Wie negativ der Begriff Lobbyismus besetzt ist, zeigt die aktuelle Debatte. Dass sich die Berner Nationalrätin Christa Markwalder für die Interessen eines autoritären Regimes einspannen liess, ist gewiss kein Ruhmesblatt – weder für die Politikerin noch für die PR-Agentur Burson-Marsteller. Der Vorfall könnte aus einem Film sein. Doch er täuscht über eines hinweg: Lobbyismus ist gut. Politik ist ein Wettbewerb der Interessenvertreter.
Das fängt damit an, dass jeder Parlamentarier selbst Lobbyist ist. Für seine Region, seinen Berufsstand, seine Hobbys. Diese Art von Interessenvertretung ist für viele nicht suspekt, weil das Parlament ein Abbild der Bevölkerung sein soll. Eher wohlgelitten sind auch die Verbandsfunktionäre im Parlament: der Präsident der Bauern, des VCS, des Gewerkschaftsbundes. Schliesslich weiss der Wähler, für welche Interessen diese Parlamentarier einstehen. Die Funktionäre sitzen in den entscheidenden Kommissionen und verschaffen den Verbänden Zugriff auf vertrauliche Informationen. Die Verletzung des Kommissionsgeheimnisses ist hier kein Thema.
Willkommenes Fachwissen
Bleibt die dritte Gruppe: die Einflüsterer von Verbänden, Unternehmen, PR-Firmen. Sie haben das schlechteste Image – zu Unrecht. Nehmen wir ein aktuelles Geschäft. Letzte Woche hat der Nationalrat entschieden, Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip auszunehmen. Der Vorstoss kam von Bauernverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois. Dass die Detailhändler dagegen lobbyierten – sprich: über ihren Standpunkt informierten –, ist selbstverständlich. Man kann diese Lobbyisten als Gegengewicht zu den mächtigen Verbandsvertretern mit Parlamentsmandat sehen.
Auch bringen sie Fachwissen in die Debatte ein. Volksvertreter sind darauf angewiesen: Wie sollen sie die heiklen Punkte in einem komplexen Dossier wie dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz erkennen? Sich nur auf die Verwaltung oder das Parteisekretariat zu verlassen, ist keine Alternative. Die viel gescholtenen PR-Agenturen bringen die Interessen von Firmen und Verbänden gegen Geld ein. Das ist nicht verwerflich, solange sie die Auftraggeber transparent machen. Mit dem öffentlichen Onlineregister hat die Schweizerische Public-Affairs-Gesellschaft einen Schritt in die richtige Richtung getan.
Das Einbinden unterschiedlicher Interessen ist gewollt. In der Bundesverfassung steht, dass Kantone, Parteien, aber auch «interessierte Kreise» bei Vorhaben zur Stellungnahme eingeladen sind. In Vernehmlassungen werden nicht nur politische Chancen ausgelotet, es geht auch darum, zu erkennen, ob die Vorschläge richtig und umsetzbar sind.
Das alles will nicht heissen, dass kein Reformbedarf besteht. So würden die Parlamentarier gut daran tun, offenzulegen, an welchen Ämtern sie verdienen. Eine Unsitte sind auch die Tagespässe, welche Parlamentarier während der Sessionen vergeben können. Während die Inhaber von permanenten Zutrittskarten erfasst sind, herrscht bei den Tagespässen Intransparenz. Reformen würden das Vertrauen stärken – und die falschen Bilder aus US-Filmen korrigieren.
Quelle: Xing (Tages-Anzeiger)

