Fachkräfte in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, kurz MINT, sind in der Schweiz stark nachgefragt. Was erwarten sie von ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern? Eine Studie der Hochschule Luzern und der Berner Fachhochschule zeigt: MINT-Fachkräfte möchten ihre Kompetenzen durch herausfordernde Fach- und Projektaufgaben weiterentwickeln, wünschen eine partizipative Führungskultur und flexible Arbeitsmodelle. Ihre Erwartungen werden aber oft nur unzureichend erfüllt.
Die Nachfrage nach MINT-Fachkräften in der Schweiz hat sich in den vergangenen sechs Jahrzehnten gemäss Bundesamt für Statistik verzehnfacht. Grund dafür ist der tiefgreifende Strukturwandel hin zu einer technologie-affineren Wissensgesellschaft. Dabei übersteigt die Nachfrage das Angebot: Es herrscht ein ausgeprägter Mangel an MINT-Fachpersonen, der sich im Zuge des Generationenwechsels und des demografischen Wandels nun weiter zuspitzt. «Deshalb stehen Unternehmen vor der Frage, wie sie stark umworbene, selbstbewusst auftretende Fachkräfte wirksam ansprechen, gewinnen und an sich binden können», sagt Personalmanagementforscher Peter Kels von der Hochschule Luzern. In einem umfassenden Forschungsprojekt (siehe Kasten) untersuchten die Hochschule Luzern und die Berner Fachhochschule die Erwartungen von Schweizer MINT-Fachkräften der Generationen Y (Jahrgänge 1982-1999) und X (Jahrgänge 1965–1981) an die Arbeitgebenden.
Unbefriedigende Arbeitssituation
Die Studie zeigt, dass die aktuelle Arbeitssituation für viele MINT-Fachkräfte der Generationen Y und X nicht befriedigend ist: 36 Prozent der befragten Personen beabsichtigen, ihre Arbeitgebenden innerhalb der nächsten 12 Monate zu verlassen. Damit fällt die Kündigungsbereitschaft der MINT-Fachkräfte beträchtlich höher aus als die von Erwerbstätigen in anderen Berufszweigen. «Das sollte das Management wachrütteln und dazu motivieren, der Arbeitszufriedenheit der MINT-Fachkräfte noch mehr Beachtung zu schenken», sagt Kels. Die grösste Differenz besteht über beide Generationen hinweg bei der erwarteten und zugestandenen Mitbestimmung am Arbeitsplatz sowie punkto Entwicklungsperspektiven im Betrieb.
- Möglichkeit, abwechslungsreiche, technisch komplexe bzw. innovative Fach- und Projektaufgaben zu bearbeiten und hierbei eigenständige Lösungswege zu entwickeln,
- Aussicht auf attraktive berufliche Entwicklungsperspektiven und Optionenvielfalt, insbesondere den Kompetenzaufbau über herausfordernde Aufgaben und Projekte/im Rahmen von Alternativlaufbahnen (Fach-, Projekt- oder Horizontalkarrieren),
- betriebliche Führungs- und Zusammenarbeitskultur, die auf Kollegialität, Augenhöhe, Beteiligung, Feedback und Menschlichkeit setzt,
- Option auf flexible, auf das Individuum zugeschnittene Arbeitszeitmodelle (Beginn und Ende Arbeitstag variabel, Überzeiten kompensieren bzw. Teilzeit oder Homeoffice).
Jüngere MINT-Arbeitskräfte erwarten echten «Teamspirit»
«Im Vergleich beider Generationen zeigt sich, dass MINT-Fachkräfte der Generation Y höhere Erwartungen an die Zusammenarbeit auf Teamebene als auch an die Führungsbeziehung haben», fasst die Expertin für Teamarbeit, Andrea Gurtner, von der Berner Fachhochschule zusammen. Geben sich MINT-Beschäftige aus der Generation X mit einem kooperativen Arbeitsklima weitgehend zufrieden, erwarten Fachkräfte der Generation Y echten «Teamspirit» (Zusammengehörigkeitsgefühl, gemeinsame Ziele, voneinander lernen). Von Vorgesetzten erwarten jüngere MINT-Fachkräfte, in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung durch herausfordernde Aufgaben und regelmässiges Feedback im Rahmen einer individuellen Führungsbeziehung gefördert zu werden.