Produktion und Besetzung
Katrin Gurtner Produktionsleitung Harald Siegel Musikalische Leitung Francesco Cagnasso Musikalische Assistenz/Nachdirigate
Ursula Lysser Regie Christina Teuber Regieassistenz Peter G. Meyer Chorleitung
Catherine Treyvaud Fix Choreografie Ballett Dietlind Ballmann Leitung Kosümbild
Hanni Nievergelt Leitung Maske Lars Bolliger Leitung Bühnenbild
Solist*innen
Max von Lütgendorff Sándor Barinkay Valentina Russo Sáffi Jeanne-Pascale Künzli Czipra
Martin Weidmann Kálmán Zsupán Raphaela Felder Arsena Niklaus Loosli Ottokar
Raya Sarontino Mirabella Fabian Egli Graf Peter Homonay Wolf H. Latzel Graf Peter Homonay
Christian Menzi Conte Carnero Andreas Fitze Pali ChorKinderchorBallettOrchester
Vorgeschichte
Katrin Gurtner, die die Produktionsleitung von Isabelle Ruf übernommen hat, bestätigt an der Medienorientierung vor der Premiere, dass einiges neu sei, das gut bewährte aber beibehalten würde. Natürlich spürten auch die Sorser Corona-Auswirkungen erläuterte Daniel Gloor, der Präsident der Theatergesellschaft, so habe man eine ungewöhnlich hohe Fluktuation verzeichnet, sei aber in der glücklichen Lage, die entstandenen Lücken ebenbürtig aufzufüllen, ja, der Chor ist eher gewachsen und hat sich verjüngt. Zudem konnte, in Zusammenarbeit mit der Musikschule Sursee, zum ersten Mal einen Kinderchor aufgestellt werden, dies ganz im Sinne des Komponisten, der sich wünschte, dass auch Kinder mitspielen.
Nachdem auch die Regisseurin Ursula Lysser, die erst im September zum neuen Team dazugestossen war und der musikalische Leiter Harald Siegel einige Erläuterungen abgegeben hatten, war die Journalistinnen Gruppe gut gerüstet für die gleich anschliessende Vorstellung.
Entstehungsgeschichte
Ungewöhnlich lange brauchte Johann Strauß (Sohn) für die Fertigstellung seiner Operette „Der Zigeunerbaron“. Zwei Jahre lang arbeitete er an den drei Akten, deren Handlung auf einer Novelle des ungarischen Schriftstellers Mór (Maurus) Jókai beruht, bevor das Werk 1885 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde. „Der Zigeunerbaron“ zählt zu Strauß’ größten Bühnenerfolgen und ist auch heute noch sehr beliebt. Die Handlung spielt 1741 in der Gegend um Temesvár, als 25 Jahre nach der Schlacht bei Belgrad Sándor Barinkay in die Heimat seines damals verstoßenen Vaters zurückkehrt. Die elterlichen Güter sind besetzt und er verliebt sich zunächst in eine Frau, die ihn wegen seines verlorenen Titels verspottet
Die Handlung des «Zigeunerbaron»
Die ungarischen Grenzlande in Siebenbürgen sind vom Krieg verwüstet. Der türkische Statthalter, der Pascha von Temesvár, musste fliehen und seine kleine Tochter Sáffi zurücklassen, die, von der alten Zigeunerin Czipra behütet, als Zigeunerin aufwächst.
Die wohlhabenden Eltern von Sándor Barinkay, mit dem türkischen Pascha befreundet, mussten ins Exil gehen und starben dort.
Die Story um den Abenteurer Sándor, der die Schweinezüchtertochter heiraten will und sich dafür zum „Zigeunerbaron» ernennt, hat die Regisseurin verdichtet, gekürzt. Sie erzählt sie aus der Perspektive eines ewiggestrigen Grafen, der nichts Anderes will, als die gute alte Ordnung wiederherzustellen, die nach dem Krieg im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn allerdings komplett out ist.
Das Bühnenbild von Lars Bolliger zweckmässig, in etwa so (un)spektakulär wies halt die ungarische Puszta ist.
Das Ballett, das des Öftern zwischendurch kurze Auftritte hat, wirkt durch den Hinzuzug von Choreografin Catherine Treyvaud Fix deutlich professioneller und lockert die Szenerie angenehm auf.
1.Akt
Nachdem er 10 Jahre durch die Welt gereist ist, erbt Sándor Barinkay das heruntergekommene Landgut seines Vaters. Conte Carnero, ein königlicher Kommissär, unterstützt ihn bei der Abwicklung der Erbschaft.
Die Solisten, vor allem Max von Lütgendorff als Sándor und Valentina Russo als die begehrte „Zigeunerin“ Saffi spielen und singen mit Verve und Witz, sehr operettenhaft und schmissig,
Eine Zigeunergruppe lebt auf seinem Anwesen und sein Nachbar, Schweinezüchter Zsupán, hat sich mit seinem Unternehmen auf Barinkays Grundstück breitgemacht. Barinkay möchte keinen Streit und willigt im Gegenzug ein, Arsena, die Tochter Zsupáns, zu heiraten. Arsena weist ihn jedoch ab, weil sie nur (mindestens) einen Baron heiraten will. Tatsächlich liebt sie Ottokar, den Sohn ihrer Erzieherin und Gouvernante Mirabella, kongenial verkörpert und gesungen von Raya Sarontino, die, so wird sich später noch herausstellen, die Exfrau des Conte Carnero ist, die dieser in einen türkischen Harem verschleppt wähnte.
Barinkay zieht sich zu den Zigeunern zurück, die ihn mit offenen Armen aufnehmen und zum Zigeunerbaron krönen.
Da er trotz seines Titels von Arsena wieder abgewiesen wird, beschließt er aus Rache das Zigeunermädchen Sáffi zu heiraten, die Tochter der Wahrsagerin Czipra, herrlich verkörpert von Jeanne-Pascale Künzli, die auch über das nötige stimmliche Rüstzeug für diesen anspruchsvollen Part verfügt.
Die beiden verlieben sich aber tatsächlich Hals über Kopf ineinander, was in diesen Zeiten ein absoluter Skandal war.
Die Arien des ersten Aktes
- Nr. 1, Introduktion – „Das wär‘ kein rechter Schifferknecht“ (Ottokar, Czipra, Chor)
- Nr. 2, Entrée-Couplet – „Als flotter Geist“ (Barinkay, Chor)
- Nr. 3, Melodram und Ensemble – „So täuschte mich die Ahnung nicht“ / „Ja, das Schreiben und das Lesen“ (Czipra, Saffi, Barinkay, Carnero, Zsupán)
- Nr. 4, Couplet – „Just sind es vierundzwanzig Jahr“ (Mirabella, Chor) [Die Nr. 4 wird oft in Aufführungen und Einspielungen gestrichen, so auch in der Surseer Inszenierung.]
- Nr. 5, Ensemble – „Dem Freier naht die Braut“ (Arsena, Barinkay, Zsupán, Carnero, Mirabella, Chor)
- Nr. 5a, Sortie – „Ein Falter schwirrt ums Licht“ (Arsena)
- Nr. 6, Zigeunerlied – „So elend und so treu“ (Saffi)
- Nr. 7, Finale I – „Arsena! Arsena!“ (Saffi, Arsena, Czipra, Mirabella, Barinkay, Ottokar, Zsupán, Carnero, Chor)
2.Akt
Sáffi träumt in der Brautnacht von einem versteckten Schatz, den Barinkay auch findet. Da erscheint Graf Homonay, stehend auf einem Planwagen wie man sie auch aus alten Westernfilmen kennt, um lautstark Soldaten für den Krieg in Spanien zu rekrutieren. Er trickst Ottokar und Zsupán per Handschlag aus und setzt auch viele Fässer Tokajer, sogenannter Werber Wein ein, um potentielle Kandidaten euphorischer zu stimmen und so leichter rekrutieren zu können. Sie müssen als Soldaten mitziehen.
Barinkay übergibt seinen Schatz als Unterstützung an sein Vaterland. Da enthüllt Czipra, dass Sáffi die Tochter des ehemaligen türkischen Paschas ist, also eine Prinzessin. Barinakay fühlt sich ihrer nicht ebenbürtig und beschließt, in den Krieg zu ziehen um sich zu beweisen.
Im zweiten und dritten Akt – Sándor liebt jetzt Saffi, die Jungs ziehen in den Krieg und kehren arg lädiert, wenngleich lebendig zurück – zieht das Tempo an. Die Darsteller*innen dürfen viele Male spontanen Szenenapplaus geniessen. Dirigent Harald Siegel lässt akustische Funken sprühen, die Walzer laden ein zur Seligkeit. Fast drei Jahre erzwungene Untätigkeit haben praktisch keine Spuren hinterlassen, die Spielfreude ist gross, die Erleichterung, endlich wieder im Sorser Orchestergraben zu sitzen spürbar. Die Musiker und das Ensemble harmonieren, trotz teils grossen Fluktuationen in der Leitung und im Chor, als wäre nie was anderes gewesen. Die Inszenierung hat Witz, sie ist durchdacht, das Premierenpublikum, wie immer zum grossen Teil Einheimische und/oder aus der näheren Umgebung, zwar durchaus kritisch aber auch überzeigt von den Leistungen der über 150 Mitwirkenden auf und hinter der Bühne.
Die Arien des zweiten Aktes
- Nr. 8, Terzett – „Mein Aug‘ bewacht“ (Saffi, Czipra, Barinkay)
- Nr. 9, Terzett – „Ein Greis ist mir im Traum erschienen“ (Saffi, Czipra, Barinkay)
- Nr. 10, Ensemble – „Auf, auf, vorbei ist die Nacht!“ (Pali, Chor)
- Nr. 11, Duett – „Wer uns getraut“ (Saffi, Barinkay)
- Nr. 12, Couplet – „Nur keusch und rein“ (Carnero) [Die Nr. 12 wird regelmäßig in Aufführungen und Einspielungen gestrichen.]
- Nr. 12 1/2, Werber Lied – „Her die Hand, es muss ja sein“ (Homonay, Chor)
- Nr. 13, Finale II – „Nach Wien!“ (Saffi, Czipra, Mirabella, Arsena, Barinkay, Ottokar, Carnero, Homonay, Zsupán, Chor)
3.Akt
Einen Spanienfeldzug später … In der Hauptstadt des Hauses Habsburg, der Walzerstadt Wien, kehren die mehr oder weniger mutigen Helden des Krieges heim und werden – kraft der hoheitsvollen Hand Graf Homonays – mit den für sie vom Schicksal vorgesehenen Damen vereint. Barinkay wird für seinen Mut ausgezeichnet und erhält den Titel „Baron“. Sáffi wird endlich hochoffiziell seine Frau. Zsupán muss das seit Jahrzehnten gehegte Pantscherl mit Mirabella legitimieren, Arsena bekommt endlich ihren Ottokar und auch Bárinkay und Saffi finden zu guter Letzt zueinander. „Wenn man’s kann ungefähr, ist’s nicht schwer …Also fast wie in jeder Operette Ende gut, alles gut.“
Neues Leitungsteam meistert die Feuertaufe souverän
Auch mit dem neuen Leitungsteam ist die Surseer Operette auf gutem Weg, die fast 100jährige Erfolgsgeschichte, seit dem «Fidelen Bauer» 1928, weiterzuschreiben. Die Solist*innen agierten gesanglich, wie auch schauspielerisch auf sehr hohem Niveau, lassen vergessen, dass immer noch mehrheitlich Laien auf der Bühne agieren. Der in dieser Operette gesanglich stark geforderte Chor war jederzeit auf der Höhe der Aufgabe.
Die Arien des dritten Satzes
- Nr. 14, Chor – „Freuet euch!“ (Chor)
- Nr. 15, Couplet – „Ein Mädchen hat es gar nicht gut“ (Arsena, Mirabella, Carnero)
- Nr. 16, Marsch-Couplet – „Von des Tajo Strand“ (Zsupán, Chor)
- Nr. 17, Einzugsmarsch – „Hurra, die Schlacht mitgemacht!“ (Chor)
- Nr. 18, Finale III – „Heiraten! Vivat!“ (Saffi, Czipra, Mirabella, Arsena, Barinkay, Ottokar, Homonay, Zsupán, Chor)
Zur musikalischen Seite
Musikalisch arbeitete Strauß in seinem „Zigeunerbaron“ herrlich filigran die Gegensätze zwischen der feinen österreichischen Gesellschaft und den leidenschaftlichen Zigeunern heraus. Mit Witz und Charme verknüpft er die musikalisch dargestellten unterschiedlichen Lebensweisen, indem er zum Beispiel mal melancholische mal energische Zigeunermusik und wienerisch angehauchte Polka- und Walzerklänge einander gegenüberstellt. Die Blasorchesterbearbeitung der Ouvertüre zu „Der Zigeunerbaron“ bietet für sämtliche Register musikalische und technische Herausforderungen. Ihre einzigartige Wirkung kann sich nur dann entfalten, wenn die Musiker blitzschnell zwischen den vielen unterschiedlichen Stimmungen und Musikstilen wechseln und sowohl den österreichischen Schmäh als auch die Exotik der Zigeuner überzeugend zum Erklingen bringen.
Höhepunkte u.a. die folgenden Arien
- Als flotter Geist mit dem Refrain Ja, das alles, auf Ehr‘ (Auftrittslied des Sandor Barinkay),
- Ja, das Schreiben und das Lesen sind nie mein Fach gewesen (Auftrittslied des Kalman Zsupan),
- O habet acht, habet acht vor den Kindern der Nacht! (Arie der Saffi)
- Wer uns getraut? (Duett Saffi-Sandor)
Einige Bedenken bleiben
Die einzige, aber wichtigste Frage die offen bleibt: Wie wird das traditionell eher ländlich geprägte Surseer Operettenpublikum auf dieses, schon fast Opern artige Werk reagieren. Ein Publikum, das sich von einer Operette eher etwas mehr Klamauk und Gaudi erwartet, beim «Zigeunerbaron» aber fast ausschliesslich mit Musik, wenn auch sehr guter und schöner, Vorlieb nehmen muss. Kommt hinzu, dass der Text des Librettisten Ignaz Schnitzer, basierend auf der Novelle „Sáffi des populären ungarischen Schriftstellers Maurus „Mór“ Jókai, äusserst umfangreich ist. Dieser wurde vorsichtshalber von Regisseurin Ursula Lysser gestrafft. Sie übertrug dafür dem Conte Carnero die zusätzliche Rolle eines Erzählers, dessen Dialoge, witzig, hintergründig, amüsant sich wie ein roter Faden ziehen, ein Kompass zur Orientierung durch die Handlung dienten. Ein äusserst kluger Schachzug. Zwar läuft auch diese Geschichte ab, wie fast alle anderen Operetten. Zuerst findet sich ein Pärchen, obwohl mindestens ein Teil davon auf eine andere Partnerin fixiert wäre, aber am Schluss haben sich, natürlich nach den üblichen Irrwegen, Verwirrungen, Intrigen usw. doch die jeweils richtigen Duos gefunden. Soweit so gut, nur kommen hier noch die Nebenschauplätze einer Erbschaftsangelegenheit, einer Schatzsuche ( nicht in Form einer weiblichen Person) und eines reellen Krieges dazu, was den Plot natürlich sehr kompliziert. Umso mehr sind da die Informationen des Erzählers hilfreich, damit man sich auch einigermassen im Gewirr der Geschichte orientieren kann und kapiert, was da vor sich geht.
Die Bedenken relativieren sich angesichts der Tatsache, dass doch jetzt schon 90 Prozent aller Tickets im Vorverkauf abgesetzt worden, so Präsident Daniel Gloor.
Dem Auditorium an der Première jedenfalls hats gefallen und sie belohnten die Protagonist*innen mit einer langanhaltenden stehenden Ovation, worauf diese sich mit einer Wiederholung der Schlussarie bedankten.
Blödsinnige Diskussionen über den, politisch unkorrekten? Operettentitel
Bereits sind in vielen deutschsprachigen Musikhäusern grosse Diskussionen im Gange, ob gewisse Texte noch als politisch korrekt so belassen werden dürfen und natürlich ist auch der Operettentitel «Der Zigeunerbaron» für einige nicht mehr vertretbar. Besonders hoch gingen die Wogen an der Wiener Volksoper und die Diskussionen über die dortige Inszenierung füllte die entsprechenden Gazetten.
Irgendwann sollte es doch mal genug sein mit diesen ewigen Gender- und political corectness Diskussionen, als ob wir keine grösseren Probleme hätten auf der Welt, ich jedenfalls gehe gerne in Lokale wo Gypsy Jazz, also Zigeunerjazz, gespielt wird, selbstredend, für einen absoluten Django Reinhard Fan.
Ich möchte wirklich nicht einen Bericht schreiben über die Operette eines von nicht sesshaften ungarischen Fahrenden zum Baron ernannten Landbesitzers.
Kleine Fotodiashow von Roberto Conciatori:
www.youtube.com/watch?v=TBDhzb4XlD4&t=19
Text: www.leonardwuest.ch
Fotos: Roberto Conciatori www.stadttheater-sursee.ch
www.gabrielabucher.ch www.herberthuber.ch