- der junge sergej rachmaninoff
- der elegante sergej rachmaninoff
- der ältere sergej rachmaninoff
sinfoniekonzerte
die glocken
mitwirkende:
luzerner sinfonieorchester lso
james gaffigan, chefdirigent
boris berezovsky, klavier
staatlicher chor lettland, chor
elena tsallagova, sopran
maxim aksenov, tenor
alexei tanovitski, bass
programm:
sergej rachmaninoff (1873–1943)
«die toteninsel», sinfonische dichtung op. 29
rhapsodie über ein thema von paganini für klavier und orchester op. 43
«die glocken» für soli, chor und orchester op. 35
grundsätzliches:
manchmal führen pure zufälle zu grosser musik. bei einem aufenthalt in paris sah rachmaninoff das epochale gemälde «die toteninsel» des schweizer malers arnold böcklin und liess sich davon zu einer beklemmenden, mystisch gefärbten sinfonischen dichtung inspirieren. abermals einem zufall war es zu verdanken, dass rachmaninoff von einer (übrigens anonym gebliebenen) briefschreiberin edgar allen poes gedicht «the bells» zugesandt erhielt – in einer russischen übersetzung, die ihn derart beeindruckte, dass er sofort beschloss, das gedicht als textgrundlage für eine sinfonie zu verwenden, die ihm, wie er beteuerte, eines seiner liebsten werke blieb. die «paganini-rhapsodie», übrigens sein letztes werk für klavier und orchester, entstand in unmittelbarer nachbarschaft zu luzern – nämlich in rachmaninoffs schweizer domizil in hertenstein.
rezension: nach einer interessanten, lehrreichen und auch hintergründig humorvollen einführung durch werner pfister zu diesem „rachmaninoffabend“, so erklärte er unter anderem, dass der grosse philosph der 1950er/1960er jahre, theodor w. adorno (1903 – 1969), rachmaninoffliebhaber als spätromantische infantile erwachsene bezeichnete. ebenso wurden wir informiert, dass bei rachmaninoffs enteignung im revolutionären russland u.a. sein flügel aus dem fenster auf die strasse geschmissen wurde, es folgten die jahre im amerikanischen exil, wo er sich rasch einen ausgezeichneten namen schuf, sei es als komponist, dirigent und als grossartiger pianist, also auch entsprechende einnahmen generieren konnte, die es ihm dann auch problemlos ermöglichten, im jahre 1930 in hertenstein nahe luzern am vierwaldstättersee ein grosses ufergrundstück zu erwerben und darauf die villa senar errichten zu lassen. dort verbrachte rachmaninoff viele sommermonate und er fand endlich zum komponieren zurück. schließlich verlor er auch die neue schweizer heimat mit ausbruch des zweiten weltkriegs und kehrte ins amerikanische exil zurück wo er 1943 verstarb.
so gut mit hintergrundinformationen bedient erwarteten alle den konzertgenuss, der, dies sei vorausgenommen, auch ein ebensolcher wurde. eröffnet wurde der musikalische teil des abends mit der sonfonischen dichtung „die toteninsel“, opus 29, komponiert nach ramaninoffs eindrücken beim betrachten einer fotografie des gleichnamigen berühmten gemäldes des schweizer malers arnold böcklin (1827 – 1901). (die komposition entstand nach einem parisaufenthalt an seinem damaligen wohnort dresden). die interpretation dieses im ungewöhnlichen fünfachteltakt geschriebenen werkes durch das luzerner sinfonieorchester war sehr beeindruckend und liess auch böcklins gemälde mit den felsen und wogenden fluten irgendwie sichtbar werden, zumindest vor dem geistigen auge. ein doch eher düsteres werk, melancholisch, nachdenklich stimmend. der kontrapunkt bildeten die anschliessend dargebotenen improvisationen der rhapsodie über ein thema von paganini für klavier und orchester, opus 43. es war zugleich rachmaninoffs letztes werk für klavier und orchester. ein ideales terrain für boris berezovsky (*1969) als solist am klavier. feurig, inspiriert folgte er den spuren des sogenannt teufelsgeigers niccolo paganini, kraftvoll wo nötig, subtil, virtuos und elegant leicht, wenn gefordert, dies alles eingebettet in die harmonische begleitung des verlässlichen, hervorragenden einheimischen musikerensembles.
die protagonisten ernteten den wohlverdienten stürmischen applaus der anwesenden infantilen erwachsenen.
nach der pause erwartete uns schwerere kost: „die glocken“ ein werk für soli, chor und orchester, opus 35.
leider war der tenor maxim aksenov seinem part im ersten satz vom volumen her nicht ganz gewachsen, obwohl chefdirigent james gaffigan das orchester und auch den wunderbaren lettischen staatschor sichtlich zurückhielt, es also nicht am volumen der andern ca. 150 protagonisten lag. all dies färbte, so schien mir, auch etwas auf die sopranistin elena tsallagova ab, deren einsatz im zweiten satz erfolgen sollte. (sie bewegte sich sichtlich nervös auf der bühne und warf dem agierenden aksenov mehrmals verstohlene, aber durchaus ängstlich angespannte blicke zu). alle bedenken verflogen sofort, als die solistin die ersten töne „glockenklar“, im wahrsten sinne des wortes interpretierte, ist doch der satz als: „hörst du, zur hochzeit den heiligen ruf“ benannt. elena tsagallova bewegte sich auf dem gleich hohen niveau wie die andern beteiligten. es folgte der dritte zügig dargebotene satz, der ohne solistenstimmen geschrieben ist. der vierte, also der schlusssatz „zu hören ist die totenglocke“ bot dann dem überragenden bass alexei tanovitski mit der düsteren mystik des musikthemas die perfekte basis, sein können zu demonstrieren. der lettische staatschor erfüllte alle positiven erwartungen, die man irgendwie mit allen osteuropäischen chören assoziiert (das slawisch melancholische, manchmal cholerisch kraftvoll aufbrausende, voluminös weite und breite, die optimal geschulten stimmen). trotzdem wären solch eindrückliche präsentationen ohne einen so hervorragenden klangkörper, wie es das luzerner sinfonieorchester darstellt, gar nicht machbar. das, meiner meinung nach, vernachlässigbare risiko eines ausschliesslich mit werken rachmaninoffs dargebotenen konzerts, hat sich mehr als gelohnt, was auch die zahlreich erschienenen zuhörer mit grossen enthusiastischen applauswellen zu würdigen wussten und auch gerne taten.
text: www.leonardwuest.ch
fotos: www.sinfonieorchester.ch und wikipedia