Mahler Chamber Orchestra, Leitung Daniele Gatti, KKL Luzern, 23. Januar 2018, besucht von Léonard Wüst

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Mahler Chamber Orchestra

Besetzung und Programm:

Rezension:

Daniele Gatti (Dirigent) Foto Ann Dokter

Am Pult stand mit Daniele Gatti (*1961 in Mailand), seit 2016 Chefdirigent des Royal Concertgebouw-Orchesters Amsterdam, ein grosser der aktuellen Dirigentengilde, der schon im Alter von 27 Jahren an der Mailänder Scala debütiert hatte. Er ist in der Schweiz in guter Erinnerung, war er doch von 2009 bis 2012 Chefdirigent des Zürcher Opernhauses.

Zum Orchester

Das Mahler Chamber Orchestra wurde 1997 von Claudio Abbado und früheren Mitgliedern des Gustav Mahler Jugendorchesters gegründet, gibt pro Jahr etwa 60 bis 70 Konzerte und gilt, laut „Le monde“, als eines der besten Kammerorchester der Welt. Orchester und Dirigent kennen sich bestens, ist doch Daniele Gatti seit dem 27. Mai 2016 Artistic Advisor des Orchesters.

Erster Konzertteil startete mit Schumann Ouvertüre

Mahler Chamber Orchestra und Daniele Gatti 2016 Foto Geoffroy Schied

Robert Schumann tat sich schwer mit seinen Opernplänen, so ist denn „Genoveva“ die einzige Oper von ihm, für die er zwischen April 1847 und August 1848 sowohl die Musik komponierte als auch den Text schrieb. Am 25. Juni 1850 wurde sie im Stadttheater Leipzig unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt. Die Vieraktoper von der standhaften Liebe gehört der deutschen Romantik an. Die sehr negative Kritik in der Presse war wohl ausschlaggebend dafür, dass Schumann keine weiteren Opern mehr schrieb. „Genoveva“ ist auch heute nicht besonders populär, die Ouvertüre daraus wird aber des Öftern konzertant aufgeführt. Da das Libretto auf der tragischen französischen Sage Genoveva von Brabant beruht, eröffnen schwermütig klingende Streicher das Werk. Bald schon mischen sich auch die Bläser, allen voran die Hörner in die Partitur ein. Der italienische Dirigent bestimmt energisch den Takt und treibt das Orchester vorwärts. Der Hauptteil setzt mit einer rasche Triolen fliessenden Cellolinie ein, schraubt sich dann eruptiv in Seufzermotiven in Halbtonschritten hoch, bis die ersten Violinen in einem Sturzflug über zwei Oktaven in den Seitensatz führen, der in Es – Dur, der Paralleltonart von C – Moll geschrieben ist und von den Hörnern klar angezeigt wird, danach von sanften Bläserfiguren geprägt ist, die an das Thema Liebe in der Oper gemahnen. Dann wendet sich der Seitensatz, erneut von den Hornsequenzen angezeigt, in die jubelnde Coda, den Schlussteil. Diese oft kritisierte Wendung zum Ende der Sinfonie von C-Moll des Hauptteils in der Coda zu einem strahlenden, ja hymnischen C-Dur, erinnert an Beethovens 5. Sinfonie (dem „Durch Dunkel zum Licht“).Das Publikum zeigte sich begeistert und mit langanhaltendem, stürmischem Applaus erkenntlich.

Beethovens oft unterschätzte, da atypische, 4. Sinfonie

Mahler Chamber Orchestra und Daniele Gatti 2016 Foto Geoffroy Schied

Im Gegensatz zu den wuchtigen Sinfonien Nr. 3 und Nr. 5 kommt die vierte eher brav daher, war aber zu Lebzeiten des Komponisten, aufgrund ihrer leichten Fasslichkeit beliebter als die andern zwei oben  genannten, neuartigen Sinfonien. Sie erinnert, durch ihre klare Struktur, wie auch die Instrumentierung an Sinfonien von Haydn und Mozart, weist aber auch durch ihre romantische Adagio Einleitung, wunderbar vom Orchester ausgearbeitet, auf Komponisten wie Anton Bruckner und Gustav Mahler voraus. Beethoven kontrapunktiert viel in diesem Werk, beispielsweise Fanfare gegen Melodie (1. Satz), Melodie gegen Marsch (2. Satz), Zweier- gegen Dreierrhythmus (3. Satz), Energie gegen Erstarrung (4. Satz). Und in allen vier Sätzen prallen diese Gegensätze irgendwann musikalisch aufeinander – nur werden die daraus entstehenden Konflikte, anders als in den Werken tragischen Charakters, rasch wieder beigelegt, abgelöst durch Witz und Überraschungseffekte. Dagegen steht merkwürdigerweise  die Adagio-Einleitung zum ersten Satz in düsterem B-Moll. In dieser  intonierten die Streicher und Holzbläser die Melodie wundervoll weich, fast zärtlich. Der Dirigent betonte die Kontraste zwischen Pianissimo und Fortissimo fast überdeutlich, die Tutti gerieten auch mal zu wuchtig.

2. Konzertteil mit der „Rheinischen Sinfonie“ von Schumann

Mahler Chamber Orchestra und Daniele Gatti 2016 Foto Geoffroy Schied

Den Namen bekam die Sinfonie, weil Schumann mit seiner Familie in Düsseldorf Wohnsitz nahm, nachdem er dort beim „Allgemeinen Musikverein“ eine Anstellung gefunden hatte. Der majestätisch dahinfliessende Rhein beeindruckte ihn sehr und so fanden viele Eigenschaften des Gewässers Einfluss in, die in Düsseldorf entstandene Komposition Schumanns, beschreibt aber nicht  tonmalerisch den Rhein oder den Kölner Dom, sondern spiegelt damit verbundene Stimmungen wider.

Der erste Satz beginnt unmittelbar mit seinem markanten, schwungvollen Hauptthema im ¾ Takt, das in der Folge im Seitenthema, in G – Moll, also der Paralleltonart, statt der Dominante B – Dur, ein lyrisches Element der Oboe enthält.

Einige fast widersprüchliche Angaben finden sich in diesem Werk. So schreibt der Komponist beim 2. Satz, dem ländlerhaften „Scherzo“ (was gewöhnlich auf ein flottes Tempo hindeutet) „sehr mäßig“ hinzu.

Der kurze 3. Satz steht in As-Dur und hat beschaulichen, kammermusikalischen Charakter. Schumann verzichtet in ihm auf den Einsatz von Schlagwerk und Blechbläsern.

Den 4. Satz, den Schumann ursprünglich mit „Im Charakter der Begleitung einer feierlichen Ceremonie“ überschrieb, intonierten die Protagonisten in diesem Sinne. Einen zusätzlichen klanglichen Akzent schafft Schumann, indem er zum ersten Mal in der ganzen Sinfonie die Posaunen einsetzt, die traditionell mit Kirchenmusik assoziiert werden, was seinerzeit oft als erklärungsbedürftig empfunden wurde.

Etwas übertriebene Lautstärke in den Mittelsätzen

Dirigent Daniele Gatti

Nach den drei langsameren Sätzen ist der Finalsatz wieder schwungvoll und betont heiter. Sein leicht zugänglicher Aufbau und ein Repertoire an eingängigen Melodien stellen zum getragenen vierten Satz zunächst einen plötzlichen Kontrast her, in Durchführung und Coda werden jedoch in Tempo und Charakter angepasste Motive aus dem 4. Satz übernommen.

Der Dirigent übertrieb in den vorherigen Sätzen manchmal etwas mit der Lautstärke, die eigentlich erst im Finalsatz richtig ausgereizt werden sollte. Durch diesen fegte er dann auch mit seinem Orchester, sehr zur Freude des Publikums im gut besetzten Konzertsaal. Der Applaus fiel denn auch dementsprechend aus, inklusive der Sonderapplause für die einzelnen Sektionen, von denen die Bläser besonders gefeiert wurden.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/  

Kleine Fotodiashow des Mahler Chamber Orchestra und Daniele Gatti 2016 Fotos Geoffroy Schied:

fotogalerien.wordpress.com/2018/01/23/mahler-chamber-orchestra-und-daniele-gatti-2016-fotos-geoffroy-schied/

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