Intendant Aviel Cahn setzt seine Strategie der Einbindung des Balletts sowie anderer Kunstformen in das Opernprogramm des Hauses mit dem Opéra-ballett Atys von Jean-Baptiste Lully (Uraufführung 1776) fort. Eine erste Kostprobe der Gattung Opéra-ballett konnte man unter seiner Intendanz bereits vor zwei Spielzeiten mit Lydia Steiers Inszenierung von Rameaus Les Indes galantes in Genf erleben.
Mit dem Dirigenten Leonardo García Alarcón und seiner Cappella Mediterranea wurden die geradezu idealen Musiker (innen)
für diese Musikepoche engagiert, die mit ihrer historisch-informierten Spielpraxis am Genfer Haus bereist große Erfolge feiern konnten.
Der in Paris geborene Angelin Preljocaj gilt als der herausragende Ballett-Choreograph Frankreichs und wird nun in Genf zum ersten Mal bei einer Oper Regie führen und zeichnet natürlich auch für die Choreographie der Produktion verantwortlich.
Darüber hinaus wird die junge französische bildende Künstlerin Prune Nourry mit ihrer multidisziplinären Kunst erstmalig ein Bühnenbild gestalten. Die Kostüme stammen von der avantgardistischen Textildesignerin Jeanne Vicéral, und für das Licht
zeichnet Eric Soyer verantwortlich.
Lully stand als Hofkomponist im Dienste des Sonnenkönigs Ludwig XIV., der der Erzählung nach sogar selber musikalische Beiträge zu Atys geleistet haben soll und dessen Lieblingsoper sie war. Der französische Dichter Philippe Quinault schuf die Texte und hat durch die enge Zusammenarbeit mit Lully mit ihm gemeinsam die Epoche der „Tragédie lyrique“ eingeläutet und damit auch den Durchbruch der französischen Oper im Wettbewerb mit der italienischen.
Angelehnt an Ovids Fasti geht es in Atys um die Grausamkeit der Liebe: Atys liebt die schöne Sangaride, ist aber auch der Günstling der Göttin Cybele, die ihn als Priester für sich verlangt. Doch Atys entscheidet sich für seine Liebe und verurteilt sie dadurch zum Tode. Aus Rache schlägt Cybele ihn mit Wahnsinn und lässt ihn Sangaride erstechen – vor Schmerz über seine Tat bringt Atys auch sich um, doch Cybeles Mitleid verwandelt den Sterbenden in eine Pinie.
Während die Tänzer (innen) des Ballet du Grand Théâtre dem Unausgesprochenen und Unsagbaren dieser Geschichte Körper verleihen, bieten die Sänger (innen) ihre Stimme für den Kampf gegen die Offenbarung ihrer eigenen Gefühle auf. An der Spitze
der Auswahl des barockaffinen Gesangsensembles stehen die engelsgleiche Stimme von Ana Quintans als Sangaride, der vielfach ausgezeichnete amerikanische Tenor Matthew Newlin in der Titelrolle sowie Giuseppina Bridelli in der Partie der Cybèle.
Lullys Opéra-ballett Atys erfuhr eine außerordentliche Wiederbelebung im Repertoire mit seiner Ausgrabung durch den Barockspezialisten William Christie, der es mit seinen Les Arts Florissants unter riesigem Erfolg 1987 in Paris anlässlich des
300. Todestags des Komponisten aufführte. Dieses Ereignis und eine später folgende hochgelobte Aufnahme des Stücks auf CD/DVD waren Auslöser der Renaissance von Opern des Barock auf den internationalen Musiktheaterbühnen, die bis heute
anhält.
Grand Théâtre de Genève: Jean-Baptiste Lully: Atys
Premiere: 27. Februar 2022, 19.30 Uhr
Weitere Aufführungen: 01./ 03./ 08. März – 19.30 Uhr