Besetzung und Programm:
Staatskapelle Berlin
Susanna Mälkki Dirigentin
Wiebke Lehmkuhl Alt Eric Cutler Tenor
Ursache und Wirkung zu Mahlers Werk
1907 brach für Gustav Mahler die Welt zusammen. Im Juni musste er nach einer antisemitischen Hetzkampagne sein Amt als Wiener Hofoperndirektor niederlegen, am 12. Juli starb seine erst fünfjährige Tochter Maria, und fünf Tage später wurde bei ihm selbst ein unheilbares Herzleiden diagnostiziert. Nach diesen drei Schicksalsschlägen habe er «wie ein Anfänger wieder gehen und stehen lernen» müssen, bekannte er gegenüber dem Dirigenten Bruno Walter. Trost fand Mahler in einem Bändchen mit alter chinesischer Lyrik, die um Liebe und Schönheit, Natur und Vergänglichkeit kreist. Sechs der Gedichte wählte er aus, vertonte sie und veröffentlichte sie als Das Lied von der Erde: eine Sinfonie für Alt, Tenor und Orchester, die mit teils kammermusikalischer Instrumentation und ihrer Tendenz zur Vergeistigung den Beginn seines Spätwerks markiert.
Einführung in die Welt von Mahler mit Blumine als Appetizer
Gustav Mahlers „Blumine“ ist ein faszinierendes Werk, das oft als ein interessanter Zusatz zu seinem berühmten ersten Satz der „Ersten Symphonie“ betrachtet wird. Ursprünglich als eigenständiges Stück komponiert, wird es hier von der Berliner Staatskapelle unter der Leitung von Susanna Mälkki eindrucksvoll interpretiert. Mälkki, eine renommierte Dirigentin, bringt eine besondere Sensibilität und Tiefe in ihre Aufführung.
Wunderbare Klangfarben
Die Berliner Staatskapelle, bekannt für ihre außergewöhnliche Klangqualität, liefert eine beeindruckende Darbietung von „Blumine“. Die feinsinnige Artikulation und das präzise Zusammenspiel der Musiker lassen die melancholische Schönheit des Werkes lebendig werden. Besonders hervorzuheben ist die wunderbare Balance zwischen den Instrumenten, die es ermöglicht, die delikaten Melodien und die emotionalen Nuancen von Mahlers Komposition hervorzuheben.
Mälkkis Dirigierstil
Susanna Mälkki bringt eine beeindruckende Klarheit und Struktur in die Aufführung des 7minütigen Werkes. Ihre Interpretation ist geprägt von einem tiefen Verständnis für Mahlers komplexe musikalische Sprache. Die subtilen dynamischen Schattierungen und die präzise Führung der verschiedenen musikalischen Themen zeugen von ihrer großen Erfahrung und ihrem Engagement für das Werk. die Fähigkeit der Finnin, sowohl die zarten als auch die dramatischeren Momente des Stücks wirkungsvoll zu gestalten, ist besonders bemerkenswert. Die Darbietung ist sowohl technisch herausragend als auch künstlerisch tiefgründig. Diese Interpretation bringt die einzigartige Schönheit und Komplexität von Mahlers Werk auf eindrucksvolle Weise zur Geltung und ist ein wahres Highlight für Liebhaber der symphonischen Musik.
Einführung in Mahlers Meisterwerk
Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“ ist ein symphonischer Liedzyklus, der in der Musikgeschichte für seine emotionale Tiefe und seine innovative Struktur bekannt ist. Die Berliner Staatskapelle unter der Leitung von Susanna Mälkki bietet mit ihrer jüngsten Aufführung dieses Werkes eine eindrucksvolle Interpretation. Das Werk, das auf chinesischen Gedichten basiert, entfaltet in dieser Darbietung seine gesamte prachtvolle und melancholische Dimension. Die herausragenden Solisten Wiebe Lehmkul (Altistin) und Eric Cutler (Tenor) verleihen der Aufführung zusätzliche Tiefe und Authentizität, haben aber, insbesondere der amerikanische Tenor, gelegentlich Mühe gegen das doch sehr laute Orchester anzusingen.
Das Zusammenspiel von Orchester und Solisten
In dieser Aufführung zeigt die Berliner Staatskapelle unter Mälkki eine herausragende Beherrschung des komplexen Orchesterparts. Die Kapelle bringt die subtilen Nuancen und emotionalen Schattierungen des Werkes meisterhaft zum Ausdruck. Besonders bemerkenswert sind die Präzision und Klarheit, mit der die Musiker die feinen Übergänge zwischen den Sätzen gestalten. Diese präzise und nuancierte Orchesterarbeit bildet die ideale Grundlage für die Solisten, um ihre Interpretationen voll zur Geltung zu bringen.
Wiebe Lehmkul: Altistin von großer Ausdruckskraft
Wiebe Lehmkul beeindruckt in ihrer Rolle als Altistin durch ihre herausragende stimmliche Qualität und emotionale Tiefe. Ihre Interpretation der altistischen Partien zeichnet sich durch eine beeindruckende Mischung aus Kraft und Zartheit aus. Besonders in den lyrischen Momenten des Werkes, wie im „Der Trunkene im Frühling“ und „Der Abschied,“ zeigt sie eine bemerkenswerte Fähigkeit, die melancholische Stimmung und die textlichen Feinheiten mit großer Sensibilität zu vermitteln. Ihre Stimme verschmilzt wunderbar mit dem Orchester und bringt die emotionale Resonanz von Mahlers Musik auf eindrucksvolle Weise zum Vorschein.
Eric Cutler: Tenor mit emotionaler Intensität
Eric Cutler als Tenor bringt eine starke Präsenz und emotionale Intensität in seine Rolle. Sein Vortrag zeichnet sich durch eine kraftvolle und gleichzeitig nuancierte Stimme aus, die die dramatischen und introspektiven Momente des Werkes hervorragend zur Geltung bringt. Besonders hervorzuheben ist sein Engagement in den Passagen, die von tiefer Reflexion und existenzieller Fragestellung geprägt sind. Cutlers Interpretation verleiht den Texten eine intensive Emotionalität und verstärkt die Gesamtwirkung des Werkes erheblich.
Susanna Mälkki: Dirigentin mit feinem Gespür
Die finnische Dirigentin zeigt in ihrer Leitung von „Das Lied von der Erde“ ein feines Gespür für die Komplexität und Emotionalität von Mahlers Musik. Ihre Interpretation ist geprägt von einer tiefen Kenntnis des Werkes und einem ausgeprägten Verständnis für die Balance zwischen Orchester und Solisten. Mälkki meistert die dynamischen Kontraste und die subtile dramatische Entwicklung des Werkes mit großer Präzision. Ihre Fähigkeit, sowohl die großangelegten orchestralen Passagen als auch die intimen Momente der Solisten feinfühlig, aber auch sehr gestenreich zu gestalten, macht diese Aufführung zu einem durchweg beeindruckenden Erlebnis.
Fazit: Eine ergreifende Darbietung
Die Aufführung von Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“ durch die Berliner Staatskapelle unter Susanna Mälkki, mit Wiebe Lehmkul und Eric Cutler als Solisten, ist eine musikalische Offenbarung. Die Interpretation vereint technische Brillanz und emotionale Tiefe und bringt die Komplexität und Schönheit dieses bedeutenden Werkes auf außergewöhnliche Weise zur Geltung. Die Feinfühligkeit des Orchesters, die Ausdruckskraft der Solisten und die präzise Leitung Mälkkis schaffen eine unvergessliche Darbietung, die sowohl das Publikum bewegt als auch die zeitlose Schönheit von Mahlers Musik zum Leben erweckt. Leider war das Orchester doch etwas sehr laut im Verhältnis zu den beiden Stimmen.
Das Auditorium zeigte sich beeindruckt von der Darbietung und bekundete dies auch mit einem langanhaltenden Schlussapplaus
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Priska Ketterer, Peter Fischli und Patrick Hürlimann www.lucernefestival.ch
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