Auf der Bregenzer Seepromenade ist nicht viel los an diesem Mittwoch, 3. April. Ein paar Mütter stossen Kinderwagen, ein paar Hunde ziehen an Leinen. Ein Lastwagen bringt zwei riesige Palmen aus ihrem Winterquartier zurück an ihren Sommer-Standort, ein paar Arbeiter in orangen Westen bereiten die Bootsanlegestelle vor, zwei Jugendliche kaufen Eis und Energy Drinks an einem der wenigen offenen Kioske. Von der Seebühne her hört man ein Klopfen und Hämmern, aber allmählich wird es ruhig auf der Baustelle dort. Die knapp 7000 Sitze der Tribüne sind leer bis auf zwei. Interessiert verfolgen dort zwei Besucher, wie drüben zwei schwarzgekleidete Männer eine rot-weiss bemalte runde Scheibe über die leicht abgeschrägte Bühne rollen, einmal rundherum bis sie wieder am selben Ort steht. «Was war das denn?», sagt der eine zum anderen. «Arbeitsbeschaffung wohl» meint der andere.
Buntes Gemenge
Die Ruhe, die nun über der Seebühne liegt, hat etwas Erwartungsvolles. Stative mit Lautsprechern werden aufgestellt, von links ertönt ein leises metallenes Geräusch: Der Kranführer ist unterwegs in seine Kabine. Wenig später schwebt ein rechteckiger schmaler Käfig über die Bühne, zwei Fotografen stehen drin, schwenken ihre riesigen Objektive in alle Richtungen und geben mit Handzeichen an, wo sie hingeführt werden wollen. Der riesige Clownkopf unter ihnen lächelt unbeirrt vor sich hin, die geschlossenen Augenlider wie gewölbte Sonnen-Markisen.
Eine Besucher-Gruppe inspiziert die Technik an der «Hand Bregenz», welche aus dem Wasser ragt. Zwei Haubentaucher verfolgen sich lautstark zwischen den Pfählen der Bühne. Möven umkreisen den riesigen Kopf und setzen sich respektlos auf Augen und Ohren. Immer mehr Leute strömen nun über den Steg Richtung Seehinterbühne. Ein Reporter des RTV Vorarlberg und sein Kameramann proben noch kurz eine Ansage bei der Tribüne, ehe sie sich dem Besucherstrom anschliessen. Fotografen mit riesigen Kameras, Rohren, geschulterten Stativen und umgeschnallten Taschen und Beuteln, lässig gekleidete Männer mit Schals und extravaganten Lederschuhen, Arbeiter in bauchigen Hosen und schweren Arbeitsstiefeln, junge Frauen mit trendigen Sonnenbrillen, gestandene Männer in Anzügen; eine bunte Mischung geladener Gäste hat sich eingefunden auf der Seebühne zum Richtfest von «Rigoletto».
Wenn ein Projekt zum Leben erweckt wird
Man kennt sich mehrheitlich und begrüsst sich herzlich. Man bestaunt die unglaubliche Hydraulik-Installation, schaut dem Clown direkt in den Kopf und in die Augenkugeln. Stative werden aufgestellt, Kameras gezückt, eine Drohne hat sich zu zwei Krähen gesellt, als wollte sie nicht auffallen. Die Kommunikationsverantwortliche Barbara Hingsamer schlängelt sich durch die Gäste, prüft die Schlange am Empfangstisch, schaut auf die Uhr. Dann endlich ist es soweit, DIE Rigoletto-Arie «La Donna è mobile» erschallt, dann wird es ruhig. Pressesprecher Axel Renner begrüsst seine Gäste: Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl, Intendantin Elisabeth Sobotka, Technikdirektor Wolfgang Urstadt, Bühnenmeister Manfred Achberger, Arbeitstaucherin Jessica Vogel und den Vertreter der Firma Steurer, Thomas Kaufmann. In kurzen, knappen Statements erzählen diese vom Abenteuer «Rigoletto». Stölzl schwärmt von der unglaublich tollen Zusammenarbeit des ganzen Teams und vergleicht den Arbeitseifer und den Willen, etwas wirklich Ausserordentliches zu schaffen mit dem Credo der Oberammergauer Passionsspiele.
Die Idee, welche er vor 3 Jahren gehabt habe, nun langsam Wirklichkeit werden zu sehen, das habe etwas unglaublich Aufregendes und Berührendes. Die Intendantin Elisabeth Sobotka bestätigt, wie begeistert sie sei, den Rigoletto, dieses knackige, knappe Stück, wie sie es nennt, zum allerersten Mal auf die Bregenzer Seebühne bringen zu dürfen. Auf die Frage, ob es auch statische Herausforderungen gegeben habe, antwortet Technikdirektor Urstadt mit einem kräftigen «Ja» und fügt an, dass diese sehr gross seien und sie weiterhin beschäftigten und Bühnenmeister Achberger meint, Rechtwinkliges bauen könne jeder, sie könnten aber eben auch mehr als das. Nur Arbeitstaucherin Jessica hält sich eher etwas bedeckt, wäre wohl lieber gleich wieder abgetaucht dorthin, wo’s ihr einfach grossen Spass mache zu arbeiten!
Wurst, Kraut und Bretzel
Die Präsentation wird kurz und knapp gehalten, man bekommt aber eine gute Idee davon, was hier geleistet wurde und noch wird. Es dürfen noch Fragen gestellt und Interviews gemacht werden, kurze Baustellenführungen werden angeboten, Fotografen schweben nach wie vor über der Bühne, aber jetzt ist die Baustellen-Jause angesagt. Bretzel, Würstchen, Sauerkraut, alles in rauen Mengen vorhanden, Gläser mit Sekt, Weisswein, Bier und Mineral werden immer wieder nachgeschoben. Man sitzt an Festtischen, verteilt sich auf die Stehtische, Palettentürme werden umfunktioniert zu Ablageflächen, es herrscht ein emsiges Treiben zwischen Werkzeugen, Kabeln, Gestängen, Holzbeigen und einem einsamen Kräutergärtchen, dort, wo sich in dreieinhalb Monaten die Operncrew tummeln wird. Die farbige, gutgelaunte Besucherschar geniesst das gelungene Richtfest in vollen Zügen unter der wohlwollend milden Abendsonne.
Trailer Bregenz Seebühne Aufbau im Zeitraffer
www.youtube.com/watch?time_continue=4&v=c_KUaN_eWw8
Kleine Fotodiashow des Richtfestes von Karl Forster und Gabriela Bucher – Liechti:
Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: bregenzerfestspiele.com/de
www.leonardwuest.ch Paul Ott:www.literatur.li