programm:
hanns eisler (1898-1962)
ernste gesänge
anton bruckner (1824-1896)
sinfonie nr. 5 b-dur wab 105
geschichte, einführung und erläuterungen:
auf dem xx. parteitag der kpdsu konfrontierte nikita chruschtschow die genossen mit der grauenhaften wahrheit über die unvorstellbaren verbrechen, die sogenannten «säuberungen», die millionen von russen in der ära seines vorgängers stalin das leben gekostet hatten. hanns eisler, der sich 1949, nach der rückkehr aus dem exil, in der ddr niedergelassen hatte, war der einzige komponist seines landes, der auf diese enthüllungen künstlerisch reagierte und sich kritisch mit den spätfolgen der oktoberrevolution auseinandersetzte: seine„sieben ernsten gesänge“ sind ein dokument der trauer – und vermitteln doch einen hauch von zuversicht. der amerikanische starbariton thomas hampson brachte eislers berührendes schlusswort – der komponist starb am 6. september 1962, nur wenige tage nach vollendung der partitur – zur aufführung. anschliessend zelebrierten christian thielemann und die sächsische staatskapelle, der er seit 2012 vorsteht, ein bruckner-hochamt: sie deuten die fünfte sinfonie, die der komponist selbst als sein «kontrapunktisches meisterstück» bezeichnete.
die sachsen kommen, eine immer wieder gern gelesene konzertankündigung. (ich persönlich dachte eigentlich eher, dass thielemann, als ausgewiesener wagnerexperte, zu dessen zeihundertjahrgeburtstagsfeier auch eines der meisterwerke des grossen deutschen komponisten zelebrieren würde).
verwöhnt wurden wir aber im ersten teil des konzertes von der präzisen und engagierten interpretation der „ernsten gesänge“ von hanns eisler durch den amerikanischen baritonweltstar thomas hampson. feinfühlig, aber doch voluminös und kraftvoll im ausdruck verlieh hampson, souverän unterstützt vom orchester, den zumeist von hölderlin verfassten texten aussagekraft und eine gewisse, zum nachdenken anregende ausstrahlung.
dafür ernteten der solist und das ensemble den verdienten lohn in form eines langanhaltenden applauses, sodass hampson schlussendlich den epilog des liederzyklus nochmals zum besten gab.
nach der pause war anton bruckners sinfonie nr.5 b – dur programmiert, die erstaunlicherweise im rahmen des lucerne festival erst zweimal geboten wurde, erstmals am 13. august 1952 ( als das lucerne festival noch internationale musikfestwochen hiess) mit dem schweizerischen festspielorchester unter paul hindemith, zuletzt am 19. & 20. august 2011 mit dem lucerne festival orchestra, das claudio abbado leitete.
mit grosser souveränität und gelassenheit führte christian thielemann die staatskapelle durch die beiden ersten sätze. dann gings mit viel schwung, fluss und magistral in den dritten satz, da wurde mir schnell klar, dass ich nach diesem konzert meinen üblichen retourzug nicht erreichen würde, aufgrund der zu erwartenden langandauernden ovationen. dann der vierte (letzte) satz dieses epochalen meisterwerks der klassischen musik. nach dessem gloriosen aufwühlenden finale war es zuerst totenstill (als wären alle paralysiert durch das gebotene), thielemann verharrte auch noch eine gefühlte ewigkeit in seiner pose, bis endlich jemand den bann brach und anfing zu applaudieren, dann gabs aber kein halten mehr und die woge der begeisterung flutete förmlich durch den saal und christian thielemann ( mit hochrotem, von der anstrengung und anspannung erhitzten kopf) und seine musiker waren sichtlich gerührt und bewegt und genossen die verdiente stehende ovation, die sich automatisch aus der stürmischen akklamation entwickelte.
fazit: einmal mehr stellte die sächsische staatskapelle ihre herausragende stellung in der orchesterwelt unter beweis, jetzt noch ausgeprägter durch die thielemannsche stabführung.
ein weiterer glanzpunkt an diesem jubiläumsfestival, das mit ebensolchen ja sonst schon reichlich gesegnet war und noch bis am 15. september sein wird.
text: www.leonardwuest.ch
fotos: www.lucernefestival.ch