Nach der Uraufführung der Oper Justice in der letzten Saison hinterfragt der Schweizer Theaterregisseur Milo Rau mit La clemenza di Tito erneut die Komplexität unserer Welt. 2021 war dies seine erste Operninszenierung, die das Grand Théâtre de Genève damals wegen Covid nur als Stream zeigen konnte. Nun ist diese Produktion nach Aufführungen in Antwerpen, Gent und bei den Wiener Festwochen endlich live in Genf zu erleben.
Mozarts zur Kaiserkrönung Leopolds II. komponierte Opera Seria ist eine Darstellung der Ängste des Bürgertums zu Zeiten des Umbruchs im Zuge der Französischen Revolution mit einer Herrscherfigur, die das Volk befrieden und ihr Reich festigen will, im Zentrum. Rau stellt das aufgeklärte Äußere dieses absolutistischen Machtmenschen in Frage, indem er den römischen Kaiser Tito als eine von einer politischen und kulturellen Elite umgebene Künstlerfigur darstellt, die sich in sich selbst zurückzieht, während draußen das Volk eine Tragödie erlebt. „Ich zeige die Elite als Künstler, da diese nicht nur gemeinsam in ihrer Blase leben, sondern sich buchstäblich vom Unglück der anderen ernähren, um eine Kunst zu schaffen, von der sie leben“, so Rau.
Wie schon mehrfach in der Vergangenheit lässt der Regisseur das Volk von Migranten darstellen und schlägt damit eine Brücke zwischen
Fiktion und Realität.
Auch das Bühnenbild von Anton Lukas, das von dem Slogan „Kunst ist Macht“ dominiert wird, präsentiert eine apokalyptische Welt, in der die Grenzen zwischen künstlerischer Erfindung und realem Drama verschwimmen. Ottavia Castellotti ist für die Kostüme verantwortlich, Jürgen Kolb für das Lichtdesign, und Moritz von Dungern fügt mit seinen Videos eine zusätzliche Dimension hinzu. Als Dramaturgen sind Clara Pons vom GTG und Giacomo Bisordi, der regelmäßig mit Milo Rau zusammenarbeitet, tätig.
Nach Die Sache Makropoulos (Saison 20/21) und Katja Kabanowa (Saison 22/23) kehrt der tschechische Dirigent Tomáš Netopil ans Pult des Orchestre de la Suisse Romande zurück. Er begleitet ein Ensemble von Mozart-Spezialisten mit dem Schweizer Tenor Bernard Richter in der Titelrolle und der italienischen Sopranistin Serena Farnocchia als Vitellia. Als Sesto ist mit Maria Kataeva eine der vielversprechendsten Mezzosopranistinnen der jüngeren Generation zu erleben, die bereits beim Rossini Festival in Pesaro oder am Gran Teatre del Liceu in Barcelona auf sich aufmerksam gemacht hat. Daneben singen Yuliia Zasimova die Servila, Giuseppina Bridelli den Annio und Justin Hopkins alternierend mit Mark Kurmanbayev den Publio.
Grand Théâtre de Genève: W. A. Mozart La clemenza di Tito
Premiere: 16. Oktober 2024, 19:30 Uhr
Weitere Vorstellungen: 18./25. Oktober, 20:00 Uhr