Besetzung und Programm:
Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 Frühlingssinfonie
Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43
Divertimento für Orchestra
Rezension:
Russische Pianisten, die russische Kompositionen spielen, immer ein besonderes Vergnügen. Wenn sie davor auch noch die „Frühlingssinfonie“ von Robert Schumann meisterhaft vortragen, danach noch Leonard Bernsteins „Divertimento für Orchestra“ perfekt interpretieren, ist es gleich Konzertvergnügen „hoch drei“. Dazu noch begleitet von einem gutaufgelegten Orchester, was will Musikliebhaber mehr.
Frühlingserwachen in der Innerschweiz
Im praktisch ausverkauften Konzertsaal führte uns das Symphonieorchester des bayerischen Rundfunks unter der magistralen Leitung von Mariss Jansons mit Robert Schumanns Sinfonie Nr. 1 (auch Frühlingssinfonie genannt) musikalisch in den, auch in Luzern, an diesem Tag mit angenehmen Temperaturen und Sonnenschein sich meldenden Frühling. Der Komponist skizzierte das Werk in einem wahren euphorischen Schaffensrauch innerhalb von nur vier Tagen Ende Januar 1841, kurz nachdem er seiner angebeteten Clara Wieck begeistert von einer Sinfonie von Franz Schubert vorgeschwärmt hatte, deren Partitur er selbst anlässlich eines Wienaufenthaltes in dessen Nachlass gefunden hatte.
Skizziert innert vier Tagen, drei Wochen später auch instrumentiert
Für die Instrumentierung seiner eigenen Sinfonie brauchte er dann noch drei Wochen, bevor sie am 31. März desselben Jahres, nach ein paar kleineren Nachkorrekturen, im Leipziger Gewandhaus unter Leitung von Felix Mendelssohn uraufgeführt wurde, worauf Schumann in seinem Tagebuch notierte: Ein schöner, glücklicher Abend! Als Grundlage für seine Komposition diente ihm u.a. das „Frühlingsgedicht“ des Leipziger Biedermeier – Poeten Adolf Böttger. Mächtig setzt Schumann die Fanfaren zu Beginn des ersten Satzes, der in der Folge breit aufgestellt, mächtig, ja fast wuchtig daherkommt, aber auch mal unvermittelt ins zart – frühlingshafte abgleitet, wobei sicher die Idee des Frühlings, der allmählichen Entfaltung der Natur aus kleinsten Keimzellen bei der Konzeption der diversen Themen eine Rolle spielte. Dirigent Mariss Jansons lebte das Frühlingserwachen psychisch , aber auch physisch voll mit, leitete er doch das Orchester mit ausschweifenden Gesten und vollem Körpereinsatz, mal streckte er sich, dann sackte er kurz zusammen und lebte die Partitur auch mimisch mit.
Oboe als Schlüsselinstrument der Sinfonie
Schumann wies der Oboe in allen Sätzen eine prägende Rolle zu, schwingt sie sich doch immer wieder in die Höhe, schwebt über dem Basisklang des Orchester, interagiert auch mal mit den Violinen, unterordnet sich wieder und fügt sich dann demütig ins Ganze ein. Die rassige, schwungvolle Umsetzung der Intentionen des Komponisten honorierte das Auditorium mit langanhaltendem, stürmischem Applaus, und beorderte so den Dirigenten noch ein paarmal auf die Bühne zurück, was diesen sichtlich emotional bewegte.
Der nahezu total besetzte Konzertsaal (sogar die Plätze auf der Empore unter der Orgel, im Rücken des Orchesters, waren voll belegt), zeigt, welch grosse, treue Fangemeine sich dieses Orchester, seit dem Jahre 2004 alljährlich „in residence“ beim Luzerner Oster Festival, aufgebaut, respektive erspielt hat. Ein wichtiger Grund dafür ist auch der richtige Spürsinn für die Werksauswahl.
Rachmaninow und Bernstein im 2. Konzertteil
Mit Denis Matsuev, im Moment wohl der ausgewiesenste Spezialist schlechthin für Rachmaninow Interpretationen, gesellte sich für den zweiten Konzertteil ein ebenbürtiger Partner zu den andern Musikern. Die 24 Variationen der „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ boten ihm ausreichend Gelegenheit, diesem Ruf gerecht zu werden. Wie er diese Höchstschwierigkeiten meisterte, nötigte selbst seinen Mitmusikern Respekt ab.
Matsuev ist auch Botschafter des FIFA World Cup 2018 in Russland, zu dessen Eröffnung er ein Konzert auf dem Roten Platz in Moskau gestalten wird. Auch hatte er schon die Ehre, auf Einladung der Rachmaninow Stiftung, die Werke des Komponisten auf dessen eigenem Konzertflügel in der Villa „Senar“ (Wohnsitz der Rachmaninows von 1932 bis 1939) in Hertenstein am Vierwaldstättersee zu spielen.
Das Publikum genoss und honorierte am Schluss die aussergewöhnliche Darbietung des Pianisten mit grossem, stürmischem Applaus
Zum Konzertabschluss eine Leonard Bernstein Komposition
Zum 100 Jahr Jubiläum des Boston Symphony Orchestra (BSO), das er seit seiner Jugend kannte und dem er sehr verbunden war, komponierte Bernstein im Jahre 1980 das „Divertimento for Orchestra“. Gegliedert in acht Sätze, vermittelt sie die Art neue, eigenständige amerikanische Musik, die George Gershwin „erfunden“ hatte. Er bediente sich Themen diverser Komponisten, die er virtuos variiert. So lehnt sich der 1. Satz an Richard Strauss` „Till Eulenspiegel“ und Strawinskys „Petrouschka“ an.
Der 2. Satz vermittelt einen Walzer in der Art Tschaikowskys, Bernstein verbiegt aber vom üblichen 3/4 weiter bis zu einem 7/8 Takt. Die darauffolgende „Mazurka“ verweist auf „Chopin“, die kurze Sequenz der Oboe zum Ende jedoch, ist dem Kopfsatz von Beethovens 5. Sinfonie entnommen. Bezug auf seine eigene „West Side Story“ nimmt er im „Samba“, mit einer Zwölftonreihe verweist er in „Turkey Trot“ auf Arnold Schönberg. Die jazzigen Blechbläser im „Blues“ sind eine Hommage an Gershwin. Den Kanon der drei Flöten des finalen Satzes widmet er allen verstorbenen Orchestermitgliedern und Dirigenten des BSO, auf den er einen rassigen Marsch folgen lässt, eine Art Mixtur zwischen „Stars and Stripes forever“ und dem „Radetzky Marsch“.
Das bayerische Orchester machte daraus seinen persönlichen Triumphmarsch, dies sehr zur Freude des Auditoriums, das dieses grandiose Konzert mit einer wahren Applauskaskade und Bravorufen belohnte.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch
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