Produktionsteam Musikalische Leitung: Clemens Heil Inszenierung und Bühne: Herbert Fritsch Mitarbeit Bühne: Marco Brehme Kostüme: Victoria Behr Licht: David Hedinger-Wohnlich Choreinstudierung: Mark Daver Dramaturgie: Rebekka Meyer
Besetzung
Heather Engebretson (Salome) Hubert Wild (Herodes) Solenn Lavanant Linke (Herodias) Jason Cox (Jochanaan) Opernensemble Herrenchor des LT Luzerner Sinfonieorchester
Rezension:
Pech ist, wenn deine Hauptdarstellerin sich ein paar Tage vor der Premiere einen so starken viralen Infekt einfängt, dass sie nicht singen kann, Glück, dass sie zum Agieren noch in der Lage ist. Also hast Du die Schauspielerin auf der Bühne, jetzt brauchst Du noch eine gute Stimme, die die Rolle auch perfekt intus hat. Doppeltes Glück, wenn Du dann tatsächlich jemand findest, wie dies bei der Luzerner „Salome Premiere“ der Fall war. Sera Gösch hat die Rolle im Februar und März dieses Jahres im Staatstheater Wiesbaden erfolgreich verkörpert.
Salome nicht als „Femme fatale“
Salome: Jung und schön, wird sie von Hauptmann Narraboth ebenso vergöttert wie von ihrem Stiefvater Herodes, der bereit ist, ihr für nur einen einzigen Tanz jeden Wunsch zu erfüllen. Salome selbst allerdings begehrt nur eines: den Kopf des Propheten Jochanaan. Seinen Mund zu küssen, ist alles, was sie will. Egal, ob der Kopf dann noch am Körper klebt oder nicht.
Regisseur Herbert Fritsch, verantwortet auch das Bühnenbild, überstülpt Salome aber nicht den Mantel der frühreifen, aggressiven, hormongesteuerten Männerverführerin, sondern inszeniert sie als, ungezogene, verwöhnte Göre, die aufmüpfig, trotzköpfig gewohnt ist, ihren Willen immer durchsetzen. Heather Engebretson, passend unschuldig rosa gekleidet (Kostüme Victoria Behr), gibt diesen Part hinreissend in Mimik und Gestik ein gekonnter Mix aus kindlicher Pöbelei und aufmüpfiger Pubertierender. Eine Klasseleistung, muss ihr Spiel doch absolut synchron zum Gesang der links am Bühnenrand die Rolle der Salome intonierenden Sera Gösch sein. Eine grosse Herausforderung auch für die Musiker des Luzerner Sinfonieorchesters unter der Leitung von Clemens Heil, die souverän gemeistert wird.
«Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan!»
«Salome» ist die Tragödie einer dysfunktionalen Familie zwischen Begehren und Grausamkeit, mit Musik, die schillert wie Seide. Dem von Oscar Wilde 1891 symbolistisch verdichteten Stoff der biblischen Geschichte vom irrsinnigen Herodes, der lüsternen Herodias, der verwöhnten Prinzessin Salome und dem asketischen Propheten Johannes, der Jesus getauft hat, ist schwer beizukommen, ohne sich nur auf einen erotischen angehauchten Tanz und ein abgetrenntes Haupt zu konzentrieren. Ganz kopflos geht auch nicht, also den Kopf grad richtig in den Mittelpunkt platzieren. Da Fritschs Bühnenbild nicht üppig schwül orientalisch daherkommt, sondern recht spartanisch, als blauer Raum mit zwei grossen goldenen Herrscherthronen die von einem gigantischen Vollmond beschienen werden, ist der, aus dem Boden herausragende Kopf des Jochanaan, ganz natürlich Mittelpunkt des anfänglichen Geschehens, bei dem zuerst zwei, zur Bewachung des Gefangenen Propheten abgeordnete Soldaten, die Bühne auf und ablaufen, worauf kurz darauf der in Salome vernarrte Hauptmann Narraboth auftaucht und die Musik einsetzt mit einem hochzüngelnden Klarinettenlauf. Zwischen Moll und Dur changiert das, vor allem aber im Tritonusabstand der Tonarten. Gemalt wird eigentlich nur das Aufziehen des Vorhangs, und doch steckt in dieser Klangzelle die Architektur des ganzen Einakters – bis hin zu jenem gleißenden Cis-Dur, in dem Salomes Liebesduett mit einer Leiche gipfelt.
Zum Geschehen am Palast des Herodes Antipas, des Tetrarchs von Judäa
Der junge Hauptmann Narraboth beobachtet Salome, die einem Festgelage im Inneren des Palastes beiwohnt. Besorgt warnt ihn ein junger Page davor, die Prinzessin so anzusehen, da sonst Schreckliches geschehen könne. Johannes der Täufer (in der Oper „Jochanaan“), der von Herodes in einer Zisterne gefangen gehalten wird, da er die Ehe von Herodes und Herodias anprangerte, ruft aus der Tiefe immer wieder Prophezeiungen nach oben. Salome stürzt ins Freie. Sie kann die lüsternen Blicke ihres Stiefvaters und das Benehmen seiner Gäste nicht mehr ertragen.
Narraboth öffnet widerwillig die sprichwörtliche Büchse der Pandora
Als erneut Jochanaans Verwünschungen an die Oberfläche dringen, wird Salome neugierig und kann mittels ihrer Verführungskünste bei Narraboth erwirken, dass dieser entgegen Herodes’ Verbot die Zisterne öffnen und den Propheten herauskommen lässt. Herauf kommt, mit einem um die Hüften gewundenen Leinentuch, Jachanaan (Jason Cox) und singt den Mann Gottes mit seinem kraftvollen Bariton und damit auch einer Glaubensgewalt, die so gar nichts frömmisch Zurückhaltendes hat, sondern die extreme Überzeugung des Eiferers verströmt.
Der „heilige“ Mann fasziniert die junge Prinzessin
Salome ist fasziniert von dem jungen Propheten, der gegen Herodes und seine Frau wettert. Als sie sich ihm zu erkennen gibt, weist er ihre Annäherungsversuche jedoch scharf zurück und ermahnt sie, nach „des Menschen Sohn“ zu suchen, damit er ihr ihre Sünden vergebe, und hört bereits die „Flügel des Todesengels“ im Palast rauschen. Doch die junge Prinzessin hat nur Augen für Jochanaan; Narraboth ersticht sich, als er Salomes immer heftiger werdende Schwärmerei mitbekommt. Als sie sich weiterhin uneinsichtig zeigt, verflucht Jochanaan sie und kehrt wieder in die Zisterne zurück.
Herodes (Hubert Wild als schleimig-geiler, tuntenhafter Lüstling) betritt mit seiner Festgesellschaft die Szene, da Salome nicht wieder zurückkam. Mit dabei auch Solenn‘ Lavanant-Linke, die als Herodias mit ihrem einschneidenden Mezzosopran und royalem Auftreten punktet. Spontan entscheidet sich der Tetrarch, das Fest auf der Terrasse fortzusetzen. Er entdeckt Narraboths Leichnam, als er auf dessen Blut ausrutscht, und lässt ihn fortschaffen. Kurz darauf hört er in der Luft ein seltsames Rauschen, wie von „mächtigen Flügeln“. Er bietet Salome Wein, Früchte und den Platz ihrer Mutter an, doch sie lehnt ab. Jochanaan ruft wilde Verwünschungen aus seinem Gefängnis, die Herodias auf sich bezieht. Sie fordert, den Propheten den Juden auszuliefern, die seit Monaten nach ihm schreien. Nach einem heftigen religiösen Streit der fünf Juden und weiteren Rufen aus der Zisterne bittet Herodes Salome, für ihn zu tanzen. Auch diese Bitte lehnt sie zunächst ab, willigt aber ein, als der Tetrarch ihr als Belohnung verspricht, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Nachdem sie ihm einen Eid abgenommen hat, tanzt sie den „Tanz der sieben Schleier“. Nachdem sie zu Herodes’ Freude den Tanz vollführt hat, äußert die Prinzessin ihren Wunsch: den Kopf des Jochanaan auf einer Silberschüssel. Herodes versucht sie umzustimmen, da er fürchtet, ein Unheil könne ihn treffen, wenn er einen heiligen Mann hinrichten lässt. An seinen Eid gebunden, muss er schließlich nachgeben und einwilligen. Salome nimmt den Kopf entgegen und steigert sich in einen ekstatischen Liebestaumel, als sie ihn besingt.
Die Juden tanzten um das goldene Kalb, Salome um den Kopf des Propheten
In der Schlussszene nimmt Salome Besitz vom Kopf des Jochanaan. „In wilder Wollust küsst und saugt sie das Blut von den toten Lippen. Ihre ekelhafte Sinnlichkeit verströmt sie in einem taumelnd-berauschten Gesang, alles um sich vergessend. Die Musik türmt sich zu einem dramatischen Höhepunkt auf, der mit einer unorthodoxen Kadenz endet. Abgestoßen von Salomes Verhalten, bekommt Herodes es mit der Angst zu tun, als sich plötzlich der Mond verdunkelt, und möchte in den Palast zurückkehren. In der Dunkelheit hört man Salome, die das abgeschlagene Haupt geküsst hat. Der Mond bricht wieder hervor und beleuchtet die Prinzessin. Da befiehlt Herodes: „Man töte dieses Weib!“ Soldaten stürzen sich auf das Mädchen und begraben sie unter ihren Schilden.Das Auditorium zeigte sich beeindruckt und applaudierte dementsprechend langanhaltend. Dass keine stehende Ovation zustande kam, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass man einer „Doppelten Salome“ zujubelte, deswegen etwas verunsichert war, wem wieviel vom Applaus gehört, der singenden, oder der schauspielernden Prinzessin. Anyway, das Ensemble auf der Bühne wusste ebenso zu überzeigen, wie die weniger sichtbaren im Orchestergraben. Eigentlich müsste man nochmals hingehen, wenn Heather Engebretson wieder genesen ist, und eine „ganze“ Salome geben kann.
Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Hoehn:
fotogalerien.wordpress.com/2019/12/17/luzerner-theater-salome-von-richard-strauss-nach-oscar-wild/
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: luzernertheater.ch
Fotos: Ingo Hoehn Luzerner Theater