Romantisches Rokoko mit Sol Gabetta, KKL Luzern, 17. April 2019, besucht von Léonard Wüst

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Sol Gabetta Solistin Cello

Besetzung und Programm:

Ottorino Respighi (1879 – 1936)
«Antiche danze ed arie per liuto», Suite Nr. 3

Pjotr Tschaikowsky (1840 – 1893)
«Rokoko-Variationen» für Violoncello und Orchester op. 33

Pjotr Tschaikowsky
Lenskis Arie aus der Oper «Eugen Onegin» (für Violoncello gesetzt von Sol Gabetta)

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550

Rezension:

Sol Gabetta wurde am 16. April 1981 in Villa Maria (Argentinien)  als Tochter französisch-russischer Eltern geboren. Bereits als Kind verblüffte sie durch ihr musikalisches Talent. So sang sie bei der Aufnahmeprüfung für einen musikalischen Kindergarten zur Überraschung der Jury die Melodie eines a-Moll-Violinkonzerts von Antonio Vivaldi. 2004 erlangte Sol Gabetta grössere Bekanntheit, als sie bei den Luzerner Festspielen als Gewinnerin des „Crédit Suisse Young Artist Award“ ihr Debüt mit den Wiener Philharmonikern unter Valery Gergiev gab. In der Folge gewann sie unzählige Preise im Laufe ihrer bisherigen Karriere

Das kurze Respighi Werk «Antiche danze ed arie per liuto» zum Auftakt

Stehend und ohne Dirigent James Gaffigan, in sparsamer Kammerkonzertformation – ähnlicher Besetzung, eröffneten die Musiker des Residenzorchesters des KKL Luzern den Konzertabend stimmig mit der selten aufgeführten neoklassizistischen Komposition des italienischen Avantgardisten Ottorino Respighi. In diesem Werk greift der Komponist auf Übertragungen von Lauten- und Gitarrentabulaturen des 16. und 17. Jahrhunderts zurück, die der italienische Musikwissenschaftler Oscar Chilesotti (1848–1916) editierte und für modernes Instrumentarium arrangierte. Der Untertitel des Werkes lautet Trascrizione libera per orchestra (freie Transkriptionen für Orchester). Das Publikum genoss vom ersten Ton an und belohnte die Musiker mit langanhaltendem Applaus.

Grundsätzliches zum folgenden Werk

Dirigent James Gaffigan

Eigentlich ist es paradox: Um Neues zu kreieren, griffen Komponisten oft gerne auf Altes zurück und verwoben so Tradition und Innovation zu einem ganz speziellen musikalischen Stoff. Tschaikowsky orientierte sich für seine «Rokoko-Variationen » zwar nicht an einem konkreten Werk aus der Rokokozeit, sondern ahmte mit viel stilistischem Fingerspitzengefühl die verspielte, höfische Atmosphäre dieser Epoche täuschend ähnlich nach. Das Hauptthema seiner «Rokoko-Variationen» könnte jedenfalls problemlos aus der Wiener Klassik stammen, zumal es mit echt Mozartʼscher Eleganz auftritt. Genau das muss bei der Uraufführung auch Franz Liszt gespürt haben, der im Publikum sass und meinte: «Nun, das ist doch endlich wieder einmal Musik.»

Äusserst souveräne, hochkonzentrierte  Solistin

Sol Gabetta Foto Uwe Arens

Eine Huldigung Tschaikowskys an das große, verehrte Vorbild Mozart und eine Herausforderung für den Solo-Cellisten: Die „Rokoko-Variationen“, deren Thema sich stilistisch an die Musik des 18. Jahrhunderts anlehnt, fordern dem Solo-Cellisten ein Äußerstes an Spielbrillanz und technischer Bravour ab. Musikalisch verbunden sind die Variationen durch Orchesterritornelle, die musikalisch-substantiell quasi eine zweite Variationen Folge bilden. Die junge Argentinierin betrat an der Seite des amerikanischen Dirigenten James Gaffigan die Bühne, empfangen vom warmen Applaus des Auditoriums im praktisch ausverkauften Konzertsaal. Sol Gabetta wurde dem, ihr vorauseilenden Ruf als eine der weltbesten Cellovirtuosen, ausgezeichnet mit sehr vielen relevanten Preisen, jederzeit gerecht. Glasklar und präzise in den kurzen Läufen, sehr gefühlsvoll in den Tremolo, durchaus auch mal rasant vorantreibend, dann wieder sich diskret in das sie begleitende, ausgezeichnete Orchester einfügend, spielte sie sich durch die Partitur. Zitat Sol Gabetta: Die Purheit dieses Themas ist das Schwierigste, was es überhaupt gibt. Und dann, was alles dazu kommt, mit allen diesen Verzierungen. Das ist für mich Rokoko. Rokoko muss für mich auch einen Stil haben. Eine Art von Stil, eine Feinheit (…), sehr artikuliert, sehr klar gezeichnet, galant – genau! Zitatende. Auffallend, wie zurückhaltend Dirigent James Gaffigan agierte, er, der sich sonst manchmal wie Rumpelstilzchen auf dem Dirigentenpult aufführt. Das würde sich im zweiten Konzertteil dann wieder zeigen. Das Auditorium konnte so der Darbietung all seine Aufmerksamkeit widmen, lauschte der Solistin gebannt zu, fasziniert von ihrer Fingerfertigkeit und der Intensität ihres Spiels, ihrer manchmal introvertierter, dann wieder sehr expressiver Interpretation, aber jederzeit äusserst einfühlsam. Fasziniert von dieser Demonstration wurden die Protagonisten mit einem Applausorkan überschüttet, ein Applaus, der nie aufzuhören schien, sich aber erstaunlicherweise nicht zu einer „Standing Ovation“ entwickelte. Die dann folgende Lenski Arie aus der Oper «Eugen Onegin» (für Violoncello gesetzt von Sol Gabetta) kam einem Schaulaufen gleich und wurde ebenso gefeiert, wie das vorherige Werk. Vergnügt aufgedreht begab man sich zur Pause in die Foyers, wo man sich angeregt über das gebotene unterhielt.

Mozart as its best im zweiten Konzertteil

Echtester Mozart – und was für Musik! – dann zum Schluss: Seine g-Moll-Sinfonie zählt zu den bedeutendsten Schöpfungen nicht nur innerhalb seines Oeuvres, sondern überhaupt in der Geschichte der sinfonischen Gattung. Im Sommer 1788 schrieb Mozart innerhalb von etwa sechs Wochen fast in einem Zug seine drei letzten Sinfonien nieder, die zugleich als seine bedeutendsten gelten: die Sinfonien Nr. 39, Nr. 40 und Nr. 41. Mozart hat fast nie ohne Aufführungsabsicht oder Auftraggeber komponiert und doch sind genau diese Angaben bei diesen drei gewichtigen Werken unbekannt geblieben. So glaubt man heute, Mozart habe vielleicht eine besonders große Anstrengung unternommen, um sich mit dieser Trias von seinen Geldsorgen zu befreien. Darüber hinaus hat die fast unerklärlich kurze Entstehungszeit den Mythos vom mühelos komponierenden Mozart begründet.
Besonders die Sinfonie g-Moll wurde wegen ihrer schmerzlich-düsteren Grundhaltung gerne als bekenntnishaftes Werk angesehen – als Ausnahme von der Regel, dass sich Mozarts Musik nie mit den Lebensumständen in Verbindung bringen lässt, in der sie entstand.

Zur Interpretation der Komposition durch das Residenzorchesters des KKL Luzern

Luzerner Sinfonieorchester Foto Vera Hartmann

Das Werk eröffnete sich mit der herrlichen Mozartschen Sinfonie aus G moll, dieser unsterblichen Arbeit des grossen Komponisten, welche mit höchster Erhabenheit die grösste Schönheit verbindet, und doch nie ins Wilde und Abenteuerliche abschweift. Es ist ein kolossales Bild, aber von den schönsten Verhältnissen, das zugleich Ehrfurcht und Liebe einflösst. James Gaffigan, nun ganz in seinem üblichen Element führte sein Orchester mit viel Spielfreude, u.a. ausgedrückt durch seine Körperhaltung, Gestik und Mimik zügig durch die eigentlich düstere Partitur, die einem aber nie so vorkommt, vor allem, wenn sie so schwungvoll – freudig serviert wird. Der Satz beginnt als teppichartige Achtelbegleitung der geteilten Violen mit grundierenden Bass-Vierteln, über denen auf der vierten Zählzeit des ersten Taktes die auftaktige Melodie in den oktaviert parallel geführten Violinen einsetzt. Kennzeichnend für die Melodie ist der gebundene Halbtonschritt abwärts mit Wiederholung des Zieltons im Rhythmus zwei Achtel – eine Viertel (diese Figur wird zunächst dreimal wiederholt) sowie die Sexte aufwärts. Das Seufzer Motiv des gebundenen Halbtonschritts abwärts mit der Tonwiederholung ist für den weiteren Aufbau des Satzes von Bedeutung. Den charakteristischen rhythmischen Partikel des zweiten Satzes hat Wagner als „Engelsflügel“ missverstanden. Bei Gaffigan geht es irdisch zu: Dramaturgisch „drohende“ Einwürfe der Hörner und weiträumige Steigerungen geben der Musik ein markantes Profil voller Spannung und Überraschungen – auch für den, der das Werk schon dutzendmal gehört hat. Die einzelnen Register und Solisten bekamen ausreichend Gelegenheit, ihr Können zu dokumentieren und wurden dafür beim Schlussapplaus auch noch mit Separatapplaus bedacht. Dieser Schlussapplaus, der äusserst lang anhaltend durch den Saal brauste, entrang den Protagonisten noch eine kurze Zugabe,

Trailer:Sol Gabetta Eugene Onegin: Lensky’s Aria (Arr. for Cello and Orchestra)

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Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Luzerner Sinfonieorchester

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