Studie der Hochschule Luzern: Retail Banken zeichnen düsteres Bild für die Zukunft

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Hochschule Luzern-HSLU

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In seiner fünften Studie zum Schweizer Retail Banken-Markt zeigt das Institut für
Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern auf: Die Banken schätzen ihre Zukunft mehrheitlich eher pessimistisch ein. Gleichzeitig veranschaulicht die
Kennzahlenanalyse, dass just Kleinbanken erfolgreich unterwegs sind.
Die «IFZ Retail Banking-Studie 2016» der Hochschule Luzern setzt fünf Schwerpunkte: Der erste Teil der Studie befasst sich mit den Entwicklungen der Unternehmensumwelt, dafür wurden Geschäftsleitungsmitglieder befragt. Im zweiten Teil werden die Kennzahlen der Schweizer Retail
Banken analysiert und die besten Banken gekürt. Im dritten Teil fokussiert die Studie auf die Staatsgarantie von Kantonalbanken und zeigt Vor- und Nachteile für Banken und Kantone auf. Im vierten Teil veröffentlichen die Autoren erstmals Daten zu den Marktanteilen der Bankengruppen im Hypothekargeschäft auf kantonaler Ebene. Der fünfte Teil schliesslich beschäftigt sich mit der
Corporate Governance der Schweizer Retail Banken.
Negative Zukunftserwartungen – Technologie als Lichtblick
Die Befragung von 220 Geschäftsleitungsmitgliedern zeigt, dass die Bankenvertreter ein insgesamt düsteres Bild der Zukunft zeichnen. Fast in allen Bereichen erwarten sie künftig strengere Richtlinien und schwierigere Bedingungen. Sie gehen davon aus, dass sich der Wettbewerb weiter
intensivieren, der Margendruck infolge sinkender Kundenloyalität und höherer Preissensitivität zusätzlich verstärken sowie die Bautätigkeit abnehmen wird, derweil die regulatorischen Anforderungen noch komplexer werden. Gleichzeitig rechnen die Banken in den nächsten Jahren mit hohen Investitionen: Denn die Digitalisierung der Geschäftsmodelle schreitet voran, für die Produktentwicklung und Kundenberatung werden immer mehr Technologien eingesetzt und die
Compliance muss sichergestellt werden. Aufgrund dieser Entwicklungsszenarien befürchten die Schweizer Retail Banken, dass ihre Erträge künftig gering ausfallen werden.
Studienautor Andreas Dietrich von der Hochschule Luzern weist aber auch auf Opportunitäten in der Zukunft hin: «Insbesondere technologische Veränderungen bieten Chancen, um Kosten zu senken und Erträge zu steigern – Banken müssen diese aber proaktiv nutzen». Dies sehen auch die Banken so. Die überwältigende Mehrheit der Bankenvertreterinnen und -vertreter geht davon aus,
dass Kunden immer mehr ihre Bankgeschäfte selbst tätigen wollen, was unter anderem kosteneffiziente Self-Service-Angebote zulässt. Zudem erwarten zahlreiche Umfrageteilnehmende eine abnehmende Wertschöpfungstiefe, was ebenfalls zu Kostensenkungen führen sollte. Des Weiteren sind sich die Befragten überraschend einig, dass die Geschäftsmodelle in Zukunft weiter
digitalisiert werden, die Nutzung von mobilen Geräten (massiv) zunehmen und die Bereitschaft der Kunden, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, steigen wird.
Kleinbanken teilweise mit enorm guten Kennzahlen.
Für das Ranking der besten Schweizer Retail Banken wurden Kennzahlen von 91 Instituten analysiert. Der Fokus lag dabei auf zehn Kennzahlen, welche das Risiko, die Rentabilität sowie die Struktur von Bilanz und Erfolgsrechnung berücksichtigen. Dabei konnte lediglich das Jahr 2015
analysiert werden, weil sich die Rechnungslegungsvorschriften verändert haben und deshalb ein Vergleich mit Zahlen aus den Vorjahren nicht möglich ist. Entsprechend können in diesem Jahr einzelne Ausreisser nicht durch eine mehrjährige Betrachtung gemindert werden.
Mit der Bank EEK AG, der Ersparniskasse Affoltern i.E. AG sowie der Spar- und Leihkasse Wynigen AG sind dieses Jahr gleich drei Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 1.5 Milliarden Franken unter den besten fünf Retail Banken. Ebenfalls sehr gut platziert sind die Kantonalbanken aus Schwyz und Graubünden (siehe Anhang). «Es wäre vermessen, von einem
Siegeszug der Kleinbanken zu sprechen», sagt Dietrich. Deren insgesamt gutes Abschneiden ist trotzdem auffällig. Bei der Analyse der Zahlen zeigt sich: Einige Kleinbanken wehren sich trotz des Tiefzinsumfeldes erfolgreich gegen den Margendruck im Aktivgeschäft. Zudem sind sie häufig
sehr gut kapitalisiert und finanzieren ihre Kundenausleihungen zu einem grossen Teil durch Kundengelder.
Betrachtet man alle Retail Banken, so zeigt sich, dass diese insgesamt die regulatorischen Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität deutlich übertreffen. Der Trend zu einer schlechteren Cost/Income Ratio hält weiter an, während die Rentabilität (Return on Assets) insgesamt stabil bleibt.
Staatsgarantie: Chancen und Risiken für die Kantone
Von den 24 Kantonalbanken in der Schweiz verfügen lediglich die Kantonalbanken in den Kantonen Waadt, Bern und Genf über keine Staatsgarantie (mehr). Aus Sicht der Kantone ergeben sich durch die Beteiligung an der jeweiligen Kantonalbank zwar Risiken, aber eben auch zahlreiche
Chancen. So waren die Kantonalbanken in den letzten 13 Jahren ein rentables Investment: Für die Kantone betrug die Rentabilität im Durchschnitt 10.7 Prozent pro Jahr. Die Ausschüttungen der Kantonalbanken machten zudem durchschnittlich 3.6 Prozent der Fiskaleinnahmen der Kantone
aus. Zudem betrachtet die Studie auch, in welchem Ausmass sich die Kantone im Falle eines Ausfalls bei den Kundenausleihungen beteiligen müssten. Die Analyse versucht so, ein differenziertes Bild zwischen Chancen und Risiken der Staatsgarantie aufzuzeigen und zeigt Handlungsoptionen für die Kantone auf.
Immobilienfinanzierungen: Raiffeisen auf Expansionskurs – Grossbanken im Rückzug
Basierend auf neu verfügbaren Daten der Schweizerischen Nationalbank haben die Studienautoren zum ersten Mal den Hypothekarmarkt in den Kantonen untersucht. Die Analyse zeigt auf, dass die Kantonalbanken in fast allen Kantonen den grössten Marktanteil bei der Immobilienfinanzierung
auf sich vereinen können. Tiefe Marktanteile ergeben sich primär dort, wo keine regionalen Kantonalbanken mehr vor Ort tätig sind (Solothurn und Appenzell Ausserrhoden), sowie in den Kantonen Tessin, Genf und Bern, wo sich im Gegenzug andere Bankengruppen sehr stark positionieren konnten. Mit Blick auf die Raiffeisen Gruppe zeigt sich, dass diese vor allem in
ländlichen Regionen stark vertreten ist, trotz hohem Wachstum in städtischen Gebieten. Die Grossbanken sind hingegen insbesondere in städtischen Gebieten stark vertreten. Schweizweit ist der Marktanteil der Grossbanken zwischen 2003 und 2015 von 33.8 auf 28.3 Prozent gesunken, derjenige der Raiffeisenbanken hingegen von 13.2 auf 17.1 Prozent gestiegen.
Frauenanteil in Verwaltungsratsgremien ist gestiegen
Für den letzten Teil der Studie zur Corporate Governance der Schweizer Retail Banken wurden unter anderem die Vergütungen der Verwaltungsratsmitglieder analysiert. Der Personalaufwand für den gesamten Verwaltungsrat der untersuchten Institute reichte im Jahre 2015 von 32’000 Franken
bei der Deposito-Cassa der Stadt Bern bis hin zu 2.19 Millionen Franken bei Raiffeisen Schweiz. Für die Höhe der jeweiligen Vergütungen ist die Bankengrösse relevant: Je grösser das Institut ist, desto komplexer werden in der Regel die Geschäfte; damit steigen wiederum Anforderungen und
Zeitaufwand für die Verwaltungsratsmitglieder – und somit auch die Vergütungen. Der Frauenanteil in den Verwaltungsratsgremien liegt bei 18 Prozent (Vorjahr 16 Prozent). In den Geschäftsleitungen beträgt dieser Anteil sieben Prozent.
Die 222-seitige «IFZ Retail Banking-Studie Schweiz 2016» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden.

Hochschule Luzern – die Fachhochschule der Zentralschweiz
Die Hochschule Luzern ist die Fachhochschule der sechs Zentralschweizer Kantone und vereinigt die
Departemente Technik & Architektur, Wirtschaft, Informatik, Soziale Arbeit, Design & Kunst sowie Musik.
6’000 Studierende absolvieren ein Bachelor- oder Master-Studium, über 4’400 besuchen eine
Weiterbildung. Die Hochschule Luzern ist die grösste Bildungsinstitution in der Zentralschweiz und
beschäftigt 1’600 Mitarbeitende. www.hslu.ch