Der Bund will die Strafprozessordnung besser auf die Praxis ausrichten. Er hat die Kantone zur Stellungnahme zu einer geplanten Revision aufgefordert. Der Kanton Luzern sieht bei den meisten vom Bund vorgesehenen Anpassungen keinen Gewinn für die Praxis – im Gegenteil. Die Neuerungen verursachen höhere Kosten, zusätzlichen Aufwand und sorgen für eine Überregulierung des Strafprozessrechts.
Mit der ständerätlichen Motion 14.3383 «Anpassung der Strafprozessordnung» wurde der Bundesrat 2015 in die Pflicht genommen, die seit 2011 geltende Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) mit Blick auf die Praxistauglichkeit zu prüfen und erforderlichen Gesetzesanpassungen bis Ende 2018 dem Parlament zu beantragen. Die Vernehmlassung wurde am 1. Dezember 2017 eröffnet. Die Kantone hatten bis am 14. März 2018 die Gelegenheit, zum Revisionsentwurf Stellung zu nehmen.
Der Kanton Luzern hat sich kritisch mit einzelnen Punkten der geplanten Revision auseinandergesetzt. Gemäss Beurteilung des Regierungsrates verfehlt der vorliegende StPO-Revisionsentwurf das Ziel. Dieser führt zu einer unerwünschten Überregulierung des Strafprozessrechts und zu personellem und/oder finanziellem Mehraufwand für die Kantone. «Dieser Tendenz muss Einhalt geboten werden», schreibt der Regierungsrat in seiner Stellungnahme und führt weiter aus, dass bereits mit dem aktuell geltenden Recht das Vertrauen in den Staat und in die Justiz in den letzten Jahren gelitten habe. Grundsätzlich befürwortet der Regierungsrat alle Verbesserungen des geltenden Strafprozessrechts, wenn diese sowohl rechtsstaatlich einwandfreie wie auch praktisch umsetzbare Lösungen beinhalten.
Vier Hauptpunkte stehen in der Kritik
Den folgenden Hauptpunkten des Revisionsentwurfs steht der Regierungsrat kritisch und ablehnend gegenüber:
1. Notwendige und amtliche Verteidigung
Der Regierungsrat erachtet einen weiteren Ausbau der notwendigen Verteidigung als unnötig. Ebenso spricht er sich gegen eine Neuorganisation der amtlichen Verteidigung aus. Die Vorschläge hätten eine Verlängerung der Verfahren sowie finanziellen und personellen Mehraufwand zur Folge.
2. Teilnahmerechte der Parteien
Der Revisionsentwurf geht bei den Teilnahmerechte der Parteien deutlich über die durch die Europäische Menschenrechtskonvention definierten Standards hinaus. Dies führt zu komplizierteren, längeren und teureren Verfahren sowie zu finanziellen und personellen Mehraufwand für die Kantone.
3. Strafbefehlsverfahren
Heute wird eine sehr grosse Anzahl von Fällen im Bereich kleine und mittlere Kriminalität mit dem Strafbefehlsverfahren erledigt. Diese Lösung hat sich aus Sicht des Regierungsrats bewährt. Die Vorschläge des Revisionsentwurfs führen zu längeren Verfahren und verursachen erheblichen personellen und finanziellen Mehraufwand für die Kantone.
4. Opferrechte
Die heute bestehende StPO-Regelung der unbestritten wichtigen Opferrechte ist sinnvoll und praxistauglich. Neue zusätzliche Bestimmungen, die über die aktuell geltenden hinausgehen, verursachen einen deutlichen personellen und finanziellen Mehraufwand.
Als weiteren Punkt führt der Regierungsrat die Vertraulichkeit von Akten im Rahmen des Vorverfahrens an. Er hält fest, dass die StPO diesen Punkt zu wenig eindeutig regle und fordert: «Es muss sichergestellt werden, dass im Rahmen der Akteneinsicht zugängliche Dokumente nicht vor der Anklageerhebung zur Veröffentlichung weitergegeben werden können und dürfen.»
Der Regierungsrat lehnt sämtliche Änderungen des vorliegenden StPO-Revisionsentwurfs ab, welche Strafverfahren erschweren, unnötig verlängern und personellen wie auch finanziellen Mehraufwand nach sich ziehen. In den vier angeführten Hauptpunkten ist zudem kein Gewinn für die Anwendungspraxis erkennbar. Hingegen befürwortet der Regierungsrat sämtliche Anpassungen, welche die Anwendung des Strafprozessrechts in der Praxis erleichtern und das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit fördern. Der Regierungsrat hält dazu fest: «Die Strafprozessordnung muss praxistauglicher werden».
Bereits 2011 löste die Schweizerische StPO Mehrkosten aus
Der Regierungsrat stellt fest, dass sich die aktuelle, seit 2011 geltende StPO in weiten Teilen bewährt hat. Das Ziel der Harmonisierung des Schweizerischen Strafprozessrechts wurde erreicht, allerdings um den Preis einer hohen Regeldichte, die bereits damals in der Praxis zu spürbaren Mehraufwendungen und verzögerten Abläufen führte. Der Regierungsrat mahnt beim Bundesrat grundsätzlich an, im Zuge von Gesetzesrevisionen immer auch die Folgekosten für die Kantone im Auge zu behalten. Von den Luzerner Vertreterinnen und Vertretern in National- und Ständerat erhofft sich der Regierungsrat eine breite Unterstützung für seine Anliegen.
Anhang
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