Radio Pilatus: Firma lockt Jugendliche mit dubiosem Vertriebssystem

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radio-pilatusLuzern (ots) – In der Zentralschweiz sorgt derzeit ein Unternehmen mit einem dubiosen Vertriebssystem für Unsicherheit. Die Firma Vemma wirbt vor allem Jugendliche an, um ihre Produkte und insbesondere den Energy-Drink „Verve“ weiterzuempfehlen. Das Getränk „Verve“ soll unglaublich gesund sein, wenn man den Angaben des Unternehmens glaubt. Eine Dose kostet rund 3,20 Franken. Wenn man als Vermittler einsteigt, sinken die Preise

Fast wöchentliche Treffen in Emmenbrücke

Fast jede Woche finden unter anderem im Raum Emmenbrücke solche Treffen der Firma Vemma statt. Zwischen 150 bis 300 Personen seien dort jeweils anwesend, hiess es auf Anfrage bei der Lokalität. Die Treffen laufen meistens unter dem Namen „Young People Revolution“. Einer unserer Mitarbeiter war bei einem solchen Treffen dabei. Den Jugendlichen wird an diesen Treffen erzählt, dass sie für das Vermitteln der Produkte Geld bekommen. Je mehr man vermittelt, desto höher der Betrag. „Der erste Eindruck ist, dass man mit wenig Aufwand viel Geld aufs Konto kriegen kann“, so unser Mitarbeiter. Das Unternehmen wirbt fast mehr für eine attraktive Karriere als Vertriebspartner, denn für die Produkte. In der offiziellen Broschüre von Vemma steht: „Stellen Sie sich vor, frei zu sein und ein Leben wie in ihren Träumen zu führen – einfach dadurch, dass Sie Menschen Produkte anbieten, an die Sie selbst glauben.“ In Aussicht gestellt werden eine finanzielle Unabhängigkeit und eine Selbständigkeit. Ausserdem gibt es ein Boni-System, unter anderem mit teuren Autos.

Kompliziertes Bonussystem

Die Vergütungen sind im sogenannten Compensation Plan von Vemma Europe geregelt. Der Entschädigungsplan ist äusserst komplex und nur schwer verständlich. Kurz erklärt: Um überhaupt Provisionen oder Boni zu bekommen, muss man jeden Monat eine gewisse Anzahl an Punkten erreichen. Diese erhält man durch Bestellungen auf dem eigenen Konto – einerseits durch Kundenbestellungen, andererseits durch Eigenbestellungen. Wenn man nur durch Eigenbestellungen einkaufen würde, entstehen Fixkosten von ca. 170 Franken im Monat. Mit jedem neu angeworbenen Kunden bzw. neu angeworbenen Vermittler können diese Fixkosten minimiert werden. Das Ziel ist, dass jeder Vermittler wieder zwei Kunden oder Vermittler bringt. Das System kann aber kaum unendlich funktionieren. Die meisten Teilnehmer dürften es also nicht schaffen, mehr Geld ein- als auszugeben.

Gemäss Experten ist die Verteilung bei solchen oder ähnlichen System bei 30:70, d.h. 30 Prozent verdienen, 70 Prozent verlieren. Das deutschsprachige Network Marketing Portal „Network Experience“ schreibt auf seiner Website: „Es gibt Personen die sagen, dass sei in vielen anderen Unternehmen genauso, einige Leute werden eben verlieren! Der Vergleich ist hier aber nicht wirklich richtig. Denn bei Vemma ist etwas Grundlegendes anders. Die Menschen, die Geld in dem Unternehmen verdienen, werden fast ausschliesslich von den Menschen getragen, die ihr Geld verlieren. Es geht also nicht darum, dass einige ihr Geld bei Vemma verlieren werden. Bei Vemma müssen Menschen ihr Geld verlieren, damit der Vergütungsplan funktioniert. Der Verlust einiger ist also dringende Voraussetzung!“

Multi-Level-Marketing oder Schneeballsystem?

Das ganze System von Vemma erinnert stark an ein illegales Schneeballsystem. Im Moment läuft in der Schweiz aber kein Verfahren gegen Vemma. In der Schweiz handelt gemäss Gesetz illegal, wer jemandem Leistungen in Aussicht stellt, die hauptsächlich durch das Anwerben weiterer Personen und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Waren oder Leistungen ausgerichtet werden. Die Abgrenzung zu einem sogenannten Multi-Level-Marketing ist jedoch gemäss Experten sehr schwierig. Laut der allgemeinen Lehre steht bei Schneeballsystemen einzig die Vermittlung neuer Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vordergrund, bei seriösem Network-Marketing wird jedoch ein tatsächlich marktfähiges Produkt vertrieben. Übersetzt etwa: Die Frage ist, ob der Kunde das Produkt auch erwerben würde, wenn er selbst keine Provision für die Vermittlung von Neukunden erhielte.

Verfahren und Warnungen im Ausland

In Italien ist die Firma Vemma durch die Wirtschaftskammer wegen unfairer Geschäftspraktiken zu einer Busse verurteilt worden. Auch in Österreich warnen die Behörden laut vol.at vor dem System von Vemma. Die Firma hat darauf mit einer Stellungnahme reagiert. Unter anderem schreibt sie: „Wir verbieten das Promoten unseres Geschäfts mit übertrieben oder falschen Einkommensdarstellungen und betonen dabei immer, dass der Erfolg eines jeden Affiliates (Anm. d. Red.: Vermittler) von den eigenen Anstrengungen, harter Arbeit und Hingabe abhängen.“

Die Stiftung für Konsumentenschutz und das Seco warnen

Die Stiftung für Konsumentenschutz SKS kennt die Firma Vemma nicht. Es sind also noch keine Beschwerden eingegangen. Man habe aber immer wieder Anfragen wegen solcher Systeme, sagte Josiane Walpen von der SKS auf Anfrage von Radio Pilatus. Es sei schwierig auf Anhieb zu sagen, ob das System von Vemma illegal sei. Aber es erinnere doch stark an ein illegales Schneeballsystem. Das müsste man jedoch juristisch prüfen lassen. In der Regel brauche es dafür eine Strafanzeige. Es sei aber illusorisch zu glauben, dass man er nur mit dem Weiterempfehlen von Produkten so viel verdienen kann. Josiane Walpen warnt deshalb davor, bei solchen Systemen mitzumachen. Es drohe auch eine soziale Isolation, weil man sein Umfeld mithineinziehe.

Beim Wirtschaftssekretariat Seco kennt man den Namen Vemma. Das SECO habe bereits einzelne Anfragen zur Firma Vemma und deren Geschäftsmodell erhalten, schreibt Guido Sutter, Leiter Ressort Recht, auf Anfrage von Radio Pilatus. Das SECO sei aber nicht befugt zu beurteilen, ob ein bestimmtes Geschäftsmodell legal oder illegal ist; diese Beurteilung könne einzig das zuständige Gericht in einem entsprechenden Verfahren vornehmen. „Aufgrund der im Internet verfügbaren Informationen ist ersichtlich, dass es sich beim Geschäftsmodell der Vemma um ein Multi-Level-Marketing-System handelt, wobei die Anwerbung weiterer Personen eine zentrale Rolle zu spielen scheint“, so Guido Sutter. Das SECO rate bei solchen Geschäftsmodellen sehr vorsichtig zu sein und bei Zweifel über die Rechtmässigkeit des Geschäftsmodells an diesem nicht teilzunehmen. „Teilnehmer am System können sich unter Umständen selber zivil- oder strafrechtlich verantwortlich machen, sollte sich das Geschäftsmodell als illegal erweisen.“

Hauptsitz von Vemma Schweiz ist in Opfikon

Die Firma Vemma Schweiz hat ihren Sitz in Opfikon (Glattbrugg). Als Geschäftsführerin ist eine Frau Hélène Julia Staudt eingetragen. Auf Anfrage von Radio Pilatus wollte Sie keine Stellung nehmen zum System von Vemma. Sie sei nur treuhänderisch angestellt und verwies auf die Medienstelle von Vemma Europe. Auf Nachfragen an der dortigen Adresse wurde Radio Pilatus ein Interview versprochen. Der Rückruf der zuständigen Person blieb aber aus.

Hans-Jörg „Happy“ Hartmann – einschlägig bekannt

An den meisten Treffen von Vemma bzw. der Young People Revolution nimmt als Referent auch Hans-Jörg „Happy“ Hartmann teil. Er wirbt für Vemma und ihre Produkte bzw. für das Vertriebssystem. Hartmann ist jedoch einschlägig bekannt. Laut 20 Minuten wurde Hartmann im Jahr 2002 wegen Verstosses gegen das Lotteriegesetz bestraft. Zuvor hatte das Bundesamt für Justiz in diesem Zusammenhang vor einem „illegalen Schneeball-System“ gewarnt. Die entsprechende Medienmitteilung von damals liegt Radio Pilatus vor. Damals hatte Happy Hartmann einen Wundersaft aus Tahiti namens Noni vertrieben. Der Liter kostete rund 100 Franken. Der Saft wurde auch im schnellballartigen System vertrieben. Er warb sogar mit Promis, die nichts davon wussten.

Weitere Informationen unter www.radio-pilatus.ch

Dieser Beitrag wurde am von unter schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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