Bern (ots) – Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, untersucht seit Jahren die Praxis von privaten und öffentlichen Unternehmen bezüglich Vaterschaftsurlaub. Der diesjährige Schwerpunkt liegt auf der Analyse von 46 Gesamtarbeitsverträgen, denen insgesamt rund 1,5 Millionen Arbeitnehmende unterstellt sind. Das Fazit ist ernüchternd: Es ist noch immer die Ausnahme, dass ein Arbeitgeber den angestellten Männern einen Vaterschaftsurlaub gewährt, der diesen Namen auch verdient – über die Hälfte der von der Untersuchung betroffenen Arbeitnehmenden arbeitet gar unter einem GAV, der nur einen freien Tag gewährt.
Heute bekommt ein frisch gebackener Vater in der Schweiz vom Gesetz gleich viel bezahlte freie Zeit, wie bei einem Wohnungswechsel: Einen Tag. Dass dies nicht mehr zeitgemäss ist, belegen unzählige Umfragen ebenso wie die verstärkte Akzeptanz in der Bundespolitik. Es ist höchste Zeit für einen gesetzlich geregelten Vaterschaftsurlaub.
Ernüchterung auch bei Gesamtarbeitsverträgen
Gerne verweisen Wirtschaft und Politik darauf, dass die Sozialpartner ja frei seien, weitergehende Bestimmungen zu treffen. Den Vätern werde de facto schon mehr Urlaub gewährt, als gesetzlich vorgeschrieben. Nachdem Travail.Suisse in den vergangenen Jahren die Bedingungen bei den öffentlichen Arbeitgebern analysiert hat, nahm der Dachverband dieses Jahr den Vaterschaftsurlaub in der Privatwirtschaft unter die Lupe. Dafür wurden die wichtigsten 46 Gesamtarbeitsverträge (GAV) mit rund 1,5 Millionen Angestellten untersucht. Das Resultat ist mehr als ernüchternd: Über die Hälfte der von der Untersuchung betroffenen Arbeitnehmenden arbeitet gar unter einem GAV, der nur einen freien Tag gewährt. Es ist bezeichnend, dass Väter mit fünf Tagen Urlaub bereits zu den absoluten „Gewinnern“ gehören – mehr als diese fünf Tage gewährleisten fast ausschliesslich Grossfirmen.
Gross oder klein macht den Unterschied
Die Schere öffnet sich nicht zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern, wie die Anlyse von Travail.Suisse aufzeigt, sondern zwischen Gross- und Kleinunternehmen. Das ist kein Zufall: Grössere Betriebe haben mehr finanzielle Möglichkeiten als Kleinbetriebe. Doch ein bezahlter Vaterschaftsurlaub darf nicht davon abhängen, wo ein Vater arbeitet. „Genau deshalb setzen wir uns seit Jahren für einen bezahlten und flexibel einziehbaren 20-tägigen Vaterschaftsurlaub ein“, sagt Matthias Kuert Killer, Leiter Sozialpolitik Travail.Suisse. Und: „Die 20 Tage sind zwar nicht gratis zu haben, aber aus den Überschüssen der EO finanzierbar.“ Gemäss Bundesrat (www.bsv.admin.ch/index.html?webcode=d_11095_de) kostet ein vierwöchiger Vaterschaftsurlaub (=28 Taggelder) rund 384 Mio. CHF. Aus der finanziellen Situation der EO und deren mittelfristigen Perspektiven zeigt sich, dass auf Grund der Einführung eines vierwöchigen Vaterschaftsurlaubs mit keiner bzw. einer minimen Erhöhung der EO-Beiträge gerechnet werden muss: Erstens schreibt die EO bereits heute Überschüsse und zweitens ist die Anzahl Diensttage im Militär stark rückläufig. „Vorausgesetzt die Beiträge bleiben bei 0.5 Lohnprozenten und die Einnahmen, Ausgaben und Anlageergebnisse entwickeln sich gemäss den Perspektiven des Bundesrats, kann der Vaterschaftsurlaub von 20 Arbeitstagen praktisch ohne Beitragserhöhung finanziert werden,“ sagt Kuert Killer.
Jetzt ist das Parlament gefordert
Im Parlament sind verschiedene Vorstösse hängig, die den Vaterschaftsurlaub zum Thema haben. Travail.Suisse wird sich weiterhin mit viel Überzeugungsarbeit auch auf parlamentarischer Ebene dafür einsetzen, dass der Vaterschaftsurlaub Realität wird. Es handelt sich dabei nicht um eine ideologische, sondern um eine praktische Frage. Einen Vaterschaftsurlaub haben sich die heutigen Väter verdient, denn es braucht sie – heute und nicht erst morgen.
Modell Travail.Suisse: Vaterschaftsurlaub mit positiven Auswirkungen für Familien und Wirtschaft
Der Vaterschaftsurlaub von 20 Arbeitstagen soll gemäss Travail.Suisse analog dem Mutterschaftsurlaub über die EO bei einer Lohn-Ersatzquote von 80 Prozent finanziert werden. Er wird auf ein Jahr nach der Geburt beschränkt und kann in einzelnen Tagen bezogen werden. So wäre es etwa möglich, 20 Wochen lang das Arbeitspensum um 20% zu reduzieren, was den Beginn einer Teilzeiterwerbstätigkeit des Vaters darstellen kann. Mit diesem Modell haben sowohl die Väter wie auch die Betriebe die Möglichkeit, Teilzeitarbeit über mehrere Monate hinweg zu testen und bei guten Erfahrungen definitiv auf Teilzeitarbeit umzustellen.