Produktionsteam
Inszenierung und Bühne: Thomas Schulte-Michels Kostüme: Tanja Liebermann Licht: David Hedinger-Wohnlich Dramaturgie: Friederike Schubert
Besetzung:
JEDERMANN
Matthias Schoch
TEUFEL / GUTER GESELL / MAMMON
Aaron Hitz
TOD
Christian Baus
STIMME GOTTES
Max Christian Graeff
JEDERMANNS MUTTER
Giulietta Odermatt
ANSAGER / SCHULDKNECHT
Adrian Furrer
EINE FRAU
Alina Vimbai Strähler
BUHLSCHAFT
Miriam Joya Strübel
DICKER VETTER
Jakob Leo Stark
DÜNNER VETTER
Michel Kopmann
Wiebke KayserGLAUBE
Sofia Elena BorsaniDER KOCH
Alfons LinerDER VERWALTER
Adalbert SpichtigDER HAUSBURSCH
Bernhard Kesseli
BUHLSCHAFTS GEFOLGE
Mascia Altermatt, Sabrina Althaus, Samantha Aquilino, Sofia Elena Borsani, Antonia Bucher Nadja Fanger, Tina Frank, Nesi Haxhimurati, Wiebke Kayser, Nadia Odermatt, Laura Rutz, Anna Rebecca Sehls, Isabelle Siegenthaler, Helena Steffen, Alina Vimbai StrählerNONNEN
Marlies Giger, Lena Krütli, Alma Lichtsteiner, Mariella Pfyffer, Rahel Wüest, Soley ToblerFESTGÄSTE
Mascia Altermatt, Sabrina Althaus, Melchior Amgarten, Samantha Aquilino, Timo Balzli, Agnes Barth, Josef Blättler, Josef Bühler, Ursula Brunner, Antonia Bucher, Susanna Burger, Nadja Fanger, Marlies Giger, Nesi Haxhimurati, Philip Hecht, Lia Aurelia Kraft, Lena Krütli, Alma Lichtsteiner, Stefan Murmann, Nadia Odermatt, Mariella Pfyffer, Laura Rutz, Liselotte Schleiss, Isabelle Siegenthaler, Verena Stämpfli Meier, Helena Steffen, Soley Tobler, Franz Tschümperlin, Hans Woodtli, Rahel Wüest
Rezension:
Ein Frontalangriff auf Salzburg und seinen seit 1920 jährlich aufgeführten Jedermann? Jesuiten – statt Domplatz?
Grundsätzliches zum „Jedermann“:
Nach dem Vorbild spätmittelalterlicher Mysterienspiele treten im „Jedermann“ Gott, der Tod, der Teufel und andere abstrakte Wesen auf und jagen den Zuschauern gruselig-wohlige Schauer über den Rücken.
Der wohlhabende Jedermann sieht sich mit dem unerwarteten Tod konfrontiert, der ihn vor seinen Schöpfer führen will. Weder sein treuer Knecht noch seine Freunde noch sein Geld wollen ihn ins Grab begleiten; erst der Auftritt seiner Werke und des Glaubens bringen ihn dazu, sich zur Christenheit zu bekennen und als reuiger Bekehrter ins Grab zu steigen.
Start in die erste Jedermann Saison
Der gutgelaunte Intendant des Luzerner Theaters, Benedikt von Peter persönlich, begrüsste das Premierenpublikum bei allerbesten äusseren Bedingungen auf dem Platz vor der Jesuitenkirche. Ebenso richtete der kantonal luzernische Kulturminister, Regierungsrat Reto Wyss einige Worte an die Besucher, die es sich auf der eigens erstellten Tribüne über der Reuss so gut als möglich bequem gemacht hatten.
Auftakt im Stile einer „Commedia dell`arte“.
Zum Auftakt bevölkern viele Gaukler, darunter zwei Jongleure, drei Einradfahrer und ein Feuerspucker, die Szenerie, im Stil einer „Commedia dell`arte“. Dazu passend, erklangen Drehorgelähnliche Orgelklänge (Musik Christov Rolla). dann hält einer der Akteure eine Ansprache an die, inzwischen ebenfalls die Bühne bevölkernde andere Jedermann Entourage. (Die Hauptdarsteller agieren mit Kopf Mikrophonen). Dazu wird lautstark gesungen: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Dem Herrn im Himmel scheint das bunte Treiben der Jedermann Truppe zu missfallen und so meldet er sich denn auch mit lauter Stimme um dem Spass Einhalt zu gebieten.
Ebenso hat der Tod seinen ersten kurzen Auftritt versinnbildlicht, indem sich darauf alle Akteure des Geschehens eine Totenmaske überstülpen und verstummen. Dann entert der rotgewandete Macho Jedermann (Matthias Schoch) im Gareth Bale Look mir Rossschwänzchen, die Szenerie und ordnet an, alles für ein üppiges Festmahl herzurichten, das er zu geben gedenke.
Der laute Ruf Gottes schallt über das Gelände
Nun schallt es aber laut über den Jesuitenplatz das JEEEEDERMAAAAANN, JEEEEDERMAAAAANN, JEEEEDERMAAAAANN.
Noch aber scheint sich der so aufgerufene nicht im Klaren zu sein, was das bedeuten soll. Das versucht ihm dann der auf die Bühne zurückgekehrte Tod (Christian Baus) zu erläutern, indem er ihn auffordert, mit ihm in das Jenseits zu reiten, da sein irdisches Dasein sofort, aufgrund des liederlichen Lebenswandels, beendet werde. So langsam, aber sicher dämmert es dem Lebemann und Tunichtgut, dass die Sache ernst ist und er sucht Beistand bei Weggefährten und Gefolgsleuten. Diese aber, ihm sonst treu ergeben, wenn es lustig zu und hergeht, verweigern ihm die Gefolgschaft in den Tod, wenden sich jetzt gar von ihm ab. Erst als Jedermann merkt, dass er diesen Weg wohl allein beschreiten muss, wird er sich der ganzen Tragweite voll bewusst und ersucht beim Tod um Aufschub, zuerst ein paar Tage, wird abgelehnt, ein Tag, ebenso verweigert, dann, ebenfalls nicht gewährt ein paar Stunden, schlussendlich um 60 Minuten. Diese erhält er, um seinen Nachlass einigermassen zu ordnen und vor allem, um Abbitte zu leisten. Zu dem Chorgesang „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ räumen der Tod und Jedermann vorerst die Bühne.
Der grosse Auftritt der Buhlschaft
Aus der Jesuitenkirche auf die Bühne schreiten dann die Buhlschaft (Miriam Joya Strübel) mit Gefolge unter Intonation des Whitney Houston Megahits „I always love you“ als die recycelten „Göttinnen des Pop“. Jedermanns Geliebte zieht alle Register ihrer Verführungskunst um ihren Lover zu becircen, ihn noch mehr in ihren Bann zu schlagen und ihre Errungenschaften zu verteidigen.
Das grosse Fressen findet doch noch statt
Die Szenerie beherrschen jetzt wieder die Vasallen, die Fans und die Entourage von Jedermann, die sich über die üppig hergerichtete Tafel her machen. Die engsten Freunde des Jedermann, weibliche und männliche geben dann noch Statements ab, u.a. die beiden Vettern und der Gute Gesell. Der „Schuldknecht“(Adrian Furrer) gibt noch einen Abriss darüber, was er unter dem Drangsal des Jedermann und dessen Willfährigkeit alles erdulden musste, weshalb dieser den Tod mehr als verdient hätte.
Später gabs noch den Abgesang für ihren Gönner und Gastgeber in Form des Chorals „Ich hatt einen Kameraden“.
Parallel dazu hatte Jedermanns Mutter (Giulietta Odermatt), mit den ihr ergebenen Nonnen im Schlepptau, noch vergeblich versucht, ihren Sohn wieder in den Schoss von Mutter Kirche zurück zu holen.
Jedermann muss erkennen, dass der Tod einsam macht
Der Geschockte will immerhin noch sein Vermögen mit ins Jenseits nehmen, aber der aus seiner Geldtruhe entstiegene, aufgeplusterte Mammon erklärt sich auch nicht bereit, mit ihm zu gehen, da er ihm, Jedermann, nur geliehen war und jetzt dem nächsten dienen müsse. Nun ist Jedermann völlig einsam und der Verzweiflung nahe. Da hört er aus dem Hintergrund eine leise Stimme, die seinen Namen ruft. Als er sich umdreht, sieht er eine gebrechliche Frau, die ihm sagt, dass sie seine „guten Taten“ (Werke, Wiebke Kayser) sei und ihn gern ins Jenseits begleiten will. Sie ist aber zu schwach, da er sie immer so vernachlässigt hat. Sie ist aber bereit, ihre Schwester, den Glauben (Sofia Elena Borsani) darum zu bitten. Der Glaube weist Jedermann nun auf die unendliche Liebe Gottes hin und rät ihm, den Herrn um Gnade zu bitten. Jedermann ergreift die letzte Hoffnung auf Rettung und versucht nach Jahren der Ungläubigkeit, wieder zu Gott zu finden, wobei ihm ein Mönch hilft.
Inzwischen kommt der Teufel, um die schuldbeladene Seele Jedermanns, derer er sich ganz sicher ist, zu holen und mit ihr zur Hölle zu fahren, doch er muss zu seinem Verdruss sehen, dass sie ihm durch die Gnade Gottes entrissen wurde. Wenig später kehrt Jedermann völlig gereinigt zurück und kann nun mit ruhigem Gewissen in Begleitung des Glaubens und der guten Werke vor Gottes Richterstuhl treten.
Fazit des Abends auf dem Jesuitenplatz
Dank sehr guten Leistungen des Ensembles, ob Profis oder Laien, des stimmungsvollen Bühnenbildes, der passenden Musik und entsprechenden Kostümen ist der Jedermann an der Reuss ein weiteres starkes Ausrufezeichen des neuen Intendanten und ein erneuter, sehr grosser Schritt in die Zukunft und die von ihm angestrebte weitere Öffnung und näher zum Volk Doktrin.
Als „Primus inter Pares“ besonders erwähnenswert die Parforceleistung von Aaron Hitz in allen seinen drei Rollen, ob als guter Gesell, Mammon oder Teufel.
Effizientes, dennoch wirkungsvolles Bühnenbild
Eine Open Air Bühne, die äusserst effizient hergerichtet war u.a. mit einigen nebeneinander platzierten Infanterie-Wagen, die mit abklappbaren Treppen bestückt waren, sodass daraus eine temporäre Bühne gemacht werden konnte, oder, bei Bedarf, hochgeklappt und mit weissen Tischtüchern belegt, eine festliche Tafel für des Jedermann Gäste und Saufkumpane hergerichtet wurde. Leider ist der Jesuitenplatz etwas zu klein, um optisch das Maximum zu erzielen, verfügt halt nicht über die ideale Grösse, hat zu wenig Tiefe um ein Totalpanorama zu sehen von der Zuschauertribüne aus. Man sitzt zu nah, praktisch vis a vis der Kirche, kann so deren räumliche Dimensionen visuell gar nicht erfassen.
Wird der Luzerner Jedermann zu einer Institution wie in Salzburg?
Wenn ja, werden sich Schauspieler/innen in Zukunft auch darum buhlen, in Luzern als Jedermann, Tod oder Buhlschaft auf der Bühne zu stehen? Eine Ehre, die in Salzburg nur den allerbesten und berühmtesten Bühnenschauspielern zuteil wird.
Des Teufels letzte Worte, nachdem er den Jedermann nicht bekommen hat: Die Welt ist dumm, gemein und schlecht Und geht Gewalt allzeit vor Recht, Ist einer redlich, treu und klug, Ihn meistern Arglist und Betrug.
Dieser Luzerner Jedermann ist wohl kaum ein Frontalangriff auf die Bastion Salzburg, scheint eher ein „Ausloten“, was in dieser Richtung alles möglich sein könnte. Ein bisschen zu brav, zu wenig dramatisch aber mit zugefügten, witzigen und auch zeitgemässen Dialogen.
Zur Spielstätte: Der Jesuitenplatz verfügt halt nicht über die ideale Grösse, hat zu wenig Tiefe um ein Totalpanorama zu sehen von der Zuschauertribüne aus. Man sitzt zu nah, praktisch vis a vis der Kirche, kann so deren räumliche Dimensionen visuell gar nicht erfassen.
Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Hoehn:
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: www.luzernertheater.ch
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