Besetzung und Programm:
Des canyons aux étoiles für Klavier, Horn, Xylorimba, Glockenspiel und Orchester
Rezension:
Das Werk kann Messiaen-„Anfängern“ nicht empfohlen werden, es ist zu vielschichtig, zu kompliziert, wohl auch zu umfangreich für einen Einstieg, gleichwohl aber eines der bedeutendsten Orchesterwerke des 20. Jahrhunderts, so Edwin Baumgartner in der Wiener Zeitung. Also alles andere als leichte Kost, die das Auditorium im gut besetzten Saal erwartete.
Aussergewöhnliche Töne im Konzertsaal des KKL Luzern
Es waren dann auch sehr aussergewöhnliche, ungewohnte Klänge, die den Konzertsaal erfüllten, hatte doch Olivier Messiaen u.a. 82 Vogelstimmen für seine Komposition transkribiert und in das Auftragswerk der amerikanischen Mäzenin Alice Tully eingefügt. „Des Canyons aux Étoiles . . .“ ist ein Wunder des Klanges: Mit außergewöhnlicher Besetzung, die auch eine Wind- und eine Sandmaschine einschließt, verleiht der Komponist der Musik eine einzigartige Textur, die sowohl die majestätische Landschaft, ihre Einsamkeit und die sie bewohnenden Vögel vor dem inneren Auge des Zuhörers Gestalt annehmen lässt. Einem normal bis groß besetzten Bläserensemble (mit u. a. immerhin 4 Flöten und 4 Klarinetten) stehen Solo-Klavier, umfangreiches Schlagzeug, aber nur 13 solistische Streicher gegenüber. Dazu hat der erste Hornist konzertante Aufgaben zu erfüllen. Das Werk enthält Kantilenen von nahezu riskanter Süße ebenso wie Choräle in grandios resonierenden Akkorden und virtuose Klavierkaskaden.
Messiaens transkribierte Vogelstimmen als Herzstück der Komposition
Vogelrufe, scheinbar abstrakter Konstruktivismus und Freude am Schönklang verbinden sich zu leuchtendem Gotteslob. Eben diese religiöse Botschaft begriffen die Musikkritiker anlässlich der New Yorker Uraufführung im November 1974 nicht, oder wollten sie nicht verstehen, wie sich der Komponist bitter beklagte. Dagegen reagierte das Publikum äusserst enthusiastisch auf das grandiose avantgardistische Klanggemälde. Es gibt kein Leitmotiv, woran sich der Zuhörer festhalten könnte, keine Repetitionen, alles ist im Fluss und unbeständig wie die Naturgewalten, die die beschriebenen Landschaften über Jahrmillionen geformt haben. Man wähnte sich eher an einem Zeremoniell, denn an einem Konzert. Dirigent Matthias Pintscher leitete eher passiv, viel mit Augenkontakt, statt mit Gesten. Besonders innig der lautlose Dialog mit dem Solisten am Konzertflügel.
Exzellente Solisten überzeugten durchwegs
Es war denn auch der japanische Pianist Hidéki Nagano, der die Aufführung am nachhaltigsten prägte, dies als Primus inter Pares, da am häufigsten als Solist in Aktion. Gefordert auch die Schlagwerke, ins besonders Gilles Durot am Xylorimba, Samuel Favre am Glockenspiel und dazu der grossartige Solist am Horn Jean-Christophe Vervoitte. Diese Protagonisten durften sich dann am Konzertende auch alle einen Extraapplaus abholen. Ein Schlussapplaus, der sehr kräftig und langanhaltend ausfiel, fast etwas ehrfürchtig das Gebotene würdigend.
Länge des Werkes fordert nicht nur die Musiker, sondern auch das Auditorium
Das Werk ist, mit einer Spieldauer von ca. 1 Stunde und 40 Minuten aussergewöhnlich lang, fast zu lang, widerspiegelt aber die von Messiaen tonal beschriebenen Landschaften wahrscheinlich bis in das kleinste Detail. Ihm hatten es ja vor allem auch die vielfältigen Rottöne angetan, wie er auch schriftlich festhielt. („Es gibt Schlösser, Türme, Verliese, es gibt Kanzeln, Brücken, Fenster und dann, noch schöner, gibt es die Farben! Alles ist rot, alle Arten von Rot, rot – violett, rosé, dunkles Karmesinrot, Scharlachrot, alle möglichen Nuancen von Rot, eine aussergewöhnliche Schönheit“) notierte er, während seine Frau, die bekannte Konzertpianistin Yvonne Loriod, Fotos der Landschaften machte.
Unnötige Lichtinstallation
Kleiner Wehmutstropfen: Die angekündigte Visualisierung (Lichtkonzept) des Konzertes der weltbekannten Art Performerin Ann Veronica Janssens, hat diesen Namen nicht verdient, war eher störend, denn ergänzend oder gar bereichernd. Die an die Wände projizierten farbigen Lichtkegel wirkten wie die Spielerei eines Kindes mit einer grossen Taschenlampe.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch
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