Besetzung und Produktion:
Künstlerische Leitung: Isabelle Ruf – Weber
Regie : Björn B. Bugiel
Christoph Waltle, René, Graf von Luxemburg
Andrea Hofstetter,Angèle Didier
Rezension:
Ein fürstlicher Graf von Luxemburg
Angesichts dieser absolut hochstehenden Inszenierung der Operette «Der Graf von Luxemburg» in Sursee sei ein kurzer Rückblick erlaubt: Wenn man früher, ganz früher, die Operette besuchte, war das, weil man die Hälfte der Mitwirkenden kannte, auf der Bühne und im Orchestergraben. Meist wusste man zum Voraus, welche Rolle mit wem besetzt werden würde. Die Kulissen bestanden aus gemalten Landschaften, da gabs Wirtshaus-Imitationen, hie und da ein Brunnen mit künstlichen Blumen. Schauspielerisch und gesanglich waren nicht immer alle auf demselben Niveau, aber alle waren mit viel Herzblut dabei. Die Surseer Operette lebte von ihrem regionalen Bezug, das war gemütlich, vertraut, amüsant aber bereits damals staunte man, was mit den zur Verfügung stehenden Mitteln geboten wurde. Nicht dass man dem nachtrauern sollte oder tut, keinesfalls, der Vergleich drängte sich aber am Premierenabend letzten Samstag auf, denn laut Aussagen von Daniel Gloor, des Präsidenten der Musik- und Theatergesellschaft Sursee, stand einer der anwesenden Premieren-Besucher vor 42 Jahren in eben dieser Operette selber auf der Bühne.
Die Surseer Operette war schon immer Garant für gute Unterhaltung, was aber dieses Jahr geboten wird, ist wohl in jeder Hinsicht kaum mehr zu steigern.
Fürstlich-gräfliche Liebeleien
Ganz kurz im Eiltempo zur Handlung: Alternder Fürst – eigentlich seit Jahren einer Gräfin im fernen Russland in Ehe versprochen – verliebt sich unsterblich in Nicht-Adlige, verkauft sie in vorübergehender Heirat an einen jungen aber mittellosen Adligen, um sie nach der Scheidung 3 Monate später als Geadelte selber ehelichen zu können. Die arrangierte Heirat geschieht inkognito, die beiden sehen sich nicht und tauschen Ringe durch ein Loch in der Leinwand des Gemäldes «Altar von Notre-Dame» des jungen Malers und Bohemiens Armand (noch 25 Gemälde-Zerstörungen stehen an in Sursee…).
Kurz vor Ablauf der 3 Monate lernt sich das Noch-Ehepaar – wieder inkognito – kennen und lieben. Verzwickte Situation, wie in Operetten üblich, aber wie ebenfalls üblich löst sich alles zu Gunsten der Liebenden. Jeder kriegt, wen er verdient, ob es auch für jeden der oder die ist, die er liebt, ist eine andere Frage.
Wenig Handlung, trotzdem grosse, starke Szenen, opulente, gefühlvolle Melodien, das musste visuell aufgenommen und in Bühne und Kostümen wiedergespiegelt werden, erklärte Regisseur Björn B. Bugiel. Zudem gelte es, die von Jahr zu Jahr steigenden Erwartungen des Publikums zu erfüllen. Dass dabei die Ehrenamtlichen und auch die Bühne langsam an Grenzen stossen, hatte Daniel Gloor vorgehend bereits erzählt. Seine Zahlen belegen den Aufwand: über 3000 Arbeitsstunden für Bühnenbild und Kostüme, 130 vorprogrammierte Lichteinstellungen, 100 kg geklebte und genähte Pailletten, jeder Zentimeter der Bühne ausgenutzt und 858 Lämpchen im Einsatz (wofür sei nicht verraten, um den diesjährigen «Wow-Effekt» nicht zu beeinträchtigen). So aufwändig sei noch keine Operette gewesen, meinte Gloor und er sei zuversichtlich, dass es ihnen gelungen sei, eine noch glanzvollere Inszenierung zu kreieren als in den Vorjahren.
Grossartige Bühnenbilder
Das ist auch der Fall, Bühnenbilder und Kostüme begeistern: die stilisierte Pariser-Strassenschlucht mit Paillettenfenstern im ersten Akt ist gigantisch, der musikalische Auftakt des zweiten Aktes geht sogar unter im begeisterten Applaus des Publikums: der riesige, goldene Vorhang, die Roben der Damen, die weisse Treppe und Angèle in ihrem blutroten Kleid, eine Augenweide! Auch das Künstleratelier überzeugt in seiner Schlichtheit und das Foyer des Grand Hôtel mit rotem Samt und Kronleuchter erinnert an vergangene mondänere Zeiten.
Gesangliche Höchstleistungen
Das Sängerensemble ist sehr homogen und überzeugt auf hohem Niveau, Andrea Hofstetter ist eine glaubhaft elegante Angèle Didier, Christoph Waltle ein verführerischer, leicht sentimentaler Graf von Luxemburg, Olivia Allemann als Juliette und Niklaus Loosli als Armand sind gewinnend in ihrer Frische und Verspieltheit, Jens Olaf Müller gibt auf sehr amüsante Weise den alternden, leicht lächerlich verliebten Fürsten Basil Basilowitsch und Raya Sarontinos Stimme passt hervorragend zur verruchten Gräfin Stasa Kokozowa. Nicht missen möchte man das verschworene Trio von Damian Ahcin, Alois Suter und Andreas Fitze, welches für die Komik zuständig ist.
Ein Hauch von Moulin Rouge
Das Ballett glänzt mit mehr Auftritten als üblich. Im Karnevalsumzug des ersten Aktes legen die Tänzerinnen einen wahren Kostümmarathon hin (die Kostüme wurden in Zusammenarbeit mit der Willisauer LU Couture AG extra dafür angefertigt) im 3. Akt holen sie gar das Moulin Rouge nach Sursee. Über das kleine fehlende Stückchen Stoff bei diesem glamourösen Kostüm lässt sich diskutieren, aber der folgende «Wow-Effekt» lässt dies schnell vergessen.
Das Orchester unter der kompetenten Leitung von Isabell Ruf-Weber stellt sich nie in den Vordergrund, bleibt wunderbare Begleitung des Sänger-Ensembles und überzeugt mit schönen Bläser-Solis und schmelzenden Harfen-Einlagen (endlich wieder einmal, schwärmt die Dirigentin). Ob Temposchwankungen, Verzögerungen oder Rubati, Isabelle Ruf-Weber hat ihr Orchester und das Sängerensemble fest im Griff und was der lediglich 24-köpfige Chor leistet ist bemerkenswert.
Eine rundum mehr als gelungene Sache, die Surseer Operette ist ganz oben angekommen. Das Premierenpublikum dankte mit einer Standing Ovation. Operettenfan oder nicht, man sollte sich diese Aufführung nicht entgehen lassen, und sei es nur, um sich zu überzeugen, was auf Sursees Theater-Bühne möglich ist! Fehlt nur noch, dass im Foyer über den Köpfen des Publikums ein leichter Duft von «Trèfle Incarnat» schwebt…
Fotos: stadttheater-sursee.ch/willkommen
Kleine Fotodiashow der Produktion von Roberto Conciatori:
Eine kleine Geschichte die das Theaterleben schrieb von Gabriela Bucher – Liechti: die „Zimmis und die Operette“:
Paul Ott:www.literatur.li www.leonardwuest.ch