Im Auftrag der Fachstelle für Denkmalpflege und Archäologie der Justizdirektion Uri gingen dem Bau zweier Einfamilienhäuser im Gebiet des Unteren Hofs bei Schattdorf archäologische Grabungen voraus. Dabei wurden eine Strasse, eine Terrassierungsmauer und Reste eines Gebäudes freigelegt, die ab dem 9. oder 10. Jahrhundert – in karolingisch-ottonischer Zeit – erstellt worden sind. Sie überlagerten ältere Schichten mit Hinweisen einer Nutzung des Areals seit frührömischer Zeit.
Der stattliche «Untere Hof» zwischen Dorfbachstrasse und Hofgasse gehört mit seinen gut 330 Jahren zu den ältesten erhaltenen Häusern Schattdorfs. Schon 1986 liess man die unmittelbare Umgebung dieses historischen Orts archäologisch abklären, da das Land Stück für Stück mit Wohnhäusern überbaut werden sollte. Und tatsächlich wurden damals nebst einem mittelalterlichen Wall die ersten römischen Tonscherben auf Urner Boden geborgen – ein eindeutiger Hinweis auf eine naheliegende Siedlung aus dem 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus. Seit der Erstellung des Inventars der Urner Funderwartungsgebiete im Jahr 2011 begleitete deshalb die kantonale Fachstelle für Denkmalpflege und Archäologie die Neubauprojekte rund um den Hof.
Vor dem Bau der beiden Häuser an der Dorfbachstrasse und der Hofgasse nördlich des Unteren Hofs veranlasste die Fachstelle archäologische Grabungen. Diese erbrachten nun erstmals den Beleg einer Nutzung und Besiedlung zwischen römischer Zeit und dem Mittelalter. In unmittelbarer Nähe zum heute kanalisierten Dorfbach kam ein alter Strassenabschnitt zum Vorschein. Er war aus dicht gesetzten Lese- und Bruchsteinen aufgebaut und wies eine Breite von bis zu 3,7 m auf. Die Strasse verlief parallel am Hangfuss. Mindestens eine Strassenabzweigung ging von ihr weg. Zwischen den Steinen lagen zahlreiche Tierknochenfragmente. Aktuell lässt sich nun eine Knochenprobe mittels Kohlenstoffdatierung ins 9. oder 10. Jahrhundert datieren, also in die karolingische bis ottonische Zeit. Eine weitere Probe aus den Überresten einer nur ein paar Meter weiter Richtung Dorfbach zum Vorschein gekommenen Steinbefestigung ergab dasselbe Alter. Vermutlich wurde sie zwecks einer Terrassierung oder Parzellierung des Geländes angelegt.
Unmittelbar daneben stiessen die Archäologen überraschend auf Reste eines Gebäudes. Das vorgefundene, trocken verlegte Steinfundament muss ursprünglich einen Holzaufbau aufgewiesen haben. Dabei wäre einerseits eine mit übereinanderliegenden Balken konstruierte Westwand und andererseits eine nach Süden gerichtete Pfostenwand denkbar. Das Gebäude wurde durch die Strasse erschlossen. Ob es sich um ein Wohnhaus handelt, ist momentan noch unklar.
Diese mittelalterliche Siedlung stand ihrerseits auf einer Erdschicht, welche römische Siedlungsfunde enthielt. Nebst einigen römischen Tonscherben entstammte daraus – als Novum für den Kanton Uri – eine Randscherbe eines Glasgefässes, einer sogenannten Rippenschale.
Solche Schalen waren Teil des festlichen Trink- oder Essgeschirrs. Die Erdschicht selbst überdeckte eine mit Steinen befestigte Fläche mit Holzkohleansammlungen. Die daraus gewonnene Kohlenstoffdatierung verweist die Holzkohle und somit die Nutzung dieser Oberfläche in die frührömische Zeit.
Mit diesen Funden ist man nun schon ein schönes Stück weiter auf der Suche nach der seit längerem vermuteten, römischen Siedlung von Schattdorf. Dank der Grabungen verfeinert sich das Verständnis der Besiedlung auf Schattdorfer Gemeindeboden auch allgemein. Sie bezeugen eine der ältesten Siedlungsstellen, die an die späteisenzeitlichen Siedlungsreste beim Mühlehof anknüpfen. Vielleicht wiederspiegelt das mittelalterliche Gebäude denn auch die gute Wohnqualität vor Ort, welche schon lange vor dem Bau des Unteren Hofs gefragt war.[content_block id=45503 slug=unterstuetzen-sie-dieses-unabhaengige-onlineportal-mit-einem-ihnen-angesemmen-erscheinenden-beitrag]