Produktionsteam «Twenty Eight Thousand Waves»
Choreographie, Bühne, Kostüme und Licht: Cayetano Soto
Einstudierung und Proben: Mikiko Arai
Mit: Janne Boere, Zach Enquist, Giovanni Insaudo, Carlos Kerr Jr., Valeria Marangelli, Aurélie Robichon, Sandra Salietti Aguilera, Louis Steinmetz, Andrea Thomspon, Tom van de Ven
Produktionsteam «Sortijas»
Choreographie, Bühne, Kostüme und Licht: Cayetano Soto
Einstudierung und Proben: Mikiko Arai
Mit: Aurélie Robichon und Tom van de Ven / Sandra Salietti Aguilera, Zach Enquist / Valeria Marangelli, Carlos Kerr Jr.
Choreographie und Bühne: Georg Reischl
Kostüme: Min Li
Licht: Clemens Gorzella
Dramaturgie: Selina Beghetto
Mit: Zach Enquist, Giovanni Insaudo, Valeria Marangelli, Aurélie Robichon, Sandra Salietti Aguilera, Tom van de Ven
Rezension:
Kathleen Mc Nurney ist seit 10 Jahren die künstlerische Leiterin der Kompanie «Tanz Luzerner Theater». Für dieses Jubiläum hat sie sich und ihrem Publikum ein wunderbares Geschenk gemacht: Ein «Triple Bill»-Abend bereits zu Saisonbeginn d.h. der Abend mit den drei verschiedenen Choreografien, welcher gewöhnlich die Saison beendet, eröffnet diese nun.
Wellen der Einsamkeit
«Twenty Eight Thousand Waves» ist der Titel des ersten Stücks des katalanischen Choreografen Cayetano Soto. Ballettfans erinnern sich bestimmt an sein fulminantes «Malasombra» aus Tanz 18! In «Twenty Eight Thousand Waves» geht es um Einsamkeit, darum, dass eine Türe zugeht, der Mensch allein zurückbleibt, dann aber wieder eine Türe aufgehen kann. Für die Einsamkeit wählt Soto eine Bohrinsel mitten im Ozean, der Macht der Wellen ausgeliefert. Im ersten Bild hängen die Scheinwerfer so tief, dass es scheint, als stünde das Wasser den Tänzerinnen in ihren nassen Blusen bis zum Hals, als würden sie fast erdrückt von der Situation. Auch wenn die Scheinwerferschienen später hochgezogen werden, im ersten Teil bleiben sie tief und grenzen den Raum ein, in welchem die 10 Tänzerinnen und Tänzer in einer Art Verzweiflung interagieren, sich finden und verlieren, sich begegnen und doch irgendwie gegenseitig völlig unbeteiligt scheinen. Sie kämpfen mit sich selbst, raffinierte Lichteffekte unterstreichen das Bedrückende der Situation, spielen mit den Körpern. Dann verändert sich das Bild, die Scheinwerfer jetzt angeordnet in Lichtvierecken hoch oben, die Tänzer tragen Faltenröcke, die Tänzerinnen haben ihre nassen Blusen ausgezogen, die Stimmung scheint weniger angespannt, die Interaktionen intensiver. Es folgen rasante, fast atemlose Bewegungsabläufe, wieder unterstreicht und betont das Licht. Cayetano – und mit ihm das Luzerner Ensemble – bescheren dem Publikum zwanzig Minuten voller unglaublicher Energie, temporeich fast bis ans Limit. Trotzdem bleiben die Bewegungen präzise, gleitend, stark und gleichzeitig leichtfüssig. Nur die schweissnassen Oberkörper der Tänzer zeugen beim tosenden Schlussapplaus davon, wie viel ihnen abverlangt worden ist.
Schmuckstück im wahrsten Sinn des Wortes
Caytano Soto zeichnet auch für das zweite Stück «Sortijas» (altes spanisches Wort für «Ring»). An diesem Abend tanzen Aurelie Robichon und Tom van de Ven diesen berauschenden Pas-de-Deux, fünf berückend schöne Minuten voller Intensität zur melancholischen Stimme von Lhasa da Sela. Die Bühne ist teilweise in grauen Nebel gehüllt, ab und an verschwinden die Körper kurz in totaler Dunkelheit um dann wieder aufzutauchen, oft nur schemenhaft. Tänzerin und Tänzer tragen lediglich schwarze Hosen, nichts lenkt ab von der bewegenden Tanzsprache. Es ist ein Miteinander, ein Gegeneinander, als versuchten die beiden, sich gegenseitig etwas zu erklären. Manchmal gelingt es, dann spricht wieder jeder für sich. Trotzdem bleibt eine Harmonie, als könnten sie nicht ohne einander. Man erkenne Situationen aus dem eigenen Leben, hatte die Dramaturgin Selina Beghetto in ihrer wieder sehr engagierten Einführung erzählt – die erkannte man durchaus, schön wäre es, man könnte sie jeweils ebenso poetisch darstellen! «Sortijas», ein magischer Moment, ein wundervolles Geschenk für die Schmuckschatulle.
Die verrückt-farbige Welt des David Bowie
«Let’s Bowie» heisst das dritte Stück des Abends des Choreografen Georg Reischl und Bowie ist auch Programm: Ein riesiger goldener Vorhang im Hintergrund, der die Tänzerinnen und Tänzer anfänglich sehr klein erscheinen lässt, ein goldener Boden und die verrückt farbigen, herrlich verspielten Kostüme des Modedesigners Min Li. Faszinierend wie sich Tänzerinnen und Tänzer einzeln, zu zweit oder gemeinsam zu Bowies Songs verbiegen, denn bewegen lässt sich das kaum mehr nennen. Es ist eine Art spastische Lockerheit, wenn es diese denn überhaupt gibt: verdrehte Füsse, wild schlenkernde Arme und Beine, eine Verrücktheit in der Bewegung, die sich um nichts schert und sich bis in die Gesichter wiederspiegelt. Die Tänzer erinnern an Marionetten, welchen man die Fäden durchgeschnitten hat und die ausprobieren, was möglich ist und selbst kaum glauben können, wozu ein Körper fähig ist, ein Körper, dem man volle Freiheit gewährt. Auch schon mal tanzen sie mit und gegen ihre eigenen Schatten auf dem goldenen Vorhang; witzig, denn je nach Perspektive führen diese Schatten nicht dieselbe Figur aus. Dazu der Beat von Bowies Songs, man ertappt sich beim Füsse wippen, Szenenapplaus kommt auf und das Ensemble scheint genau so viel Spass zu haben wie das Publikum.
Ein wahrer Begeisterungssturm brach aus, langer Applaus, glückliche Gesichter auf der Bühne und ihm Saal – gibt es ein schöneres Geschenk zu einem Jubiläum?
Kleine Fotodiashow der Produktion von Gregory batardon:
Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: luzernertheater.ch