Produktion und Besetzung:
Operaorchester
Dirigent: Tobias Ringborg
Regisseurin: Katrine Wiedemann
Fiordiligi: Frøy Hovland Holtbakk
Dorabella: Kari Dahl Nielsen
Guglielmo: Magnus Ingemund Kjelstad
Ferrando: Eirik Grøtvedt
Despina: Birgitte Christensen
Don Alfonso: Audun Iversen
Kindersatisten: Amelie Richter und Ola Drevsjomoen
Ich bin mir nicht sicher, ob in Norwegen so akuter Fachkräftemangel herrscht, dass die Norske Opera mit Mozarts «Cosi fan tutte» eine der Opern mit dem geringsten «Darstelleraufwand» auf den Spielplan setzt. Eigentlich sind, nebst dem Orchester natürlich, grad mal sechs Figuren am spielen und singen, also keine herumstehende Statist*innen, kein Chor usw. also so etwas wie «Oper light» .Keineswegs light ist Mozarts Musik oder die musikalischen, sängerischen oder darstellerischen Leistungen der Ausführendem in diesem unglaublichen Operahuset am Oslofjord.
Die graue Maus unter den Mozartopern?
Wenig bekannte Arien, ganz anders als in der „Zauberflöte“ oder „Don Giovanni“. Die Ouvertüre kennt man, aber die Arien, Duette, Terzette, Quartette, Quintette oder Sextette sind sehr schön, aber halt nicht grad „Gassenhauer“.
Zwei junge Paare haben eine glückliche gemeinsame Zukunft – so glauben sie zumindest. Die beiden Männer in der Beziehung, Ferrando und Guglielmo, werden von den älteren und zynischeren Alfonso und Despina herausgefordert: „Würden Ihre Freundinnen Dorabella und Fiordiligi widerstehen können, von anderen Männern verführt zu werden?“
Wir begleiten sie auf einer turbulenten Reise. Die vier jungen Menschen entdecken, dass das, was sie für wahr und für immer gehalten haben, zerlegt – und wieder zusammengesetzt werden kann. Damit ist „Così fan tutte“ von 1790 ein überraschend modernes Liebeswerk, das die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen zur Schau stellt.
Das Werk war in Oslo am Samstag um 13.00 Uhr im Spielplan
Mozart schon um 13.00 Uhr, gewöhnungsbedürftig. Bei Wagner Opern, so z.B. in Bayreuth beim Gesamtring, ist man gewohnt, schon um 16.00 Uhr in die Oper zu gehen, da so z.B. die «Götterdämmerung». Inkl. zwei Pausen, doch noch vor Mitternacht zu Ende gespielt ist und auch ein «Tannhäuser» an der Dresdner Semper Oper beginnt, aufgrund dessen «Wagnerschen Dauer» schon um 17.00 Uhr.
Obwohl erst Mittag, waren alle Beteiligten der Aufführung, also das Ensemble auf der Bühne, die Musiker*innen im Orchestergraben und die Geniessenden im Zuschauerraum hellwach.
Nordisch gradlinig klare Inszenierung der dänischen Regisseurin
Die dänische Regisseurin Katrine Wiedemann ist eine der bedeutendsten Film- und Theaterregisseure Dänemarks und kann auf eine lange Liste an Produktionen und Auszeichnungen zurückblicken. Als sich der Vorhang für ihre völlig neue Inszenierung von „Così fan tutte“ hebt, befinden wir uns bei IKEA – einem Ort, an dem sich Träume vom gemeinsamen Leben und Paardramen entfalten.
Haben IKEA Bau – Anleitungen auch Gültigkeit für das Liebesleben?
IKEA-Möbel werden flach verpackt geliefert und müssen zusammengebaut werden – nicht unähnlich einer Bedienungsanleitung für das Zusammenleben. Aber allzu viele haben festgestellt, dass der Traum, wie wir ihn bei diesem Möbelhändler sehen, sich als harte Realität entpuppt, Frustration, wenn bei Rückkehr nach Hause nicht genügend, oder, Ratlosigkeit, zu viele Schrauben im Paket sind. Wer hatte schon nicht irgendwelche Probleme dieser oder ähnlicher Art?
Die Szene wechselt zwischen verschiedenen Hintergrundbildern, so dass sich die Kontexte um uns herum – oder wie wir uns die Zukunft vorstellen – immer wieder verschieben.
Mozart und Da Ponte Ein perfekt eingespieltes Paar, das die Geschichte der Oper veränderte
Così fan tutte hieß ursprünglich „Die Schule der Liebenden“, was auch heute noch der Untertitel ist. Es war Mozarts letzte Zusammenarbeit mit dem Librettisten Lorenzo da Ponte, einem Duo, das die Operngeschichte für immer verändern sollte und hinter Erfolgen wie Figaros Hochzeit und Don Giovanni stand. Così fan tutte war schließlich eines von Mozarts letzten Werken und spiegelt ein reifes musikalisches Genie wider – damals wie heute.
Ich hatte das Vergnügen, die aufregende und zeitgemäße Inszenierung von Mozarts Oper „Così fan tutte“ an der Norwegischen Oper in Oslo zu erleben. Unter der Regie von Katrine Wiedemann und dirigiert von Tobias Ringborg wurde diese Produktion zu einem wahrhaft bemerkenswerten Ereignis. Die Inszenierung zeichnete sich durch ihre innovative Interpretation und die Verlegung des größten Teils der Handlung in die Welt des IKEA-Filialleiters Don Alfonso aus.
Sechs überragende Protagonist*innen
Die Hauptrollen wurden von gestandenen Protagonistinnen verkörpert, die das Publikum mit ihrem Gesangstalent und ihrer darstellerischen Leistung beeindruckten. Frøy Hovland Holtbakk verkörperte die Rolle der Fiordiligi mit einer beeindruckenden Stimmbeherrschung und einer ausdrucksstarken Darbietung. Ihre Stimme füllte den Raum mit Emotionen und ihre Interpretation der anspruchsvollen Arien war von großer technischer Finesse geprägt.
Kari Dahl Nielsen als Dorabella überzeugte ebenfalls mit ihrer starken Präsenz auf der Bühne. Ihre Darstellung der Figur war nuanciert und einfühlsam, und ihr Gesang war von einer natürlichen Schönheit geprägt. Die chemische Dynamik zwischen Holtbakk und Nielsen als Schwesternpaar war spürbar und trug zur Authentizität der Inszenierung bei.
Magnus Ingemund Kjelstad und Eirik Grøtvedt, die die Rollen von Guglielmo und Ferrando verkörperten, zeigten eine beeindruckende stimmliche Harmonie und eine glaubwürdige Darstellung der verliebten Soldaten. Ihre Arien und Ensembleszenen waren von hoher musikalischer Qualität und zeugten von ihrem tiefen Verständnis für die Charaktere.
Birgitte Christensen brillierte in der Rolle der Despina und verlieh der Figur eine charmante, manchmal auch komische Leichtigkeit. Ihre Darstellung der dienstbaren Rolle war voller Humor und Raffinesse, und ihr Gesang war sowohl technisch makellos, als auch ausdrucksstark.
Audun Iversen verkörperte den IKEA-Filialleiter Don Alfonso mit Charisma und Überzeugungskraft. Seine Präsenz auf der Bühne war beeindruckend, und er verlieh der Rolle eine Mischung aus Ironie und Tiefgründigkeit. Iversens vokale Darbietung war von großer Ausdruckskraft geprägt und trug zur Dynamik des Ensembles bei.
Besonders bemerkenswert war auch die Leistung der Kindersatisten Amelie Richter und Ola Drevsjomoen. Ihre Präsenz auf der Bühne und ihre Professionalität waren erstaunlich. Sie fügten der Inszenierung eine zusätzliche Ebene hinzu und trugen zur lebendigen Atmosphäre bei.
Das grossartige Opera Orchester trug sehr viel zur überzeugenden Inszenierung bei
Das Opera Orchester unter der Leitung von Tobias Ringborg bot eine wunderbare Begleitung für die Sängerinnen und Sänger. Ihr Zusammenspiel und die Harmonie mit dem Ensemble auf der Bühne von ungemeiner Präzision, ihre Spielfreude überschäumend.
Optimal abgestimmtes Bühnenbild
Das schlicht gehaltene, deshalb flexible und meist fast unbemerkt umgestellte Bühnenbild, liess den Qualitäten der Agierenden freien Raum, fesselte sie nicht in den Rollen einer verstaubten, «gepuderten» Inszenierung.
Mozart so leicht und dennoch tiefgründig dargeboten, lässt man sich auch mittags und bei Aussentemperaturen von 30 Grad gern gefallen.
Das begeisterte Publikum überschüttete die Darstellenden mit langanhaltendem, stürmischem Schlussapplaus.
Links auf die anderen von mir verfassten Artikel über mein Kulturreisli nach Oslo
innerschweizonline.ch/wordpress/opera-orchestra-prokofiev-3-mit-isata-kanneh-mason/
Text: leonardwuest.ch
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Fotos Erik Berg https://operaen.no/en/