In der Natur herrscht ein ständiger Verdrängungskampf. Einheimische Pflanzen haben es zunehmend schwerer, da eingeschleppte Neophyten ihnen den Lebensraum wegnehmen. Goldrute, Riesen-Bärenklau und Sommerflieder lassen sich gerade jetzt einfach bekämpfen.
Auf dem Reussdamm bei Attinghausen geniessen die Velofahrer den Sommer. Sie radeln vergnügt Richtung Erstfeld und schenken den beiden Arbeitern, die unten in der Böschung des Damms stehen, nur einen kurzen Blick. Heiri Estermann und David Schuler von der Forstregiegruppe des Amts für Forst und Jagd sind konzentriert bei der Sache. Die beiden wollen buchstäblich ein Problem bei den Wurzeln packen. Sie halten Ausschau nach der Goldrute, die derzeit auffällig gelb blüht. «Wir müssen die Ausbreitung der Goldrute reduzieren, sonst wächst hier bald keine andere Pflanze mehr», erklärt Heiri Estermann. Die Goldrute ist ein sogenannter Neophyt – die Pflanze wurde in unsere Breitengrade eingeschleppt. Das ist an und für sich nicht schlimm, denn auch Kartoffel oder Tomaten sind Neophyten, die uns nützen. Die Goldrute aber hat eine besonders tückische Eigenschaft. Sie ist invasiv. Das bedeutet, sie wächst schneller als die einheimischen Pflanzen. Die Goldrute breitet sich sehr schnell aus und lässt anderen Gewächsen keine Chance. Darum ist die Bekämpfung der invasiven Neophyten gerade jetzt zur Blütezeit so wichtig. Der Kanton Uri geht mit gutem Beispiel voran und investiert mehrere Arbeitswochen im Jahr in die Bekämpfung.
Von Hand ausreissen
Wie entlang des Reussdamms sollten Goldruten auch in privaten Gärten in ihrer Ausbreitung gehindert werden. Es wird empfohlen, die Blüte vor der Samenreife abzuschneiden oder sie mitsamt der Wurzel auszureissen, damit die einheimischen Arten wieder eine Chance erhalten. Schneidet man die Goldrute über dem Boden ab, kann sie sich unterirdisch weiterverbreiten. Für alle Neophyten gilt: unbedingt im regulären Kehricht entsorgen. Neophyten gehört nicht auf den Kompost, denn dort können sie weiterkeimen.
Gift verbrennt Haut
Nach dem Einsatz am Reussdamm wappnen sich Heiri Estermann und David Schuler für den nächsten Einsatz. Im Flüeler Gruonwald wurde Riesen-Bärenklau gesichtet. Diese Pflanze erinnert äusserlich an Kerbel. Sie kann aber bis zu drei Meter hoch werden und hat fussballgrosse Dolden. Aber Achtung: Bärenklau ist gefährlich und zwar für Mensch und Tier. Bricht man die Pflanze ab, sondert sie einen Saft ab. Zusammen mit der Sonneneinstrahlung entsteht eine chemische Reaktion, die auf der Haut zu schweren Verbrennungen führen kann. Estermann und Schuler tragen daher auch lange Kleider, Schutzbrille und Handschuhe. Bärenklau kommt in Uri nur punktuell vor, allerdings hoch bis ins Urserental. «Es ist wichtig, dass wir die Ausbreitung eindämmen. In anderen Kantonen kommt Bärenklau sogar flächig vor – das wäre eine Gefährdung für die Bevölkerung, die wir vermeiden wollen», sagt Beat Zgraggen vom Amt für Umweltschutz.
Gift fürs Vieh
Auf der anderen Seeseite stehen zur gleichen Tageszeit zwei Arbeiter des Betriebs Kantonsstrassen im Einsatz. Von Hand reissen sie entlang der Bauerstrasse Unmengen Jakobskreuzkraut aus. Der Kampf gegen diese Pflanze ist auch im Interesse der Urner Landwirtschaft. Die gelbe Blume ist giftig fürs Vieh. «Draussen auf der Weide fressen die Tiere um die Pflanze herum», erklären die Arbeiter des Betriebs Kantonsstrassen. Sobald das Jakobskreuzkraut aber versteckt im Heu landet, können die Tiere die Pflanze nicht mehr unterscheiden. Auch getrocknet ist die Pflanze Gift fürs Vieh. Wird das Jakobskreuzkraut nicht bekämpft, kann es sich leicht auf das Urner Wiesland ausbreiten.
Verdrängen der einheimischen Natur
An den Kragen geht es auch dem Sommerflieder. Eingeführt aus China, breitet er sich aus wie eine violett blühende Welle. «Es ist schlimm, wie die sich vermehren», berichten die Mitarbeiter des Betriebs Kantonsstrassen. Gerade jetzt zu dieser Jahreszeit werden die vielen leichten Samen vom Wind grossflächig verteilt. Die unerwünschten Gäste setzen sich fest, entlang von Fluss- und Seeufern, in Waldlichtungen oder in Strassen- und Bahnböschungen. «Man muss jedes Jahr dranbleiben, sonst ist hier bald alles voll vom exotischen Flieder». Flieder lässt sich gut bekämpfen, solange er jung ist. Dann lassen sich die Wurzeln noch mit Kraft aus dem Boden ziehen. Wird der Flieder älter, verholzt er und dann wird man ihn fast nicht mehr los.
Der Flieder schadet der Biodiversität in Uri. Er verdrängt nicht nur einheimische Pflanzen, sondern kann von den Insekten nur begrenzt genutzt werden. Schmetterlinge zum Beispiel finden beim Flieder zwar Nahrung, können ihn aber nicht für ihren Vermehrungszyklus nutzen. Verdrängt der Flieder andere Arten, finden die Schmetterlinge weniger Pflanzen an denen sie ihre Eier ablegen können.
Die Neophyten werden nie mehr ganz verschwinden, weil sie teilweise über beeindruckende Überlebensstrategien verfügen. Wie zum Beispiel der Essigbaum. Wird dieser gefällt, startet er ein Notprogramm und lässt über sein Wurzelsystem zehn oder fünfzehn neue Bäume in der näheren Umgebung spriessen. Das Einzige, das hilft, ist dem Essigbaum langsam den Lebenssaft abzudrehen. Dazu muss die Rinde am Stamm fast ganz abgeschält werden. Nur ein schmaler Streifen Rinde (10-20% des Umfangs) wird stehen gelassen. Mit dieser Methode lässt sich der Essigbaum beseitigen.
Schaden verhindern, jetzt aktiv werden
Das Amt für Umweltschutz koordiniert die Bekämpfungsmassnahmen der verschiedenen kantonalen Fachstellen (Forst, Strassen, Naturschutz, Wasserbau). Diese bekämpfen in ihren Bereichen die invasiven Pflanzen. Wem aber die Urner Pflanzenwelt am Herzen liegt, sorgt auch im eigenen Garten dafür, dass sich Flieder, Goldrute oder Jakobskreuzkraut nicht weiterverbreiten. Jetzt ist die richtige Jahreszeit dafür.
Hinweis
Das Amt für Umweltschutz hat auf der kantonalen Homepage (https://www.ur.ch/themen/1367