Besetzung und Programm:
George Gershwin (1898 – 1937)
Auszüge aus der Filmmusik «Shall We Dance»
«Wintergreen for President» aus dem Musical «Of Thee I Sing»
2 Songs aus der Oper «Porgy and Bess»
«Concerto in F» für Klavier und Orchester
5 Songs für Singstimme und Klavier
«An American in Paris»
Rezension:
George Gershwin war von sehr vielen Musikstilen angetan und inspiriert, von der Klassik, vom Jazz, der amerikanischen Unterhaltungsmusik am Broadway, Blues, Ragtime usw. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, war er der erste Komponist, der eine Art völlig neuer „amerikanischer Musik“ schuf, unverwechselbar eigenständig und total neuartig mit seinen schrägen Rhythmen, Beats und mit der modernen Instrumentierung. Sie beeinflusste und beeinflusst bis heute die nachfolgenden amerikanischen Komponisten, von Leonard Bernstein, über Nat King Cole, Elliott Carter, Philip Glass bis hin zu John Adams.
Viele träumen immer noch vom „American way of life“, das Publikum im praktisch ausverkauften Konzertsaal des KKL erlebte einen grossartigen „American way of Music“, waren doch die Schlüsselpositionen des Konzertes alle von amerikanischen Protagonisten besetzt. Es waren dies als Sopranistin Angel Blue (*1984), Solopianist Nicholas Angelich, James Gaffigan am Dirigentenpult und gespielt wurden ausschliesslich Werke von George Gershwin. Ungewohnt das Outfit der Musiker des Sinfonieorchesters, gekleidet im weissen Smoking, mit schwarzer Fliege, nicht individuell, wie gewohnt. Ebenfalls selten, dass auch Saxophonisten zum Orchester gehörten. Mit Auszügen aus der Filmmusik «Shall We Dance» und mit «Wintergreen For President» aus dem Musical «Of Thee I Sing» eröffnete Dirigent James Gaffigan den bunten Melodienreigen, bereits in Gesellschaft der Sopranistin Angel Blue ( gekleidet mit weissem, langen Jupe und Rot – goldglitzerndem Top, sie ist u.a. Gewinnerin der Metropolitan Opera National Council Auditions sowie Preisträgerin des Operalia-Gesangswettbewerbs 2009).
Erster Höhepunkt, der Auftritt von Sopranistin Angel Blue
Sie setzte mit «Beginner’s Luck» eine erste, starke Duftmarke mit ihrem ungewöhnlich timbrierten Sopran und der unmittelbaren Kontaktaufnahme mit dem Auditorium. Mit den beiden folgenden Songs aus der Gershwin – Oper „Porgy and Bess“ toppte sie ihren ersten Auftritt gar noch. Das wohl bekannteste Lied von Gershwin überhaupt ist „Summertime“ und für dieses hatte Angel Blue die genau richtige „schwarze“ Stimme, ohne kratzbürstig zu werden, für das wehklagende „My man`s gone now“ exakt die richtige Portion schmerzhafter, tiefer Traurigkeit.
Fulminanter Abschluss des ersten Konzertteils
Dann war die Zeit gekommen, um den Konzertflügel an seinen Platz zu rollen damit Solopianist Nicholas Angelich (*1970) sich bereit machen konnte für das nun folgende «Concerto in F» für Klavier und Orchester. Angelich erhielt u.a. für seine Aufnahme der Klaviertrios von Brahms mit den Brüdern Capuçon für Virgin Classics den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Das, im Jahre 1925 entstandene und in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführte Werk beginnt mit einigen von der Pauke initiierten Jazzklängen. Die Klarinetten stellen anschließend das erste Thema des Satzes vor. Das Klavier beginnt unter Trommelwirbel mit einem Soloeinstieg, in dem es das Thema neu artikuliert und weiterführt. Nach der ausgedehnten Verarbeitung wird das zweite Thema im Orchester vorgestellt. Es ist ein schnelles, jazziges und sprunghaftes Thema, das zu einer großen Beschleunigung des musikalischen Verlaufs führt. Da das Schlagwerk des Orchesters mit sechs Musikern und zusätzlich einem Schlagzeuger sehr stark besetzt, auch dementsprechend voluminös war, versank das Piano manchmal fast im Gesamtklang, dafür brillierte Angelich in den gemässigteren, getragenen Sequenzen umso mehr. Dies sollte sich leider, im zweiten Konzertteil, beim das Konzert abschliessenden „An American in Paris“, wiederholen.
Wiedersehen mit Angel Blue im zweiten Konzertteil
Vergleichsweise intim startete das Programm nach der Pause. Die Sopranistin setzte sich auf einen Barhocker neben das Piano, und, ungewöhnlich, bediente sich für die nun fünf folgenden Songs eines Mikrophons. Auch nahm sie sich die Freiheit, nicht alle der im Programm aufgeführten zu singen, was aber den Hörgenuss keineswegs schmälerte. Im Piano Bar Stil harmonierten dabei die Sängerin mit dem begleitenden Pianisten, der, sich zurückhaltend, der famosen Sängerin unterordnete. Wieso sich die Amerikanerin des Mikrophons bediente, blieb wohl allen schleierhaft, verfügt sie doch über mehr als genug Volumen und stimmliche Brillanz, was sie schon mit dem, das Set eröffnenden, „The man I love“ unter Beweis stellte und sowie mit „Oh, Lady Be Good!“ als auch „I`ve got a crush on you“ bestätigte. Die beiden Künstler ernteten für diesen wunderbaren musikalischen Dialog stürmischen Applaus des beeindruckten Auditoriums.
Famoses Finale mit An American in Paris
Zur Hochform aufgelaufen sind die Protagonisten mit der fulminanten Interpretation des wohl, nebst neben der Rhapsody in Blue und der Cuban Overture, bekanntesten Orchesterwerk Gershwins, uraufgeführt 1928 in der Carnegie Hall in New York. Die Geschichte des Amerikaners, der sich in Paris bewegt, da hupen die Hörner wie die Automobilisten an der Place de la Concorde, da prägt das Xylophon ebenso das Leitmotiv, wie die, bei Gershwin immer eine tragende Rolle spielende Klarinette. Die sich auch vehement zu Wort meldende Tuba wird dann wieder durch die Streichersektion abgelöst, die dann wiederum von den Bläsern abgelöst werden, bevor die Oboen das zarte Element in die Komposition einbringen. Dann kommt auch die Querflöte zum jubilieren, der Triangel geht ebenso wenig vergessen wie die sich über das Orchester erhebende Viola. Die wird dann ihrerseits vom Horn abgelöst, bevor das Tutti sich wieder im Leitmotiv zusammen findet, dies alles geleitet von einem engagierten Dirigenten. Manchmal kam sogar wieder das innere Rumpelstilzchen von James Gaffigan zu Vorschein, wenn er auf dem Pult hüpfte und gestikulierte, seine Mitmusiker antrieb und motivierte. Solopianist Angelich profilierte sich durch fein nuancierten Anschlag und fast improvisierende Interpretation, die besonders im langsameren Mittelsatz zum Tragen kam. Er wusste sich aber auch im Finalsatz durch virtuose Fingerfertigkeit und stakkatierende Schlagkraft zu behaupten. Im sich stetig steigernden Finale markierten die Saxophone ihre Präsenz. Das Schlagwerk wurde seinem Namen nochmals gerecht, das gesamte Orchester vereinte sich dann zu einer Akustikorgie, die auf dem Höhepunkt abrupt abreisst, gefolgt von stürmischen langanhaltendem Applaus des begeisterten Auditoriums.
Die Hauptprotagonisten wurden nach ihrem Abgang vehement auf die Bühne zurück applaudiert, was sich die drei auch strahlend und sichtlich zufrieden gefallen liessen. Daraufhin forderte der Dirigent die einzelnen Sektionen auf, sich kurz zu erheben, um einen Extraapplaus abzuholen, den das Publikum auch reichlich spendete.
Fazit:
Gershwin`s zeitlose Musik ist immer noch topaktuell, das sich neu „Residenzorchester des KKL“ nennende Sinfonieorchester jederzeit auf der Höhe der Aufgabe, die beiden Solisten exzellent. Und dass alle Künstler sich auch sichtlich wohlfühlten, macht einen besseren Start ins neue Musikjahr kaum vorstellbar.
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: sinfonieorchester.ch/home
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