Interpreten und Konzertprogramm
Orchestre de Paris Paavo Järvi (Leitung) Khatia Buniatishvili (Klavier)
Richard Dubugnon
Caprice für Orchester Nr. 2 op. 72, Kompositionsauftrag Orchestre de Paris
Robert Schumann
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54
Dimitri Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 54
Rezension:
Khatia Buniatishvili mit dem Orchestre de Paris unter Paavo Järvi, eine hochspannende Kombination. Die junge, exotisch – erotische Georgierin mit dem elegant ästhetischen Esten am Dirigentenpult eigebettet in ein französisches Orchester, eine denkbar knisternde Ausgangslage für einen denkwürdigen Konzertabend.
Gestartet wurde aber mit dem Auftragswerk des Orchestre de Paris von Richard Dubugnon (CH *1968). Eine Komposition ganz in der französischen Tradition am Klang des Einzelinstruments, genauer an den Kombinationsmöglichkeiten wechselnder Solisten mit dem Gesamtorchester orientiert. Fast barokesk überladen, ohne grössere Überraschungen, eher etwas brav. Formal durchaus überzeugend, aber das Publikum wurde nie richtig „gepackt“.
Eine süffige Komposition, die für das grosse Orchester üppig instrumentiert ist, das Volumen erforscht, aber nicht auslotet. Das Auditorium würdigte die Caprice mit kräftigem Applaus und Paavo Järvi bat den anwesenden Komponisten für eine Sonderakklamation auf die Bühne. Eine Bühne, die gleich darauf für die Solistin des Abends hergerichtet wurde. Nachdem der Konzertflügel platziert und dessen Stimmung durch den ersten Geiger überprüft war, betrat sie die Bühne: Khatia Buniatishvili, in einem feuerroten, leicht transparenten Kleid, das sie mit ihren Rundungen optimal ausfüllte, sich ihrer Wirkung durchaus bewusst. Elegant setzte sie sich hin, „sprach“ sich mittels Blickkontakt mit dem Dirigenten kurz ab und startete dann mit den furiosen Akkordkaskaden in Schumanns Klavierkonzert, nahm sich aber sofort wieder zurück. Weniger extrovertiert, impulsiv, als man sich das von ihr gewohnt ist, nutzte sie das Werk eines ihrer Lieblingskomponisten für eine Liebeserklärung an ihr Instrument, das Piano. Stürmischer, langanhaltender Applaus war die verdiente Anerkennung für diese Berührung der Herzen.
Die Solistin gewährte dann noch eine kleine Improvisation als Zugabe, bevor man sich in die Pause ins Foyer begab.
Schostakowitsch, eine treffliche Werkauswahl für den zweiten Konzertteil
Der Komponist gliedert die sechste nicht, wie üblich, in drei oder vier, seltener fünf Sätze, sondern reduziert auf zwei, fast fliessend ineinander übergreifende Teile. 1939 geschrieben und am 21. November 1939 von den Leningrader Philharmonikern unter Jewgeni Mrawinski uraufgeführt, steht sie einzigartig in der Serie der Sinfonien des russischen Komponisten. Er wollte damit in nachdenklicher und lyrischer Ordnung die Stimmungen von Frühling, Freude und Jugend vermitteln. Weniger düster als seine 7. Sinfonie, die sogenannte Leningrader Sinfonie, ist sie mit ca. 32 Minuten auch nicht mal ganz halb so lang wie selbige, nichtdestotrotz ebenso eindrücklich und imposant, aufwühlend, gar schmerzhaft zuweilen. Schostakowitsch spannt einen elegischen Bogen und baut damit eine fast unerträgliche Spannung auf, die sich im furiosen Finale, dank überragenden Bläsern und pompösem Schlagwerk ins schier unermessliche steigert und in einem wahren orgiastischen Aufschrei abrupt endet. Ein absoluter dramatischer Hochgenuss, den die Pariser unter der souveränen Leitung von Paavo Järvi intonierten, langanhaltend frenetisch gefeiert vom tief beeindruckten Publikum im fast ausverkauften Konzertsaal. Sicher eines der grossartigsten Konzerte der Migros – Kulturprozent- Classics Konzertreihe der Saison 2015/16.
Trailer Schumann: Klavierkonzert ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Khatia Buniatishvili ∙ Paavo Järvi
youtube.com/watch?v=3jbHbDena_U
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/de/Home
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