Der zweite Ausflug des bekanntesten Schweizer Regisseurs Milo Rau in die Welt der Oper – nach seiner Clemenza di Tito am Genfer Grand Théâtre, die während der Pandemie als Stream gegeben wurde – konnte sich seiner Suche nach der Theaterform als politischer Diskurs
über die heutige Welt nicht entziehen. Er versetzt uns in die Demokratische Republik Kongo. Februar 2019: Auf einer Dorfstraße rammt ein
mit Schwefelsäure beladener Tanklaster einen Bus. Die Straßen der Region sind in einem miserablen Zustand; zugleich werden für die Bergbauindustrie täglich hochgiftige Säuren transportiert. Milo Rau wählt dieses Ereignis gemeinsam mit dem Komponisten Hèctor Parra,
in das ein Schweizer Konzern verwickelt war, und entwickelt daraus ein chorisches und elegisches Werk über das Schicksal eines Dorfs. In Justice inszeniert der preisgekrönte Regisseur und designierte Intendant der Wiener Festwochen die Bühne als politischen Ort, an dem
globale Diskurse kollektiv verhandelt werden. Das Libretto hat Milo Rau gemeinsam mit dem in Österreich wohnhaften, kongolesischen
Autor und Performer Fiston Mwanza Mujila entwickelt. Dabei mischen sich Stimmen von Geistern und Opfern, Schuldigen und vermeintlich Schuldigen mit den Mythen der nicht nur an Bodenschätzen reichen Region. Auch in der Musik werden Elemente und Instrumente aus der kongolesischen Tradition integriert.
Der katalanische Komponist Hèctor Parra hat bereits eine Vielzahl von musikalisch anspruchsvollen Adaptionen literarischer Werke in
die Opernform vorgelegt. Zwei seiner letzten Opern, Die Wohlgesinnten, die auf dem gleichnamigen Roman von Jonathan Littell basiert
und 2019 in Antwerpen uraufgeführt wurde, und Orgia, die auf der Tragödie von Pier Paolo Pasolini basiert und im Juni 2023 in Bilbao
unter der Regie von Calixto Bieito uraufgeführt wird, sind Beispiele dafür.
Der Zürcher Dirigent Titus Engel, ein großer Spezialist für zeitgenössische Musik, der 2019 Philip Glass‘ Einstein on the Beach mit Bravour
in Genf gestemmt hatte, wird das Orchestre de la Suisse Romande leiten, das um einige Musiker mit kongolesischer Tradition und einem
Team von Solisten, die zum Teil ebenfalls aus dem Kongo stammen, erweitert wurde.
Diese Koproduktion wird im Januar 2024 in Genf uraufgeführt und im April 2024 in Sankt Pölten wiederaufgenommen.
Justice
Grand Théâtre Genève
22. bis 28. Januar 2024[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]