Besetzung
Musikalische Leitung Yi-Chen Lin
Cio-Cio-San (genannt Butterfly) Celine Byrne
Suzuki Aytaj Shikhalizada
B. F. Pinkerton Otar Jorjikia
Sharpless Yngve Søberg
Goro Michael Laurenz
Der Fürst Yamadori Patrik Reiter
Onkel Bonzo Levente Páll
Kate Pinkerton Sabine Winter
Der kaiserliche Kommissar Unnsteinn Árnason
Kind Aurel Boss
Bregenzer Festspielchor
Statisten der Bregenzer Festspiele
Prager Philharmonischer Chor
Wiener Symphoniker
Ein achtlos weggeworfenes Stück Japanpapier schreibt in „Madame Butterfly“ Geschichte
Papier – geeignet um Geschehnisse, Gedanken, Gefühle, Meinungen, Pläne, Träume aufzunotieren, Gegenstände zu verpacken, unsere Geschichte festzuhalten und Vieles mehr – spielte in der Menschheitsgeschichte schon immer eine grosse Rolle. Besonders das Japanpapier mit seiner speziellen Herstellungsart wird heute noch bei der traditionellen Tuschmalerei, bei der Restaurierung alter Bücher und anderen künstlerischen Bereichen verwendet. Einem solchen zerknüllten Blatt begegnete ich auf der Seebühne in Bregenz bei der Aufführung Giacomo Puccinis Oper „Madame Butterfly“! Dieses „Papierstück“ – in Leichtbauweise gefertigt – wiegt immerhin um die 300 Tonnen und erwies sich im Laufe des Abends nicht als ein unbeschriebenes Blatt Papier! Vielmehr wurde auf ihm die tragische Geschichte der „Madame Butterfly“ inszeniert.
Die amerikanische Flagge durchbohrt Papier
Das beeindruckende Ambiente verleitete mich einmal mehr zu kleinen Gedankenspielen. Die oft weissliche Bühne strahlte für mich Kühle und Distanziertheit aus. Beim Auftritt des amerikanischen Marinesoldaten Pinkerton (Otar Jorjikia) mit seinem Vermittler Goro (Michael Laurenz) kam das unbeschwerte Leben auf die Bühne. Goro vermittelt Pinkerton ein Haus, das er während 999 Jahren nutzen kann und er erhält obendrauf auch noch Clo-Cio-San genannt Madame Butterfly (Aytaj Shikhalizada). Da erscheint Sharpless (Yngve Soberg) ein amerikanischer Konsul und reagiert auf die ausschweifenden Bemerkungen Pinkertons, der sich über die japanische Ehe mit Butterfly lustig macht. Er bittet ihn, die Sache ernst zu nehmen. Pinkerton seinerseits kann dem Ansinnen des Konsuls nichts abgewinnen und trinkt auf seine zukünftige Ehe mit einer Amerikanerin… Es entstehen Risse im Papier und da bohrt sich auch ein Mast mit der amerikanischen Flagge durch das Bild. Ein Hinweis auf das werdende Drama?
Ein gefangener Schmetterling
Das Kennenlernen der Hochzeitsgemeinschaft gestaltet sich speziell. Butterfly – jung, naiv und unterordnend– spricht gutgelaunt über ihre Lebensgeschichte und zeigt Pinkerton ihre persönlichen Gegenstände. So zeigt sie ihm auch den Dolch, mit dem sich Butterfly’s Vater umgebracht hatte um die Ehre seiner Familie zu retten. Sie erwähnt auch, dass sie zum christlichen Glauben übergetreten ist, ohne es vorher ihrer Familie zu sagen. Butterfly opfert also alles, glaubt sie doch an die grosse Liebe! Das Fremde, das Neue, das Unbekannte, das Andere vernebelt und verklärt ihre Sinne und so nimmt das Schicksal seinen Lauf! Auch die deutlichen Worte ihres Onkels vermögen sie nicht zu stoppen und selbst das Verstossenwerden aus der Familie beeindruckt sie nicht. Der Name Butterfly ist Programm! Ein wunderschönes Insekt, flatternd, unbekümmert, entstanden durch eine unglaubliche Metamorphose ist auf dem besten Weg in die Gefangenschaft zu geraten und letztlich aufgespiesst, in einem Kasten ausgestellt, sprich dem Leben und der Freude beraubt, zu enden!
Wann brütet das Rotkehlchen?
Versprechen ist das eine, Wort halten das andere… Pinkerton fährt nach Hause und lässt Butterfly im Glauben, dass er zu ihr zurückkehren werde, wenn die Rotkehlchen brüten…
Wie stark muss die Liebe sein, wenn man drei Jahre in voller Ungewissheit warten kann? Und wie vernichtend muss die Erkenntnis letztlich sein, wenn man merkt, dass man nur benutzt und hingehalten wurde? Butterfly will selbst nach dem Besuch des Konsuls der Wahrheit immer noch nicht in die Augen sehen und denkt und wünscht sich die Situation schön! Sie will an ihre grosse Liebe glauben! Sie bereitet das Haus mit Blumen als Zeichen der Freude für ihren geliebten Pinkerton vor und realisiert ihre traurige Situation erst, als ihre vermeintlich grosse Liebe mit ihrer amerikanischen Ehefrau aufkreuzt, um das gemeinsame Kind nach Amerika mitzunehmen um ihm dort eine gesicherte Zukunft zu bieten. Wie kann man ein solches Schicksal akzeptieren? Wie kann man mit einer solchen Situation klarkommen? Ist ein Leben noch lebenswert, wenn einem alles genommen wurde oder wird? Auch der Glaube an die Liebe? Wenn dir nichts mehr bleibt ausser Zerwürfnis, Ausgenutztsein und Leere?
Butterfly besinnt sich auf die Ehre der Samurai und beendet ihr Leben gewaltsam mit dem Dolch ihres Vaters, dem es damals mit seinem Seppuku auch um die Ehrrettung seiner Familie ging…
Dargestellt mit dem lodernden Feuer über das zerknüllte japanische Bühnenbildpapier findet die Puccini-Oper ihr Ende und entlässt nach einem frenetischen Applaus das Publikum wieder in ihre eigenen Welten, die ehrlicher, freudvoller und von vielen empathischen Menschen geprägt sein mögen!
Grossartige gesangliche und schauspielerische Leistung
Die einzelnen Stimmen der SchauspielerInnen mochten zusammen mit dem Bregenzer Festspielchor vollends zu überzeugen. Einen Live-Einblick in das Top-Orchester der Wiener Symphoniker während der Aufführung zu erhalten, wertete das Ganze weiter auf! Es war eine überaus gelungene Aufführung Giacomo Puccinis Oper „Madame Butterfly“, wenn auch der technische Spektakel der Seebühne für dieses Jahr einmal etwas einfacher ausfiel als bei vergangenen Aufführungen!