Luzerner Theater, Maria Stuarda Belcanto-Oper von Gaetano Donizetti. Semikonzertante Aufführung, Première, 14. April 2018, besucht von Léonard Wüst

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Maria Stuarda links, Elisabetta rechts, unten von l.n.r. Anna, Talbot, Leicester, Cecil

Produktionsteam:

Musikalische Leitung: Rolando Garza Rodríguez Szenische Einrichtung: Friederike Schubert Bühne: Vanessa Gerotto Kostüme: Claudio Pohle Licht: Clemens Gorzella Dramaturgie: Caterina Cianfarini Choreinstudierung: Mark Daver

Besetzung:

Marina Viotti (Elisabetta I.) (19.05. / 27.05. / 15.04. / 24.04.) Theresa Kronthaler (Elisabetta I.) (30.05.) Diana Schnürpel (Maria Stuarda) Denzil Delaere (Roberto, Conte di Leicester) Bernt Ola Volungholen (Giorgio Talbot) Jason Cox (Lord Guglielmo Cecil) Sarah Alexandra Hudarew (Anna Kennedy) Chor des LT Luzerner Sinfonieorchester

Rezension:

Der grosse Auftritt der englischen Herrscherin

Zwei Herrscherinnen. Allein in der Macht, vereint im Kampf um Englands Thron. Zwischen Elisabeth I. im folgenden Elisabetta genannt, der amtierenden Königin von England und Maria Stuart, Königin von Schottland, kommt es zur Auseinandersetzung, bei der eines sicher ist: Es kann nur eine Königin geben. In Donizettis Belcanto-Oper brechen sich die Leidenschaften in dramatisch zugespitzten Arien mit vorwärtsdrängenden, perlenden oder messerscharfen Tonkaskaden Bahn.

Der grosse Auftritt der englischen Herrscherin

Maria Stuarda Szenenfoto

Elisabetta erhält per Brief einen Heiratsantrag des französischen Königs, der darin auch gleichzeitig um die Freilassung Maria Stuardas bittet. Obwohl auch ihr Volk um diese Gnade ersucht, windet sich die Herrscherin in Angst um Machtverlust. Zudem ist Leicester, einer ihrer  Günstlinge, fasziniert von der ehemaligen schottischen Königin Maria und schmiedet Pläne, diese zu befreien.

Der semi – konzertanten Aufführungsart angepasstes Bühnenbild

Maria Stuarda Szenenfoto Luzerner Sinfonieorchester

Im hinteren Teil der Bühne, statt wie üblich im Orchestergraben, ist das Orchester platziert, das von Rolando Garza Rodriguez engagiert, manchmal, im Verhältnis zu den Sängerinnen, etwas zu laut, geleitet wird.

Das Bühnenbild, aufgrund der semi – konzertanten Aufführung auf das Wesentliche reduziert, zwei Türme, ähnlich Wachtürmen im Mittelalter, auf dem rechten steht Elisabetta, feuerrothaarig in glänzend goldener Robe, der „Bastard“ aus der Beziehung von Heinrich VIII und Anne Boleyn, wie sie von Maria Stuarda wahrgenommen und später gar bezeichnet wird, auf dem linken Turm der „reinrassige“ Tudorsprössling Maria, schwarzes, zerzaustes Kurzhaar, leuchtend rot gekleidet, seit 18 Jahren an diversen Orten in England inhaftiert, trotzdem unbeugsam, ihren, wie sie meint, berechtigten Ansprung auf den englischen Thron einfordernd.

Gefangen in ihren Turmgefängnissen

Maria Stuarda Szenenfoto, Elisabetta

Die beiden Türme symbolisieren auch die mentalen Gefängnisse  in denen sich die Kontrahentinnen befinden. Gefangen in ihren unterschiedlichen Wahrnehmungen der Situation, blockiert in einer Sackgasse, aus der sie nicht herausfinden. Donizetti spitzt die Eskalation dramatisch zu, die zu einem veritablen verbalen Schlagabtausch eskaliert, eine Konfrontation, die es so gar nie gegeben hat, sind sich die beiden in Wahrheit doch nie persönlich begegnet. Marina Viotti als Elisabetta beherrscht die Szenerie des ersten Aktes, hat der Komponist ihr doch darin die bedeutendste Rolle zugedacht. Die drei männlichen Protagonisten, in normale Anzüge mit Krawatte gekleidet, kommen nicht so oft zum Zuge, für einmal geben die Damen den Ton an. Als Leicester Maria besucht und sie ersucht Elisabetta um Gnade zu bitten und so den Streit zu beenden, folgt diese seiner Bitte, doch die amtierende Herrscherin erweist sich als unerbittlich. Die so gedemütigte Stuarda schlägt verbal zurück, betitelt die Engländerin als abscheulichen Bastard, der den Thron entweiht habe, womit die Ausgangslage wieder den Status Quo erreicht und der schottischen Exkönigin Schicksal besiegelt ist. Während Marina Viotti als Elisabetta ihre Tiraden direkt, auch visuell, an Diana Schnürpel (Maria Stuarda) adressiert, repliziert diese zum Publikum gerichtet, die Attacken also nur indirekt konternd. So ist auch am Luzerner Theater die Engländerin die Böse, während man der Schottin wohlwollender gegenüber steht.

Stiefmütterlich behandelte Männerfiguren bei Donizetti

Männliche Figuren haben in Donizettis „Maria Stuarda“ nicht viel zu sagen, respektive zu singen. Auch, weil die zweite Hälfte des Duetts Marias mit Leicester und der zweite Teil des Duetts mit Talbot weggestrichen wurden. Wenn sie aber mal dazu kommen, ergänzen sie die zwei alles dominierenden Frauenfiguren auf den Türmen sehr gut. Jason Cox als Cecil, wie auch Bernt Ola Volungholen als Talbot halten die hohe gesangliche Qualität der Damen, Tenor Denzil Delaere als Conte di Leicester, intoniert etwas zu wenig akzentuiert, kaum ein Piano, wenn, dann mit hörbar Mühe. Sehr gut auch der Chor ebenso die aufmerksame Anna, Sarah Alexandra Hudarew, als Amme und Vertraute Marias.

Des Dramas zweiter Akt

Maria Stuarda Szenenfoto, Maria

Nachdem Elisabetta auf Drängen ihres Beraters Cecil das von einer Kommission Adliger vor drei Monaten gefällte Todesurteil für Maria unterzeichnet hat, nimmt sie die rote Perücke vom Kopf und schält sich aus ihrer engen Korsage wie aus einem Kokon (Kostüm: Claudio Pohle) scheint sich aber nicht sicher zu sein, ob sie richtig gehandelt hat, wie ein fragender Blick Richtung der Stuarda andeutet. Sie verpflichtet  Leicester noch, bei der Exekution, in Form der Enthauptung, anwesend zu sein, die am folgenden Tag nach dem dritten Böllerschuss erfolgen soll. Dieser hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass, falls Maria sich einsichtig zeigt und Abbitte leistet, Elisabetta sie doch noch begnadigen würde. Als die Hinrichtung unmittelbar bevor steht, äussert Maria gegenüber Cecil folgende zwei Wünsche: Anna, ihre Vertraute, soll sie zur Richtstätte begleiten. Er, Cecil, soll Elisabetta ausrichten, sie, Maria, bete für  England und seine Herrscherin um Segen, auch hätte sie ihr verziehen und ihr vergossenes Blut werde der englischen Königin Gewissen reinwaschen. Dann sehen sich Maria und Leicester ein letztes Mal. Sie singt ihr Schlussgebet – und plötzlich hält das Orchester inne. Maria verlässt über eine Treppe ihr Gefängnis, den Turm (symbolisch für das Kopfrollen nach dem dritten Böller?).

Eine gesangliche Parforceleistung der zwei Hauptfiguren dieses Dramas, die nicht nur bildlich, ( auf dem Turm), sondern auch stimmlich immer auf der Höhe waren.

Das Premierenpublikum honorierte die Leistung der Protagonisten mit langanhaltendem, starkem Applaus, konnte sich aber nicht zu einer stehenden Ovation entschließen. Zu zwiespältig die Eindrücke, eignet sich doch eine Tragödie weit weniger für eine semi – konzertante Aufführung, als, wie letztes Mal, die quirlige Komödie L’italiana in Algeri».

 

Nachtrag:

Zitat Maria Stuarda: „In my End is my Beginning…“ Dies ist das Sprichwort, das Mary während ihres Gefängnisaufenthaltes in England auf ihr Tuch des Eigentums bestickt hat und das Thema in ihrem Leben ist. Es symbolisiert die Ewigkeit des Lebens nach dem Tod und Maria ließ sich wahrscheinlich von dem von ihr angenommenen Emblem inspirieren.

 

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Hoehn:

fotogalerien.wordpress.com/2018/04/18/luzerner-theater-maria-stuarda-belcanto-oper-von-gaetano-donizetti-semikonzertante-auffuehrung-premiere-14-april-2018-besucht-von-leonard-wuest/

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.luzernertheater.ch

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