Bern (ots) – Die Sauerstoffkonzentration in verschiedenen Grundwasserleitern des Schweizer Mittellandes hat während der letzten Jahrzehnte abgenommen. Die beobachteten Schwankungen lassen sich auf die Verstopfung der Gewässersohlen zurückführen, legen Resultate des Nationalen Forschungsprogramms „Nachhaltige Wassernutzung“ (NFP 61) nahe.
Unser Trinkwasser stammt grösstenteils aus Grundwasserleitern entlang der Fliessgewässer, die durch Infiltration gespiesen werden. Seit einigen Jahrzehnten steigt die Temperatur der Fliessgewässer regelmässig an. Bei der Analyse der Daten aus Gemeindepumpwerken haben Simon Figura, David Livingstone und Rolf Kipfer von der Eawag beobachtet, dass diese Tendenz sich auch beim Grundwasser zeigt: Es wird alle zehn Jahre im Durchschnitt 0,3 bis 0,6 Grad Celsius wärmer.
Sägezahnförmiger Rückgang
Eine Temperaturzunahme im Grundwasser wirkt sich wahrscheinlich negativ auf die Konzentration an gelöstem Sauerstoff aus. Sie begünstigt die biologische Aktivität und damit den Sauerstoffverbrauch, verringert aber gleichzeitig die Sauerstofflöslichkeit des Wassers.
Tatsächlich zeigt die neue Analyse (*) eine tendenziell sinkende Konzentration an gelöstem Sauerstoff. Im Gegensatz zur Temperatur erfolgt dieser Rückgang jedoch nicht kontinuierlich, sondern sägezahnförmig: Er wird durch plötzliche Zunahmen unterbrochen, was durch die Temperaturentwicklung allein nicht erklärt werden kann.
Aufgrund der Analyse der Abflussschwankungen und der Pumpmengen hat das Forscherteam eine neue Hypothese aufgestellt: Grosse Abflussmengen oder Pumpvolumen erhöhen die Infiltration in den Fliessgewässern und damit auch die Konzentration an gelöstem Sauerstoff. Doch bevor dies passieren kann, müssen Hochwasserereignisse die Verstopfung oder Kolmation der Gewässersohlen beseitigt haben. Diese Reinigung des natürlichen Flussbettfilters erlaubt dann erneut eine grössere Infiltration und eine bessere Versorgung des Grundwassers mit Sauerstoff.
Ihre Hypothese wird auch durch eine Beobachtung am Rhein gestützt: In den 1970-er Jahren verstopfte eine fünf Zentimeter dicke Schicht von Wandermuscheln den Flussboden. Einige Jahre später war diese Schicht wieder verschwunden, wie Taucher feststellten. Mit dem Verschwinden der Muscheln ging ein deutlicher Anstieg des gelösten Sauerstoffs im Grundwasser einher, wie die Messungen zeigten.
Ein Blick in die Zukunft
Die Klimaszenarien für das 21. Jahrhundert gehen von einem Anstieg der meteorologischen Extremereignisse aus. Es dürfte immer mehr Hitzesommer wie im Jahr 2003 geben. Damals ist der Sauerstoff in einigen Grundwasserleitern ausgegangen. Im sauerstofffreien (oder anoxischen) Grundwasser lösten sich Eisen- und Manganpartikel auf, die in den Pumpwerken wieder ausfielen und den Pumpbetrieb erschwerten.
Gleichzeitig dürfte die Zahl der Hochwasserereignisse zunehmen, die die Gewässersohlen reinigen und die Sauerstoffversorgung des Grundwassers begünstigen. Die Forscher gehen daher davon aus, dass sich die Tendenz zu einem langsamen Rückgang der Sauerstoffkonzentration fortsetzen wird, schätzen aber, dass Hochwasserereignisse sowie Schwankungen in den Abfluss- und Pumpmengen eine dauernde Sauerstoffarmut der Grundwasserleiter verhindern werden.
(*) Simon Figura, David Livingstone, and Rolf Kipfer (2013). Competing controls on groundwater oxygen concentrations revealed in multidecadal time-series from riverbank filtration sites. Water Resources Research. doi: 10.1002/2013WR013750 (Für Medienvertreter als PDF-Datei beim SNF erhältlich: com@snf.ch)
Nationales Forschungsprogramm „Nachhaltige Wassernutzung“
Das Nationale Forschungsprogramm „Nachhaltige Wassernutzung“ (NFP 61) erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen und Methoden für einen nachhaltigen Umgang mit den Wasserressourcen, die unter zunehmendem Druck stehen. Das NFP 61 untersucht die von den klimatischen und gesellschaftlichen Veränderungen hervorgerufenen Auswirkungen auf diese Ressource und identifiziert die Risiken und zukünftigen Konflikte, die mit ihrer Nutzung verbunden sind. Das NFP 61 verfügt über 12 Millionen Schweizer Franken für eine Forschungsdauer von vier Jahren. www.nfp61.ch