Schweizerischer Nationalfonds Das Wissen der Geschlechterforschung fliesst kaum in kantonale Gesetzgebungen ein

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logo-schweizerischer-nationalfonds-fonds-national-suisseBern (ots) – Die Ausgestaltung der kantonalen Steuer- und Sozialtransfersysteme bietet die Chance, für Männer und Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Doch das dazu vorhandene Wissen wird von den kantonalen Verwaltungen kaum berücksichtigt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Nationalen Forschungsprogramms „Gleichstellung der Geschlechter“ (NFP 60).

Gleichstellungspolitik findet auf vielen Ebenen statt, auch bei der Steuerpolitik. In der föderalistischen Schweiz ist es allerdings nicht einfach, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie sich die Steuerpolitik und die Ausgestaltung der so genannten Sozialtransfers – Sozialhilfe, individuelle Verbilligung der Krankenversicherung oder Subventionen zugunsten der familienergänzenden Kinderbetreuung – auf Alleinerziehende und Paare mit Kindern auswirken. Die entsprechenden Grundlagen sind von Kanton zu Kanton verschieden. In der Regel lohnt sich die Aufteilung der Erwerbsarbeit für Paare finanziell nicht. Diese Tatsache ist nicht nur gleichstellungs-, sondern auch wirtschaftspolitisch problematisch. Die kantonale Koordination von Steuer- und Sozialtransferpolitik ist ein wichtiger Hebel, mit dem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert und die Gleichstellung von Mann und Frau auf dem Arbeitsmarkt und in der Familie gefördert werden kann.

Verwaltungen nur zum Teil auf dem aktuellen Stand

Im Nationalen Forschungsprogramm „Gleichstellung der Geschlechter“ (NFP 60) gingen Forscherinnen und Forscher der Universität Luzern und des Büros Interface erstmals der Frage nach, welche Rolle von der Wissenschaft erarbeitete Informationen bei den kantonalen Gesetzgebungsprozessen zur Steuer- und Sozialtransferpolitik spielen. Mittels der Analyse von 60 Gesetzesänderungen in den Jahren 2008 bis 2011 und strukturierter Interviews mit den zuständigen kantonalen Fachleuten untersuchten sie, ob die Verwaltungen sich bei der Ausarbeitung der Gesetze auf das einschlägige Wissen gestützt hatten. Das Projekt konzentrierte sich auf die Gesetzgebungsprozesse, welche die Gleichstellung von Mann und Frau im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie betreffen.

Dabei zeigte sich, dass die kantonalen Verwaltungen in jedem Fall eigene Berechnungen zu den Auswirkungen der Gesetzesänderung durchführten, allerdings nur in der Hälfte der Fälle zu explizit gleichstellungsrelevanten Fragen. Nur bei 7 von 60 Gesetzgebungsprozessen wurden Analysen bei externen Fachleuten in Auftrag gegeben. Am beliebtesten war externes Expertenwissen von Kollegen: In 44 Fällen wurden Verwaltungsstellen anderer Kantone konsultiert. Als beispielhaft in Sachen Einbezug gleichstellungsrelevanter Informationen nennt der Politikwissenschaftler Andreas Balthasar das Gesetz über familienergänzende Betreuungseinrichtungen im Kanton Freiburg und die Revision des Steuergesetzes im Kanton Uri (beide 2011).

Brücke zwischen Politik und Wissenschaft

Auffallend ist, dass zwar rund die Hälfte der für die Gesetzgebungsprozesse Zuständigen angab, über relevante gleichstellungsbezogene Studien informiert zu sein. Argumentativ in den Gesetzgebungsprozess eingebracht wurden diese Studien jedoch kaum. Daraus schliessen die Forschenden, dass die Wissenschaft ihre Resultate transparenter machen und gezielt aufbereiten sollte. Zudem empfehlen sie, dass die Verwaltungen verstärkt am Gesetzgebungsprozess partizipieren, sich also bei politischen Anliegen nicht allein als Vollzugsorgane sehen, und verschiedene Lösungsvorschläge eruieren sollten. Ebenso sollte das Fachwissen der kantonalen Gleichstellungsexpertinnen und -experten stärker in die Gesetzgebungsprozesse einbezogen werden. Hier böten sich auf kantonaler Ebene jährlich gegen zwanzig Chancen, Anliegen der Gleichstellungspolitik einzubringen, sagt Balthasar.

Dieser Beitrag wurde am von unter schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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