Besetzung und Programm:
Lucerne Festival Orchestra
Yannick Nézet-Séguin Dirigent
Beatrice Rana Solistin am Klavier
Clara Schumann (1819–1896)
Klavierkonzert Nr. 1 a-Moll op. 7
Anton Bruckner (1824–1896)
Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107
Edition von Leopold Nowak
Wer das Klavierkonzert von Clara Schumann bislang als eher schwache Talentprobe einer 14-jährigen Pianistin abgetan hat, kommt beim Hören der Interpretation von Beatrice Rana aus dem Staunen nicht heraus: So viel Ausdruckswille, so viel Eigensinn, so viel Empfindungskraft steckt in diesem Stück! und entfesselt bei Beatrice Rana und dem hellwachen Lucerne Festival Orchestra unter dem Energiebündel Yannick Nézet-Séguin ein emotionales Feuerwerk zwischen Pranke und Samtpfote. Romantik pur!
Die italienische Solistin betrat die Konzertbühne, äusserst stylisch in ein körperbetonendes zitronengelbes Abendkleid gehüllt, das perfekt mit ihren brandschwarzen Haaren harmonierte und war nicht nur, wie sich erweisen sollte, ein Augen,– sondern auch ein Ohrenschmaus
Ein Meisterwerk der Romantik – Clara Schumanns Klavierkonzert Nr. 1 a-Moll op. 7
Clara Schumanns Klavierkonzert in a-Moll op. 7, komponiert im Alter von nur 14 Jahren, steht als Zeugnis ihrer bemerkenswerten musikalischen Reife. Beatrice Rana und das Lucerne Festival Orchestra unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin lieferten eine tief berührende Interpretation dieses Werks, das sowohl technische Brillanz als auch emotionale Tiefe verlangt. Man merke, so Beatrice Rana, dass dieses Konzert von jemandem komponiert wurde, der die Klaviatur völlig mühelos beherrschte.
Ein kraftvoller Beginn
Das Konzert eröffnet mit einem dramatischen Allegro maestoso, das sofort die technische Virtuosität und Ausdruckskraft der Solistin am Piano unter Beweis stellt. Die 31jährige Italienerin führte durch die dichten Harmonien mit einer Leichtigkeit, die von einer tiefen emotionalen Verbundenheit zeugte. Das Orchester unter des Kanadiers Leitung unterstützte sie dabei einfühlsam und hielt stets das richtige Gleichgewicht zwischen Solistin und Ensemble. Die dramatische Spannung im ersten Satz war spürbar, doch immer mit einem Gefühl von Kontrolle und Eleganz.
Lyrik und Sensibilität im Romanze-Satz
Der zweite Satz, eine Romanze in f-Moll, entfaltet eine lyrische Schönheit, die Clara Schumanns tiefe Sensibilität und ihre Liebe zur Melodie offenbart. Hier kam Ranas Fähigkeit zur Nuancierung voll zur Geltung dies besonders im längeren Dialog mit dem Solocello Mit delikatem Anschlag und feiner Phrasierung ließ sie die Musik erblühen. Die Streicher des Lucerne Festival Orchestra schufen dabei eine sanfte, fast mystische Atmosphäre, die perfekt zu dem poetischen Charakter dieses Satzes passte. Nézet-Séguin bewies erneut sein Gespür für Clara Schumanns Musik, indem er dem Orchester Raum gab, sich zu entfalten, ohne die Solistin zu überdecken.
Ein brillantes Finale
Das Finale des Konzerts ist ein lebhaftes Allegro non troppo, das sowohl rhythmische Präzision als auch technisches Können erfordert. Rana meisterte die komplexen Passagen mit beeindruckender Klarheit und Energie, während das Orchester den dynamischen Dialog zwischen Solistin und Ensemble nahtlos fortsetzte. Die verschiedenen Themen wurden geschickt herausgearbeitet, und die Schlusskadenz brachte einen triumphalen Abschluss, der das Publikum begeisterte und zu einem langanhaltenden frenetischen Applaus animierte, der die Pianistin solange auf die Bühne zurückbeorderte, bis sie doch noch eine kurze Zugabe gewährte.
Ein ergreifendes Gesamtbild
Insgesamt bot diese Aufführung des Klavierkonzerts von Clara Schumann eine ergreifende Reise durch die romantische Musik. Beatrice Ranas technische Fertigkeiten und emotionale Tiefe harmonierten perfekt mit Nézet-Séguins klarer, jedoch feinfühliger Leitung. Das Lucerne Festival Orchestra brachte die orchestralen Farben zur Geltung und schuf ein einzigartiges Klangbild, das Schumanns Werk in all seiner Komplexität und Schönheit strahlen ließ.
Eine majestätische Reise – Bruckners Siebte Sinfonie in E-Dur
Anton Bruckners Sinfonie Nr. 7 in E-Dur WAB 107 ist eines der bedeutendsten Werke der späten Romantik, und das Lucerne Festival Orchestra hat unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin in der Edition von Leopold Nowak eine Interpretation präsentiert, die das Publikum tief berührte. Diese Sinfonie, die oft als Bruckners persönlichstes Werk bezeichnet wird, ist voller emotionaler Höhen und Tiefen, die in dieser Aufführung eindrucksvoll zur Geltung kamen.
Ein eröffnender Choral voller Erwartung
Der erste Satz, Allegro moderato, öffnet sich mit einem majestätischen Cello-Thema, das sich wie ein erhabener Choral durch den gesamten Satz zieht. Das Lucerne Festival Orchestra meisterte diese Passage mit einer feierlichen Ruhe, die die dramatische Spannung langsam aufbaute. Die Balance zwischen den Streichergruppen war perfekt, und die Holzbläser traten hervor, um die harmonische Struktur zu bereichern. Nézet-Séguins Führung erlaubte den Themen, sich organisch zu entwickeln, während das Orchester eine warme, reichhaltige Klangfarbe bewahrte.
Ein bewegendes Adagio – Bruckners musikalisches Gebet
Das Adagio, oft als musikalisches Gebet bezeichnet, ist zweifellos das Herzstück dieser Sinfonie. Das Lucerne Festival Orchestra brachte die schmerzhafte Schönheit dieses Satzes voll zur Geltung. Die gedämpften Streicher und die sanften Bläser schufen eine Atmosphäre tiefster Andacht und Kontemplation. Besonders bewegend war die Darbietung der Wagner-Tuben, die Bruckner in diesem Satz zum Gedenken an Richard Wagner einsetzte. Das durch den Dirigenten vorgegebene Tempo war gut gewählt – langsam genug, um die Tragik zu spüren, aber nicht so, dass die Musik ins Stocken geriet.
Lebhafte Kontraste im Scherzo
Das Scherzo dieser Sinfonie bietet einen scharfen Kontrast zum vorausgegangenen Adagio. Es ist lebhaft, energisch und voller rhythmischer Spannung. Hier glänzte das Lucerne Festival Orchestra mit präziser Artikulation und dynamischer Vielfalt. Die starken Akzente und das drängende Tempo führten zu einem aufregenden Erlebnis, das die Zuhörer in den Bann zog. Der Trio-Teil, der die ländliche Seite Bruckners zum Ausdruck bringt, wurde mit einer charmanten Leichtigkeit gespielt, die eine kurze, aber willkommene Atempause bot, bevor das Hauptthema zurückkehrte.
Ein triumphales Finale
Das Finale dieser Sinfonie, das in E-Dur schließt, bringt alle thematischen Elemente der vorhergehenden Sätze zu einem triumphalen Abschluss. Die Interpretation des Lucerne Festival Orchestra war hier besonders beeindruckend, da Nézet-Séguin es schaffte, die verschiedenen thematischen Fäden zusammenzuführen und ein großes, überwältigendes, ja epischrs Klangbild zu erzeugen. Die Blechbläser traten kraftvoll hervor und gaben dem Schluss eine fast hymnische Qualität, während die Streicher und Holzbläser das harmonische Fundament legten. Der quirlige Kanadier am Pult malte mit dem souveränen Weltklasseorchester ein akustisches Monumentalgemälde, so etwas wie einen tonalen Rembrandt. Nach dem abrupten, gar etwas unerwarteten Schlussakkord herrschten ein paar Sekunden atemlose, fast andächtige Stille, bevor Bravorufe und stürmischer Applaus einsetzten, langanhaltend und schlussendlich in eine stehende Ovation mündend.
Ein unvergessliches Konzerterlebnis
Die Aufführung von Bruckners Siebter Sinfonie durch das Lucerne Festival Orchestra in der Nowak-Edition war eine tief bewegende musikalische Erfahrung. Yannick Nézet-Séguin bewies erneut sein tiefes Verständnis für Bruckners Musik, indem er das Orchester zu einer Darbietung führte, die gleichermaßen von technischer Präzision und emotionaler Tiefe geprägt war. Diese Aufführung hat gezeigt, warum Bruckners Siebte zu den bedeutendsten Sinfonien des 19. Jahrhunderts zählt – sie berührt das Herz und erhebt den Geist.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Priska Ketterer, Peter Fischli und Patrick Hürlimann www.lucernefestival.ch
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