielten im 16. Jahrhundert genau so sehr wie heute noch. Dementsprechend besteht keine Notwendigkeit, die Handlung in die Gegenwart zu verlagern. Stattdessen fokussiert die Inszenierung darauf, die im Stück angelegten Mittel in die heutige Zeit zu übertragen. Neben der Bühne angebrachte Bildschirme mit eingeblendeter deutscher Übersetzung sollen das Verfolgen der italienisch gesungene Handlung und das Verstehen der Intrigen erleichtern. Dies ist auf alle Fälle geglückt, bemerkt man im Publikum doch so einige Lacher und schmunzelnde Gesichter.
«… aber ohne ihr stets zu folgen.»
In einer modernen, farbenfrohen und manchmal auch etwas verrückten Inszenierung von Cordula Däuper schafft es das KTB, die altbekannte Oper erfrischend anders auf die Bühne zu bringen. Das minimalistische Bühnenbild von Mareile Krettek überrascht immer wieder mit viel Liebe zum Detail. Vor allem die Schattenspiele laden zum Staunen ein. So viele Einsatzmöglichkeiten hätte man einem weissen Würfel allemal nicht zugetraut. Vor dieser einfarbigen Kulisse leuchten die farbenfrohen Darsteller umso mehr. Nicht nur ihre Kostüme, entworfen von Pascal Seibicke, heben sie hervor, sondern auch ihre künstlerische Leistung. Sowohl gesanglich als auch schauspielerisch brilliert die gesamte Besetzung. Mit viel Witz und Charme hauchen die Schauspieler den Charakteren Leben ein. Die virtuosen Partien meistern sie scheinbar mühelos und ermöglichen dem Publikum einen unterhaltenden und auf allen Ebenen geglückten Besuch. Unterstützt werden die Darsteller dabei vom hervorragenden Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Matthew Toogood. Er versteht es, Rossinis musikalische Vorlage auf höchstem Niveau wiederzugeben.
Oranger Kavalier und roter Barbier
Ein wahrer Klassiker der Operngeschichte in solch einer modernen Fassung, kann das funktionieren? Die Antwort ist schlicht und einfach: Ja! Sowohl Besucher der traditionellen Oper als auch Fans moderner Stücke können dieser Inszenierung etwas abgewinnen und verlassen das Theater mit einem Lächeln im Gesicht. Der tobende Schlussapplaus, mit dem die überragenden Mitwirkenden entlohnt werden, spricht für sich. Wer nun auf die Abenteuer des orangen Kavaliers, seiner grünen Geliebten und des roten Barbiers neugierig geworden ist, kann sich diese bis am 15. März 2020 in Bern ansehen. Die Anreise ist auf alle Fälle kürzer als jene nach Sevilla.
Text: WWW.NOEMIEFELBER.CH
Fotos: http://www.konzerttheaterbern.ch Annette Boutellier
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