Produktionsteam
Inszenierung: Nina Mattenklotz Bühne: Johanna Pfau Kostüme: Lena Hiebel Licht: David Hedinger Musikalische Leitung: Carsten Meyer Dramaturgie: Regula Schröter Dramaturgie: Friederike Schubert
Besetzung
Mit: Adrian Furrer (Capulet), Wiebke Kayser (Lady Capulet), Samuel Braun (Graf Paris), Sofia Elena Borsani (Julia, Tochter der Capulets), Jakob Leo Stark (Romeo, Sohn der Montagues), Matthias Kurmann (Tybalt, Julias Cousin), Lukas Darnstädt (Mercutio, Romeos Freund), Alina Vimbai Strähler (Benvolio), Stefanie Rösner (Julias Amme), Yves Wüthrich (Lorenzo, Franziskanermönch)
Rezension:
Die Einführung gab bereits den jugendlichen Ton an für die kommende Aufführung von Romeo und Julia. Mit gestrickter Mütze, weissen Turnschuhen und einer Nervosität, die sie gar nicht erst zu verstecken versuchte, erklärte die Dramaturgin Friederike Schubert in groben Zügen Entstehung, Handlung und Inszenierung des Stücks. «Huch, geschafft», meinte sie am Ende und der Applaus galt unter anderem auch ihrer jugendlichen Unverkrampftheit. Ihre Direktheit schien die Besucher anzustecken: »Oha, da ist ja richtig was los» flüsterte eine Besucherin, als der erste Schuss fiel auf der Bühne.
Körpereinsatz auf der ganzen Linie
Es ist «was los» in der Inszenierung der jungen Regisseurin Nina Mattenklotz. Keine Romantik, aber mitreissende Aktualität gespickt mit ab und zu humoristischen Einlagen. Obwohl das Bühnenbild nicht ändert – in der Mitte steht ein kaputtes Kettenkarrussel, dessen Sitze ab und zu quietschend hin und her schwingen – und der Text ziemlich im Original übernommen wird, ist es eine unglaublich lebendige aber vor allem eine unglaublich körperliche Inszenierung. Da wird gekämpft, getötet, geschossen, getanzt, befummelt, geküsst und es geht so richtig zur Sache. Besonders eindrücklich z.B. die Szene, wo Romeo den toten Mercutio über die Bühne schleppt, eine Art Todestanz, bei dem sich Lukas Darnstädt als Mercutio so leblos gibt, dass es erschreckend echt aussieht. Ob der ständigen Bewegung auf der Bühne, der Lebendigkeit, vergisst man völlig die Zeit. Die 3-köpfige Band Jon Hood trägt mit ihren extra für die jeweiligen Szenen komponierten und live vorgetragenen Stücken ganz entscheidend zur Verdichtung der Stimmungen und der Atmosphäre bei.
Starke Besetzung
Die Rollen sind alle stark besetzt: Romeo (Jakob Leo Stark) ist eine Art liebenswerter Kumpel, Mercutio (Lukas Darnstädt) ein sexbesessener Schönling in engen, tiefsitzenden Glanzhosen und offener Jacke über nacktem Oberkörper, Benvolio (Alina Vimbai Strähler), in Luzern als Frau besetzt, quirlig, sprühend und unbeschwert. Tybalt (Mathias Kurmann), ein aggressiver Aufwiegler, Lady Capulet, Julias Mutter, (Wiebke Kaiser) verbittert, völlig abwesend, unbeteiligt. Der Vater (Adrian Furrer) unbeugsam, gefühllos und nur darauf bedacht, seine Tochter an den Grafen Paris (Samuel Braun) zu vergeben, ein schmieriger Jüngling ohne Rückgrat. Daneben gibt Sofia Elena Borsani als Julia ein verträumtes junges Mädchen, welches aber genau weiss, was es will. Ihre Amme (Stefanie Rösner) ist mehr Freundin aber vor allem auch Frau, die den männlichen Reizen in keiner Weise abgeneigt ist. Nicht zuletzt ist da der Mönch (Yves Wüthrich), eine Karikatur mit schwarzem Haarkranz, zu kurzen Hosen und gestrickten grünen Socken. Die Heiratsszene verkommt dann auch zu einer Art Slapstick, erinnert an Szenen aus einem Fellini-Film, ist aber gleichzeitig einer der wenigen unbeschwerten Momente. Da bricht die Liebe, die Ungeduld, die Leidenschaft durch. Und wenn die beiden mit wehendem Hochzeitsschleier auf dem Fahrrad ihre Runden um das kaputte Karussell drehen, hat das etwas Hoffnungsvolles und Berührendes und man wünscht sich, sie würden es schaffen, den Hass ihrer beiden Familien zu durchbrechen.
Für Hoffnung gibt’s aber keinen Platz in diesem Stück, wie man ja weiss. Der Schluss kommt leicht geändert daher, Romeo und Julia finden sich zwar noch, sehen aber keine andere Lösung, als sich gemeinsam zu erschiessen.
Das Stück ist bedrückend aktuell. Nina Mattenklotz zeigt Bilder, wie sie uns allen nur zu bekannt sind – Bandenkriege, Gewalt, Intoleranz, Egoismus, sexuelle Übergriffe. Es ist wohl diese Realitätsnähe, die eine ganze Schulklasse völlig gebannt fast die ganzen 3 Stunden ruhig auf ihren Sitzen ausharren liess. Das allein spricht für das Stück, die Inszenierung und die Schauspieler! Einzig in der Schlussszene, die sich dann doch etwas lange hinzog, wurde es langsam etwas unruhig in den oberen Rängen.
Wer sich bis jetzt von der Länge des Stücks vom Besuch hat abhalten lassen – nicht mehr zögern und hingehen. Die Bilder bleiben einen weit über den Abend hinaus im Kopf.
Trailer der Produktion:
www.luzernertheater.ch/romeoundjulia
Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Höhn, Luzerner Theater:
Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: luzernertheater.ch