Das Land soll unterhöhlt werden: Die Schweiz will ihren Güterverkehr in Tunnel verlegen. Darin sollen unbemannte Bahnen fahren, 24 Stunden am Tag. Nur eines sind die Züge nicht: besonders schnell.
Der Verkehr in der Schweiz soll entlastet werden. Dazu planen mehrere Unternehmen einen unterirdischen Gütertunnel. Er soll bis 2030 fertig sein und rund 3,5 Milliarden Franken kosten. Quelle: Die Welt-Wirtschaft
Das Schweizer Straßennetz steht vor dem Infarkt: Täglich stauen sich die Autos, die volkswirtschaftlichen Kosten gehen in die Milliarden. Und es kommt alles noch schlimmer, prophezeien die Experten der Schweizer Bundesverwaltung: Personen- und Güterverkehr sollen in den kommenden Jahren im zweistelligen Prozentbereich wachsen, für den Gütertransport prognostiziert der Bund sogar ein Plus von 45 Prozent bis 2030.
Das wachsende Verkehrsaufkommen zu bewältigen, das ist eine Herkulesaufgabe, an der sich das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation und die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) schon seit Jahren die Zähne ausbeißen (Departements sind vergleichbar mit den deutschen Bundesministerien).
Die bisherige Strategie, möglichst viel auf die Schiene zu verlagern, kommt an ihre Grenzen. Denn in den Ballungsräumen sind die Straßen- und Bahninfrastruktur schon heute voll ausgelastet, Züge bewegen immer größere Pendlermassen. Derzeit ist an den Bau neuer Trassen nicht zu denken.
Foto: Cargo Sous Terrain
Abhilfe verspricht das Konsortium Cargo Sous Terrain – eine Gruppe von Unternehmen, die den Güterverkehr in unterirdische Tunnels verlegen möchte. Hinter dem Vorhaben stecken Firmen wie Swisscom, Migros, die Einzelhandelsgruppe Coop, die Warenhausgruppe Manor, die SBB, der Logistikdienstleister Rhenus Logistics und die Schweizerische Post.
Pilotstrecke mit 67 Kilometer Länge
Die schon seit Jahren existierende Idee wurde jetzt vorgestellt: Im 24-Stunden-Betrieb sollen kleine, unbemannte Transportfahrzeuge in einem dreispurigen Tunnel verkehren. Diese sind mit 30 Kilometern pro Stunde unterwegs – gekühlt und elektrisch angetrieben über eine Induktionsschiene.
In den nächsten 15 Jahren will das Konsortium eine Pilotstrecke von Härkingen-Niederbipp bis Zürich bauen. Im besten Fall steht die erste Strecke bis zum Jahr 2030. Die Kosten für das Vorhaben belaufen sich laut der ersten Machbarkeitsstudie auf 3,5 Milliarden Franken (rund 3,2 Milliarden Euro). Das Projekt soll den Initiatoren zufolge dann ab dem Jahr 2034 rentabel sein.
Foto: Cargo Sous Terrain
Der Bau des 67 Kilometer langen Tunnels verschlingt den Löwenanteil der Kosten, ganze 2,5 Milliarden Franken (rund 2,3 Milliarden Euro) – inklusive Deponie, Ausstattung und Mechatronik, wie es heißt.
Das ist ungefähr so viel, wie die Schweiz für den Bau der zweiten Gotthard-Röhre und die Sanierung des bestehenden 17 Kilometer langen Tunnels eingeplant hat.
Der Neat-Tunnel kostet sogar fast das Zehnfache – und ist mit seinen 57 Kilometern immer noch wesentlich kürzer als die geplante Logistikstrecke von Cargo Sous Terrain.
Keine Sicherheitsstollen nötig
Die verhältnismäßig geringen Kosten erklären sich mit den Sicherheitsanforderungen an den Tunnel. Weil der Güter- vom Personenverkehr getrennt wird, braucht es keine Schutzräume, keine Sicherheitsstollen, keine Belüftung oder Signalisation.
Wer die Kosten stemmen wird, ist bislang noch unklar – und ein Knackpunkt bei der Realisierung des Projektes. Unter der Federführung des ehemaligen Post-Vizechefs Peter Sutterlüti wird in den kommenden Monaten der Kontakt zu Investoren und zur Politik gesucht. Bis Ende des Jahres soll bereits die Finanzierung stehen.
Weitere fünf Jahre soll es dauern, um die Zustimmung aller Behörden zu erhalten. Im besten Fall beginnt der Bau der Teststrecke dann im Jahr 2021.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen unter dem Titel „Unterirdischer Güter-Tunnel kostet 3,5 Milliarden Franken“ bei der Schweizer „Handelszeitung“. Quelle: Xing[content_block id=29782 slug=ena-banner]