Migros – Kulturprozent – Classics, Tournee VII Wiener Symphoniker, Tonhalle Maag Zürich, 9. Juni 2018, besucht von Léonard Wüst

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Wiener Symphoniker Foto Andreas Balon

Besetzung und Programm:

Wiener Symphoniker

Rezension:

Philippe Jordan Chefdirigent der Wiener Symphoniker

Wir wollen nicht die zweiten Philharmoniker sein“ – dieser Satz des Chefdirigenten Philippe Jordan zeigt, wohin die Reise für die Wiener Symphoniker gehen soll. In ihrer Eigenschaft als Konzertorchester der Stadt Wien mangelte es den Symphonikern lange am eigenen Profil, nicht aber an der Qualität. Die Uraufführungen bedeutender Werke wie Bruckners Neunter oder Mahlers Sechster beweisen es, ebenso die langjährige Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Herbert von Karajan, Wolfgang Sawallisch oder Georges Prêtre. Das grosse spätromantische Repertoire ist bei den Wiener Symphonikern in den besten Händen Als Kulturbotschafter Wiens unternimmt das Orchester jährlich mehrere Konzerttourneen ins europäische und aussereuropäische Ausland. Auch das Engagement beim Theater an der Wien (seit 2006) soll zur erwähnten Profilschärfung beitragen.

Die Wiener sind auch das Residenzorchester der Bregenzer Festspiele, dort hört man sie auf der Seebühne nur, sieht sie aber nicht, da sie unter der Bühne platziert sind.

Grundsätzliches zum Konzertprogramm:

Strauss ist,  ebenso wie Beethoven,  ein «Orchester-Komponist», dessen bisweilen üppige Partituren aufzufächern für jeden Dirigenten eine anspruchsvolle Tätigkeit darstellt. Das zweite Werk , Strauss’ «Heldenleben», trägt mit Klangfarben und seinem oft als egomanisch verschrieenen Strauss’schen Klangpathos vielleicht noch dicker auf als der dürre Ritter von der traurigen Gestalt.

1. Konzertteil mit Richard Strauss – Don Quixote op. 35,

Gautier Capuçon Solist am Cello

Die, im Jahre 1897 in München komponierten phantastischen Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters, wurden am 8. März 1898 in Köln unter der Leitung von Franz Wüllner uraufgeführt. Die Partitur enthält ursprünglich kein Programm, doch hat der Komponist zu den einzelnen Abschnitten des Werks nachträglich kurze programmatische Erläuterungen zum besseren Verständnis verfasst.

Feines Intro mit Holzbläsern und weichen Violinen, Übernahme des Motivs durch die Klarinette, die abgelöst wird durch die Violinen, die ihrerseits durch die Oboe abgelöst wird, bevor die Blechbläser kurz das Kommando übernehmen, gefolgt vom Piccolo, der Oboe, die zurückführt in den Schoss des Gesamtorchesters

Die zweite Variation schildert eine Episode, in der Don Quijote (dargestellt vom Cello) einer Schafherde begegnet und sie für eine herannahende Armee hält. Strauss setzt dissonantes Flatterzungenspiel ein, um das Blöken der Schafe nachzuahmen.

Anton Sorokov 1. Konzertmeister der Wiener Symphoniker

Dies ist eines der ersten Vorkommen dieser Spieltechnik. Der Solist am Cello, Gautier Capuçon, bringt vor allem in lyrischen Passagen sein Violoncello zum Singen, kann als Ritter von der traurigen Gestalt auch mal ungestüm brummen, mal quietschen, findet sich dann wieder in fast glückseliger Traurigkeit.

Eingebettet im souveränen Orchester, magistral geleitet von Philipp Jordan, spielten sich die drei Solisten zu wahrer musikalischen Magie, es entstanden subtile Dialoge von Cello, 1. Geige (Anton Sorokow) und Viola (Herbert Müller), bei denen alle drei gleichberechtigt agieren konnten, mit Capuçon als „Primus inter Pares“. In der Folge unterordneten sich die Solisten und standen wieder ganz im Dienste des Ganzen als solches, als vollwertige Bestandteile des Gesamtklangkörpers.

 

Solist mit der Viola Herbert Müller

Nach einer kurzen Soloüberführung der Oboe driftet der Komponist fast etwas ins ungarisch, zigeunerhafte ab, wird fast rührselig, was wiederum Capuçon sehr gut ausdrücken kann, ohne ins Weinerliche zu verfallen, sondern einfach schön traurig.

2. Konzertteil mit Richard Strauss – Ein Heldenleben op. 40

Dirigent Philippe Jordan

Das Thema des Helden, das erstmals unisono von den Hörnern und Celli gespielt wird, erinnert mit seiner schnell aufsteigenden Melodieführung an das Eingangsthema der dritten Sinfonie von Ludwig van Beethoven (Eroica): Der Es-Dur-Dreiklang überstreicht fast vier Oktaven und wird von den Hörnern während des gesamten Themas parallel aufgegriffen. Ein kontrastierendes, lyrisch geprägtes Thema taucht erstmals in H-Dur in den hohen Streichern und Bläsern auf, gefolgt von einem zweiten heroischen Motiv, das von einer stufenweise absteigenden Quarte eingerahmt wird. Trompetensignale verkünden den Aufbruch des Helden zu seinen Abenteuern mit einem Dominant-Septakkord, gefolgt von einer unerwarteten, dramatischen Generalpause, der einzigen ausgedehnten Stille Periode des gesamten Werks.

In dieses Werk hat Strauss ungewöhnlich viele Solosequenzen für die 1. Geige hineingeschrieben, die vom russisch stämmigen Konzertmeister Anton Sorokow (*1978 in Moskau) technisch perfekt und sehr ausdrucksstark vorgetragen wurden. Notabene alles sitzend und lächelnd, als ob dies die leichteste Sache der Welt wäre.

Anton Sorokow mit einem Cellisten, Foto aus der Sendung Stars von Morgen des ORF 2002

Anton Sorokow spielt auf einer Violine von Giuseppe Guarneri del Gesù, Cremona 1731, mit dem Beinamen „Ex Sorkin“ aus der Sammlung der Österreichischen Nationalbank. Nebenbei ist er auch noch Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Auch in diese Komposition lässt Strauss immer etwas tsiganhaftes einfliessen. Reminiszenzen an die, auch distanzmässige, Nähe zur ungarischen Volksmusik? Der Dirigent geleitete souverän, voll engagiert, teilweise auch, trotz Frack,  mit vollem Körpereinsatz durch die Partitur, motivierte seine Mitmusiker mittels Gesten, Mimik und energischem Führen des Taktstockes zur Höchstleistung. Das Publikum, mehrheitlich eher gesetzteren Alters in der ausverkauften Tonhalle Maag, erfreute sich beim Schweizer Dirigenten Philippe Jordan an präzise herausgearbeiteten Details der Interpretation, die nicht Selbstzweck sind, sondern die er schlüssig in die Gesamtdramaturgie seiner Interpretation einbindet, sowie an den aussergewöhnlichen musikalischen Leistungen von Solisten und Orchester. Es belohnte diese denn auch mit langem, nicht endendem Applaus, der die Protagonisten noch zur Zugabe animierte, die mit dem „Ungarischen Tanz“ von Johannes  Brahms fulminant ausfiel und erneut Applauskaskaden auslöste.

Tonhalle Maag Konzertsaal Foto Hannes Henz

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/  

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