Besetzung
adattamento teatrale Flavio Stroppini e Monica De Benedictis regia Flavio Stroppini |con Margherita Saltamacchia e Rocco Schira | scena video Monica De Benedictis | grafica animata Mauro Macella | light design Marzio Picchetti (assistente Pietro Maspero) | musiche originali Andrea Manzoni (eseguite con Matilda Colliard e Martino Pini; mix musiche Valerio Mina) | nebbia in scena a cura di Nephos | sarta di scena Arianna Cortese | allestimento tecnico Alexander Budd | produttore Gianfranco Helbling | produzione Teatro Sociale Bellinzona – Bellinzona Teatro | in coproduzione con Nucleomeccanico.com, 2020
Mit ‘Olocene’ im Teatro Foce Lugano präsentiert der Regisseur Flavio Stroppini Max Frisch’ ‚Der Mensch erscheint im Holozän’. Wie bereits 2021 im Teatro Sociale Bellinzona mit den Videos von Monica De Benedictis, der Graphik von Mauro Macella und dem Light Design von Marzio Picchetti. Es handelt sich um die erste Bühnenfassung dieser Erzählung auf italienisch (Uebersetzung von Bruna Bianchi für den Verlag Einaudi,Torino).
Max Frisch’ gleichnishaftes Werk
‘Der Mensch erscheint im Holozän’ ist ein gleichnishaftes Werk, das Max Frisch als “sein gelungenstes und vollkommenstes“ bezeichnete. Die Erzählung ist mindestens zum Teil biographisch – auch er hatte sich für seinen Lebensabend in ein Tessiner Bergdorf zurückgezogen –, und sehr persönlich sind auch die vom Autor angepackten Themen. Zum Beispiel die Einsamkeit und die unvermeidbaren Gedächtnisprobleme im Alter, sowie Sterblichkeit und Irrilevanz des Menschen.
Ein beunruhigendes Szenario
Nachdem ein Bergrutsch ein kleines Tessiner Dorf von der Umwelt total abgeschnitten hat, und während es draussen in Strömen regnet, versucht Herr Geiser, ein 74jähriger Witwer, der sich nach seiner Pensionierung im Tal niedergelassen hat, ständig aber vergebens eine Pagode aus Crackers zu bauen. Was könnte er sonst noch tun? Sicher frenetisch aber systematisch lesen, um sich dann Notizen zu machen und sein Zuhause mit Passagen aus Lexika oder aus der Bibel zu bekleben. Ihn interessieren besonders Informationen aus Wanderführern, welche Geschichte und Geologie des Tessins betreffen, Einträge zu den verschiedenen Donnerarten – er ist imstande, mehr als sechzehn Arten zu erwähnen – und zu Dinosauriern. Kontakt mit anderen Dorfbewohnern sucht er nicht, er kann nur ein wenig Italienisch, geschweige denn den Dialekt des Tals.
Der Kampf mit der Natur
Im Grunde ist Geisers Leben ein Kampf nicht nur mit der Natur draussen geworden, sondern auch mit seiner eigenen. Ja, die Naturgewalt konfrontiert ihn eben mit seiner eigenen Belanglosigkeit – der Mensch taucht ja erst im Holozän auf. Total auf sich gestellt, im Rausch des Sammelns ganz verloren, versucht er seiner Existenz, mehr, seinem eigenen Dasein einen Sinn zu geben. Sogar als er einmal sein Haus verlässt, um ein Blick ins Tal zu werfen und herumzuwandern bis er Schmerzen in den Beinen verspürt, verbessern sich die konfusen Gedanken und Empfindungen nicht.
Eine doppelte Erosion
Beschrieben wird eine langsame, doppelte Erosion, nicht nur des Berges, sondern auch von Geisers Denkvermögen. Die schleichende Erosion in der Natur wiederholt sich in seiner Persönlichkeit: mit Kraft, wenn auch vergebens, versucht er gegen das Chaos in seinem Garten sowie in seinem Hirn zu kämpfen, alles scheint jedoch zu zerbröckeln. Nur, das Dorf kann wieder aufgebaut werden, nicht aber sein Denkvermögen. Er ist nicht einmal mehr imstande, die Übersicht über all die Notizen zu bewahren; er wird immer vergesslicher, ja die Wetterkatastrophe ist nicht schmerzlicher als sein Gedächtnisverlust.
Die grossartige Leistung der Schauspieler
Während auf der Bühne die verschiedenen kleinen Räume des Hauses zu sehen waren, während die toten Blätter am Boden die unsichtbaren Zettel an den Wänden fast symbolisierten, beeindruckten Rocco Schira in der Rolle des Herrn Geiser und Margherita Saltamacchia als seine Tochter Corinne. Der Schauspieler verkörperte einen noch jugendhaften Geiser, am Anfang eher verhalten, dann immer energischer, zum Bespiel, als er die Tochter fragte, weswegen sie ihn wie ein kleines Kind behandelt; voller Freude, hingegen, als er die zahlreichen Donnerarten auflistete. Die Schauspielerin stellte eine melancholische und resignierte dennoch starke Figur dar, die wie der Chor in einer alten Tragödie wirkte. Man war von Anfang an im Banne der sich kreuzenden Monologe von Vater und Tochter, mal so nahe, mal so distant voneinander. Ja, immer als ob Energie und Melancholie im Kampf gegeneinander wären.
Eine frühere Bühnenfassung in Luzern
Wir erinnern uns übrigens an eine frühere hochemotionale Inszenierung von ‘Der Mensch erscheint im Holozän’, jene von Felix Rothenhäusler am Luzerner Theater in 2017: eine Aufführung, die mit eloquenten Passagen der Zehnten von Mahler endete. In Lugano gaben das Cello von Matilda Colliard und die Gitarre von Martino Pini (Musik von Andrea Manzoni) der Interpretation einen manchmal fast zu scharfen Rhythmus.
Das Luganese Publikum bedankte sich mit einem langen, herzlichen Applaus
Text: https://marinellapolli.ch/
Fotos Marinella Polli und Valerio Casanova :https://www.luganolac.ch/it/lac/home
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