Von den 1870er Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs vollzog der Kanton Luzern einen stillen, aber heilsamen Wandel vom traumatisierten Sonderbundkanton zum etablierten Teil des Bundesstaates. Der soeben erschienene dritte Band zur Luzerner Kantonsgeschichte des 19. Jahrhunderts erzählt von politischen Grabenkämpfen zwischen den Konservativen und den Liberalen, von den wirtschaftlichen Entwicklungen und wie sich dies auf den Alltag der Luzernerinnen und Luzerner auswirkte.
«Vom Kulturkampf zur Belle Epoque»: Der dritte Teil der Luzerner Geschichte des 19. Jahrhunderts beleuchtet den Zeitraum von 1875 bis 1914. Der Sonderbundskrieg – die letzte kriegerische Auseinandersetzung auf Schweizer Boden – und die Gründung des Schweizerischen Bundesstaates lagen gerade ein Vierteljahrhundert zurück. Mit dem Abebben des Kulturkampfes zur Mitte der 1870er Jahre kehrte im Kanton so etwas wie politische Normalität ein: Von der grossen Bühne der eidgenössischen Politik verlagerte sich das kantonale Geschehen mehr und mehr hin zum Tagesgeschäft.
Tiefe politische Gräben
Zwar hatte sich die politische Ordnung innerhalb des Kantons mit dem so nicht zu erwartenden Sieg der Konservativen von 1871 scheinbar stabilisiert. Nach wie vor aber prägte der politische Gegensatz zwischen Konservativen und Liberalen die Politik und mit ihr die Wahlen, die Finanzfragen, das Erziehungswesen oder den kirchlichen Bereich. Daran änderte auch das Aufkommen der sozialdemokratischen Partei als dritte politische Kraft im Kanton in den 1890er Jahren grundsätzlich nichts. Der anhaltende Parteidualismus hatte durchaus etwas Bizarres an sich: Einerseits schienen sich zwischen den politischen Gegnern tiefe Gräben aufzutun. Im politischen Alltagsgeschäft gab es andererseits eine konstruktive Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg. Dass im Kanton jedoch vor allem der «rote» Geist spürbar war, äusserte sich im Kirchlichen und im Religiösen. Im Unterschied zur alten konservativen Garde um Parteidoyen Philipp Anton von Segesser liess die neue konservative Parteiführung der Kirche wesentlich mehr Freiheiten und Raum.
Öffnung in wirtschaftlichen und sozialen Themen
Diesem katholisch-konservativen Geist zum Trotz präsentierte sich der Kanton offen für Neues in wirtschaftlichen und sozialen Belangen. Die Landwirtschaft erlebte einen Modernisierungsschub. In Luzern und der ganzen Zentralschweiz kam der Tourismus zur Blüte. Die Industrie begann Landschaft und Gesellschaft zu verändern. Das hatte zuweilen auch erbitterte Arbeitskämpfe zur Folge, die namentlich im Raum Luzern ausgetragen wurden. Auch das Jahrhundertwerk «Gotthardbahn» passte in diese Aufbruchsstimmung, die gleichermassen von Euphorie und Enttäuschung über Rückschläge geprägt war.
Der dritte Band schliesst das 19. Jahrhundert ab
Die Luzerner Kantonsgeschichte des 19. Jahrhunderts wird mit dieser Neuerscheinung abgeschlossen. Das Werk ist Teil der Reihe «Luzerner Historische Veröffentlichungen» (LHV), die gemeinsam vom Staatsarchiv Luzern und dem Stadtarchiv Luzern herausgegeben wird. Autorin ist Heidi Bossard-Borner, die bereits die Bände «Im Bann der Revolution. Der Kanton Luzern 1798–1831» (LHV 34) und «Im Spannungsfeld von Politik und Religion. Der Kanton Luzern 1831–1875» (LHV 42) verfasst hat.
Luzerner Historische Veröffentlichungen 46: Heidi Bossard-Borner, «Vom Kulturkampf zur Belle Epoque. Der Kanton Luzern 1875–1914». 608 Seiten, 67 Abbildungen, davon 20 in Farbe, 25 Tabellen. ISBN 978-3-7965-3714-1. Im Buchhandel und als eBook erhältlich. Anhang
Die Titelseite des neuesten und dritten Bandes zur Geschichte des Kantons Luzern im 19. Jahrhundert.[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]