Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Martha Argerich, KKL Luzern, 9. November 2019 besucht von Demian Krieger

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Martha Argerich betritt die Bühne Foto Demian Krieger

Besetzung und Programm:
Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia
Sir Antonio Pappano (Dirigent)
Martha Argerich Solistin am Klavier
Carl Maria von Weber – Ouvertüre zur Oper «Euryanthe»
Franz Liszt (1811–1886) – Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur
Robert Schumann – Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61

Rezension:

Elektrisch geladene Stimmung Die Erwartungen sind gross. Es ist immer wieder etwas Besonderes, wenn Martha Argerich auf dem Programm steht. Das Publikum reist von weit her, um sich von dieser Meisterin der Klavierkunst verzaubern zu lassen. Schon bei der Billettkasse gibt es einen Andrang auf die letzten Karten, die kurz vor Konzertbeginn für die hoffnungsvollen Studenten zu Sonderpreisen freigegeben werden.

Ungewohnter Beginn

Das Konzert beginnt mit einer Begrüssung durch den Intendanten der Migros Kulturprozent – Classics Konzertreihe, Mischa Damev. Er entschuldigt sich, dass er der Künstlerin nicht untersagen konnte, das Programm zu ändern. Ursprünglich war Chopins Klavierkonzert Nr. 1 auf dem Programm. Doch auf Wunsch der Pianistin wird diesmal Liszts Konzert Nr. 1 gespielt. Zudem wird das Konzept des neuen Konzertformats erklärt. Denn vor dem Hauptgang des Abends steht eine Darbietung von Gewinnern des Migros Kulturprozent Preises an. Verschiedene Darbietungen werden dieses Jahr auf diese Art ins Konzertprogramm eingebunden. Dabei wird der Applaus gemessen und der Gewinner, also der/die meistapplaudierte, darf nächste Saison ein eigenes Konzert in dieser Konzertreihe bestreiten.

Saxophon-Sketches mit erstklassiger Klanggestaltung

Saxophon Quartett

Auf die Bühne kommen vier unterschiedliche Saxophone, getragen von zwei Frauen und zwei Männern. Valentine Michaud hat die Gelegenheit erhalten, sich mit ihrem Quartett (Joan Jordi Oliver Arcos, Faustyna Szudra, Jean-Valdo Galland) in diesem Rahmen zu präsentieren. Das Saxophon hört man selten in klassischen Konzerten, doch scheint es, dass das Interesse am Instrument allgemein und insbesondere in der klassischen Musik  wieder am Aufleben ist. Die vier Musiker geben «Sarajevo from Ciudades» von Guillermo Lago und «Tango Virtuoso» von Thierry Escaich zum Besten. Die Schönheit des Saxophonkanges kommt vor allem in der meditativen Stimmung von Sarajevo zum Ausdruck. Der von den Interpreten auch visuell inszenierte Tango steht in starkem Kontrast dazu. Die tanzartigen Bewegungen unterstützen den Ausdruck der Musik. Die Musiker*innen konnten eine grosse Bandbreite ihres Könnens dem Publikum präsentieren, dabei war vor allem die Klanggestaltung ein grosser Genuss.

Pappano bringt das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia nach Luzern

Sir Antonio Pappano mit seinem Orchester

Dem römischen Orchester, welches in der Vergangenheit unter der Führung von Mahler, Strauss, Toscanini und Furtwängler stand, eilt der gute  Ruf voraus. Seit der englisch-italienische Dirigent, Sir Antonio Pappano, 2005 das Zepter übernahm, erspielte sich dieses internationales Renommee. Die Früchte dieser langjährigen Zusammenarbeit sind in der Ouvertüre zur Oper «Euryanthe» von Weber und danach in Liszt und Schumann deutlich hör- und spürbar.

Fesselndes Klavierspiel

Martha Argerich freut sich über den Applaus

Martha Argerich ist ein einzigartiges Phänomen. Es gibt auch heute viele Beispiele, bei denen grosse Meisterpianisten vom Alter nicht verschont bleiben und allmählich an Glanz verlieren, doch scheint dies bei Argerichs Kunst keine Spuren zu hinterlassen. Liszts Klavierkonzert Nr. 1 wird als fantastisches Feuerwerk präsentiert, wobei vor allem die lyrischen Seiten zum Vorschein kommen. Allerdings war diese unbändige Bestie von einem Konzert doch zeitweise atemlos und lässt vermuten, dass die Pianistin es doch schon zigmal mit grossen Orchestern zum Erklingen gebracht hat. Dem entgegen gelingt es den erfahrenen Künstlern die Zeit im zweiten Satz zum Stehen zu bringen – ein unvergessliches Erlebnis.

Der bei der Uraufführung von der Kritik verspottete Triangel hat im dritten Satz sowohl musikalisch als auch visuell eine solistische Wirkung – er sitzt vor dem Orchester, fast neben der Pianistin. Das Klavier und Orchester sprühten vor Witz und Lebensfreude.

Als Antwort auf die Standing-Ovation liess sich Argerich zu einer sehr kurzen Zugabe hinreissen: aus Schumann’s Kinderszenen: «Von Fremden Ländern und Menschen».

Schumanns zweite Sinfonie

Dirigent Sir Antonio Pappano

Unter Pappanos Leitung erblüht das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia zu fantastischen Höhen. Erst vor wenigen Jahren haben sie genau diese Sinfonie zusammen mit Schumanns vierter Sinfonie auf CD eingespielt und es scheint, als ob die Musiker diese Musik in Fleisch und Blut aufgenommen haben.

Diese kräftige, vor Lebensfreude sprühende Interpretation sucht seinesgleichen. Eine gewaltige Farbpalette weist das Orchester im Forte auf. Im Piano klingt es wie ein einziges Instrument. Das Zusammenspiel ist atemberaubend. Alle Mitwirkenden haben sichtlich Spass beim Spielen und das Publikum geniesst die Darbietung umso mehr.

Mit tosendem Applaus bedankt sich das luzerner Publikum. Pappano lässt sich nicht lange bitten und setzt mit Zugaben an: ein ruhiger Respighi und anschliessend ein fantastisch wilder Johann Strauss dargeboten – eine grosse Freude. Die Begeisterung der Zuhörer ist gross und es kommt erneut zur Standing Ovation.

Erinnerungen, die bis in die nächste Generation reichen

Dass das Publikum das Konzert in vollen Zügen genossen hat ist deutlich spürbar. “Dieses Ticket musst du für immer aufbewahren – als Erinnerung an dieses Konzert!”, sagt ein Grossvater zu seiner jungen Enkelin im Menschenstrom Richtung Garderobe. Dies erinnert an eine Aussage von Leon Fleischer, der von einem Konzert von Rachmaninoff schwärmte, welches er als kleiner Junge erleben durfte. Hoffentlich wird auch dieses Konzert zur Inspiration für die nächste Generation von Musizierenden und Musikliebhabern.

Text: Demian Krieger

Fotos: Demian Krieger und http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/de/Home

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